Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Die Sorgen der Landwirte
Wie sich die Corona-Krise auf die Bauern in der Region auswirkt
LEUTKIRCH/ISNY/BAD WURZACH In der Landwirtschaft der Region hat sich die Corona-Krise bislang noch nicht so gravierend ausgewirkt wie in vielen anderen Teilen der Wirtschaft. Aber: „Das Schlimmste kommt erst noch“, befürchtet Rolf Weidner.
Der Landwirt aus Willis bei Unterschwarzach ist Ravensburger Kreisvorsitzender des Bundesverbands der deutschen Milchviehhalter (BDM). „Zurzeit hat sich die Situation noch nicht verschärft“, sagt der Leutkircher Waldemar Westermayer, Kreisvorsitzender des Bauernverbands Allgäu-Oberschwaben. Relativ gelassen betrachtet dagegen der Isnyer Biobauer Claus Zengerle die Lage.
Die gute Nachricht für den Verbraucher: Die Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten ist gesichert. „Saisonarbeitskräfte sind im württembergischen Teil des Landkreises kaum ein Thema“, sagt Westermayer
mit Blick auf die jüngsten Debatten um die Einreise von Erntehelfern. Und die Landwirte schaffen uneingeschränkt weiter. „Wir müssen arbeiten, denn wir können ja unsere Tiere nicht in Kurzarbeit schicken“, so drückt es Claus Zengerle humorvoll aus. „Freilich wäre es eine Katastrophe, wenn in unseren Familienbetrieben wegen einer Infektion einer oder mehrere ausfallen würden“, schiebt er ernst hinterher. „Denn landwirtschaftliche Helfer sind derzeit nicht zu kriegen.“
Beim Absatz ihrer Waren haben die Landwirte freilich Probleme. Auf der einen Seite ist zwar im Lebensmittel-Einzelhandel die Nachfrage nach Milchprodukten und Fleisch gestiegen. Doch dafür fallen Hotels und Gastronomie als Kunden weitgehend aus. Und der Auslandsmarkt ist ebenso weggebrochen. „Nach Italien und in andere Länder geht nichts mehr“, so Weidner.
Das ist für den Biobauern aus Isny, der seine Produkte über kleine Läden an die Frau und den Mann bringt, kaum ein Problem „denn der Anteil der Gastronomie an meinem Absatz ist nicht gravierend“.
Doch wer es mit Zwischenhändlern zu tun hat, hat es nun zunehmend mit einem Preisdruck zu tun. Denn vor allem im sogenannten weißen Bereich ist zu viel Milch auf dem Markt. „Die Molkereien können die Menge teilweise gar nicht mehr verschaffen“, berichtet Weidner. Die erste Molkerei habe daher den Einkaufspreis bereits um zwei Cent auf 34 Cent reduziert, weiß er und befürchtet: „Die anderen werden nachziehen.“Der Kieler Rohstoffwert (auch ife-Wert) sage für Juni gar einen Milchpreis von nur noch 26 Cent voraus, berichtet Weidner: „Das wäre eine Katastrophe.“
Der Unterschwarzacher fordert eine europaweite verpflichtende Milchmengenreduzierung, um diese Katastrophe zu verhindern. „Wir müssen solidarisch sein“, appellierte er an seine Kollegen im In- und Ausland. „Es macht keinen Sinn, uns Milchbauern jetzt mit öffentlichen
Geldern zu retten, wenn wir dies selbst tun können. Das Geld der öffentlichen Hand wäre zum Beispiel beim Frisör oder dem kleinen Einzelhändler, denen die Grundlagen entzogen worden sind, viel besser angelegt.“
Die genaue Entwicklung werde man erst in drei bis vier Wochen abschätzen können, glaubt Westermayer. Er macht sich dabei auch Sorgen um den Fleischmarkt. Der gestiegene private Verbrauch, den viele Experten zudem nur als kurzfristige Erscheinung – Stichwort „hamstern“– sehen, könne den Wegfall des Absatzes für Hotels und Gastronomie nicht auffangen. Die Preise, die nach einem schwachen Jahr 2019 gerade wieder etwas angezogen hätten, gerieten dadurch schon wieder unter Druck. Hinzu komme, dass in Schlachthöfen wegen Covid-19-Infektionen oder vorbeugender Isolation Personal fehle und dass es „Engpässe“beim Transport der Tiere gebe, berichtet der Leutkircher Bauernverbandschef.
Seine Hoffnung: „Vielleicht legt der Verbraucher künftig doch mehr Wert darauf, woher sein Lebensmittel, ob Fleisch, Milch, Getreide, Gemüse oder Obst, kommt. Wir würden dadurch weniger abhängig vom Import werden. Wohin das führen kann, sehen wir ja jetzt gerade sehr schmerzlich im Bereich Medikamente und Schutzkleidung.“
Darauf hofft auch Claus Zengerle. „Die Menschen könnten erkennen, wie wichtig regionale Kreisläufe sind, und dass diese gestärkt werden sollten.“
Der Isnyer lenkt den Blick auch auf zwei andere Probleme, mit denen Landwirte konfrontiert sind. „Die, die sich im Tourismus ein zweites Standbein aufgebaut haben, haben das jetzt verloren.“Davon sei er nicht betroffen, wohl aber von einem zweiten Punkt, der ihm Sorgen bereitet. „Ich habe in der Scheune auch Geräte und Maschinen zum Beispiel aus Österreich. Wenn da jetzt etwas kaputtgeht, weiß ich nicht, ob ich Monteure und Ersatzteile herbekomme.“