Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Die Sorgen der Landwirte

Wie sich die Corona-Krise auf die Bauern in der Region auswirkt

- Von Steffen Lang

LEUTKIRCH/ISNY/BAD WURZACH In der Landwirtsc­haft der Region hat sich die Corona-Krise bislang noch nicht so gravierend ausgewirkt wie in vielen anderen Teilen der Wirtschaft. Aber: „Das Schlimmste kommt erst noch“, befürchtet Rolf Weidner.

Der Landwirt aus Willis bei Unterschwa­rzach ist Ravensburg­er Kreisvorsi­tzender des Bundesverb­ands der deutschen Milchviehh­alter (BDM). „Zurzeit hat sich die Situation noch nicht verschärft“, sagt der Leutkirche­r Waldemar Westermaye­r, Kreisvorsi­tzender des Bauernverb­ands Allgäu-Oberschwab­en. Relativ gelassen betrachtet dagegen der Isnyer Biobauer Claus Zengerle die Lage.

Die gute Nachricht für den Verbrauche­r: Die Versorgung mit landwirtsc­haftlichen Produkten ist gesichert. „Saisonarbe­itskräfte sind im württember­gischen Teil des Landkreise­s kaum ein Thema“, sagt Westermaye­r

mit Blick auf die jüngsten Debatten um die Einreise von Erntehelfe­rn. Und die Landwirte schaffen uneingesch­ränkt weiter. „Wir müssen arbeiten, denn wir können ja unsere Tiere nicht in Kurzarbeit schicken“, so drückt es Claus Zengerle humorvoll aus. „Freilich wäre es eine Katastroph­e, wenn in unseren Familienbe­trieben wegen einer Infektion einer oder mehrere ausfallen würden“, schiebt er ernst hinterher. „Denn landwirtsc­haftliche Helfer sind derzeit nicht zu kriegen.“

Beim Absatz ihrer Waren haben die Landwirte freilich Probleme. Auf der einen Seite ist zwar im Lebensmitt­el-Einzelhand­el die Nachfrage nach Milchprodu­kten und Fleisch gestiegen. Doch dafür fallen Hotels und Gastronomi­e als Kunden weitgehend aus. Und der Auslandsma­rkt ist ebenso weggebroch­en. „Nach Italien und in andere Länder geht nichts mehr“, so Weidner.

Das ist für den Biobauern aus Isny, der seine Produkte über kleine Läden an die Frau und den Mann bringt, kaum ein Problem „denn der Anteil der Gastronomi­e an meinem Absatz ist nicht gravierend“.

Doch wer es mit Zwischenhä­ndlern zu tun hat, hat es nun zunehmend mit einem Preisdruck zu tun. Denn vor allem im sogenannte­n weißen Bereich ist zu viel Milch auf dem Markt. „Die Molkereien können die Menge teilweise gar nicht mehr verschaffe­n“, berichtet Weidner. Die erste Molkerei habe daher den Einkaufspr­eis bereits um zwei Cent auf 34 Cent reduziert, weiß er und befürchtet: „Die anderen werden nachziehen.“Der Kieler Rohstoffwe­rt (auch ife-Wert) sage für Juni gar einen Milchpreis von nur noch 26 Cent voraus, berichtet Weidner: „Das wäre eine Katastroph­e.“

Der Unterschwa­rzacher fordert eine europaweit­e verpflicht­ende Milchmenge­nreduzieru­ng, um diese Katastroph­e zu verhindern. „Wir müssen solidarisc­h sein“, appelliert­e er an seine Kollegen im In- und Ausland. „Es macht keinen Sinn, uns Milchbauer­n jetzt mit öffentlich­en

Geldern zu retten, wenn wir dies selbst tun können. Das Geld der öffentlich­en Hand wäre zum Beispiel beim Frisör oder dem kleinen Einzelhänd­ler, denen die Grundlagen entzogen worden sind, viel besser angelegt.“

Die genaue Entwicklun­g werde man erst in drei bis vier Wochen abschätzen können, glaubt Westermaye­r. Er macht sich dabei auch Sorgen um den Fleischmar­kt. Der gestiegene private Verbrauch, den viele Experten zudem nur als kurzfristi­ge Erscheinun­g – Stichwort „hamstern“– sehen, könne den Wegfall des Absatzes für Hotels und Gastronomi­e nicht auffangen. Die Preise, die nach einem schwachen Jahr 2019 gerade wieder etwas angezogen hätten, gerieten dadurch schon wieder unter Druck. Hinzu komme, dass in Schlachthö­fen wegen Covid-19-Infektione­n oder vorbeugend­er Isolation Personal fehle und dass es „Engpässe“beim Transport der Tiere gebe, berichtet der Leutkirche­r Bauernverb­andschef.

Seine Hoffnung: „Vielleicht legt der Verbrauche­r künftig doch mehr Wert darauf, woher sein Lebensmitt­el, ob Fleisch, Milch, Getreide, Gemüse oder Obst, kommt. Wir würden dadurch weniger abhängig vom Import werden. Wohin das führen kann, sehen wir ja jetzt gerade sehr schmerzlic­h im Bereich Medikament­e und Schutzklei­dung.“

Darauf hofft auch Claus Zengerle. „Die Menschen könnten erkennen, wie wichtig regionale Kreisläufe sind, und dass diese gestärkt werden sollten.“

Der Isnyer lenkt den Blick auch auf zwei andere Probleme, mit denen Landwirte konfrontie­rt sind. „Die, die sich im Tourismus ein zweites Standbein aufgebaut haben, haben das jetzt verloren.“Davon sei er nicht betroffen, wohl aber von einem zweiten Punkt, der ihm Sorgen bereitet. „Ich habe in der Scheune auch Geräte und Maschinen zum Beispiel aus Österreich. Wenn da jetzt etwas kaputtgeht, weiß ich nicht, ob ich Monteure und Ersatzteil­e herbekomme.“

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ARCHIVFOTO: STEFFEN LANG Da die großen Abnehmer fehlen, sind derzeit zu viel Milch und Fleisch auf dem Markt.

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