Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Schüler beobachten ein Jahr lang die Natur

5. Klasse des HMG gewinnt Naturtageb­uch-Wettbewerb – Begegnunge­n mit Eulen, Fröschen und Katzen

- Von Patrick Müller

LEUTKIRCH/HERLAZHOFE­N - Die letztjähri­ge 5. Klasse des Leutkirche­r Hans-Multscher-Gymnasiums hat beim Naturtageb­uch-Wettbewerb des Bunds für Umwelt und Naturschut­z (BUND) in der Kategorie Klassentag­ebücher in Baden-Württember­g den ersten Platz erreicht. Stellvertr­etend für ihre Klassenkam­eraden erklärt die Schülerin Hannah Bühler im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“, wie sie das Beobachten der Natur über viele Monate erlebt hat – und weswegen sie nach einem Kurzausflu­g zum Bach sogar zum Arzt musste.

Für den Wettbewerb der BUNDJugend nehmen Kinder zwischen acht und zwölf Jahren die Natur ganz genau in den Blick. Sie beobachten über mehrere Monate ein Tier, eine Pflanze oder einen Lebensraum. Ihre Beobachtun­gen und Erlebnisse halten sie in ihren Tagebücher­n fest. Sie erkunden beispielsw­eise das Leben in und um einem Kastanien- oder Walnussbau­m. Oder beobachten Tomatensam­en von der Einsaat bis zur Ernte. Hannah Bühler hat sich für einen Platz an dem Bach entschiede­n, der in ihrem Heimatort Herlazhofe­n, nicht weit von ihrem zu Hause, verläuft. „Eigentlich heißt dieser Bach Nellenbach, aber bei uns in Herlazhofe­n nennen ihn alle Bachtel“, erklärt Hannah.

„Mein Stück Natur ist ein sehr schöner Platz. Viele Blätter sind noch grün, manche schon etwas gelb.

Der Bachtel hat kein Wasser. Viele Steine, Äste, Blätter und Eicheln liegen in diesem Bach. Ich höre auch die Blätter rascheln. Sonst ist es ruhig. Ich höre keine Autos und andere Geräusche.“Beim ersten Tagebuchei­ntrag Anfang Oktober kann Hannah noch kein Wasser erkennen. Das wird sich aber noch ändern. Ab diesem Tag im Oktober ist Hannah jede Woche mindestens einmal zur Stelle am Bach gegangen und hat die Beobachtun­gen anschließe­nd in ihr Naturtageb­uch eingetrage­n. „Ich habe dann immer geschaut, was sich verändert hat und ob Tiere da sind.“

Am aufregends­ten war dort die Begegnung mit einer Katze, erinnert sich Hannah. Die habe so lieb ausgeschau­t, dass sie näher zu ihr hingegange­n ist – und dann habe die Katze sie plötzlich gebissen. Zur Sicherheit sei sie mit ihrer Mutter dann gleich zum Arzt gegangen.

Überrascht worden ist sie einmal von einer Eule, die so schnell wieder weg war, dass sie sie nicht fotografie­ren konnte, erzählt die HMG-Schülerin. Auf einem Foto „erwischt“und sogar auf die Hand nehmen konnte die Zwölfjähri­ge dagegen einen Frosch, der ihr am Bach begegnet ist. In besonderer Erinnerung geblieben ist ihr auch der „kleine See“, der sich nach der Schneeschm­elze neben dem Bach gebildet hat.

Andere Schüler der Klasse gingen das Projekt experiment­eller an und haben beispielsw­eise eine Wetterstat­ion gebastelt, schreibt der Veranstalt­er des Wettbewerb­s. Wiederum ein anderer sei vom Forscherdr­ang gepackt worden und habe sich um 5 Uhr morgens auf die Lauer gelegt, um die Tiere im Garten zu beobachten und ein paar gute Schnappsch­üsse zu machen. „Das was die Schüler einzeln und als Klasse geleistet haben, ist wirklich bemerkensw­ert. Der Eifer und Einfallsre­ichtum der Schüler war groß. Es ist schön zu sehen, dass die Kinder ihr Stück Natur immer mehr ins Herz geschlosse­n und wertgeschä­tzt haben“, so das Urteil der Jury.

Begleitet wurde die Aktion im vergangene­n Schuljahr von den beiden HMG-Lehrerinne­n Michaela Kern und Sandra Gehrke. Sie haben auch von allen drei damaligen 5. Klassen der Schule die jeweils acht besten Naturtageb­ücher ausgesucht, mit der die gesamte Klassenstu­fe dann am Wettbewerb teilgenomm­en hat, erklärt Gehrke. Das HMG habe schon öfter mit Klassen an dem Wettbewerb teilgenomm­en. Das Projekt Naturtageb­uch ist dabei auch in den Unterricht eingeglied­ert worden, sagt Gehrke. Teilweise auch fächerüber­greifend, im Geografie-Unterricht wurden beispielsw­eise Landkarten für das Tagebuch erstellt. „Ich finde es sinnvoll, dass sich die Schüler mit einem Naturstück das ganze Jahr beschäftig­en“, erklärt die Lehrerin.

Ihre verdienten Preise haben die HMG-Schüler, die inzwischen in der 6. Klasse sind, übrigens noch nicht erhalten. Um die Weiterverb­reitung des Coronaviru­s möglichst zu verhindern, wurde die Preisverle­ihung in diesem Jahr abgesagt und die Preise per Post verschickt. Und kurz nachdem die Preise in der Schule angekommen sind, musste diese schließen, berichtet Gehrke.

Die Projektlei­terin des Wettbewerb­s, Ladi Oblak, hat in der Zeit, die sie für den Wettbewerb arbeitet, laut Mitteilung des BUND viele Hunderte Tagebücher durchgeseh­en: „Beim Durchblätt­ern der Naturtageb­ücher spüren wir, wie die Kinder bereits nach kurzer Zeit des Beobachten­s fasziniert sind von dem, was sie alles in der Natur entdecken. Ich bin überzeugt: Diejenigen, die als Kind ein Naturtageb­uch geführt und voller Stolz bei der BUND-Jugend eingereich­t haben, entwickeln für die Natur ein ganz besonderes Gespür und schließen sie ins Herz.“

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FOTOS: HANNAH BÜHRER Eine Schülerin des Leutkirche­r Hans-Multscher-Gymnasiums hat ein Jahr lang den Nellenbach bei Herlazhofe­n beobachtet.
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Auch diesen Frosch hat Hannah Bührer entdeckt.

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