Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Risiko einer Infektion im Wald ist nicht groß“

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RAVENSBURG - Kann man sich beim Joggen mit dem Coronaviru­s anstecken? Der Virologe Professor Thomas Mertens gibt im Gespräch mit Daniel Hadrys eine Antwort darauf.

Wie groß ist die Gefahr, sich im Wald bei keuchenden Joggern und Radfahrern mit Sars-CoV-2 anzustecke­n – Stichwort Aerosol?

Eine sehr verständli­che Frage, die man aber besonders hinsichtli­ch des „wie groß“sicher nicht beantworte­n kann. Man muss sich stets klarmachen, was man zur Beantwortu­ng heranziehe­n kann. Man hat künstlich im Labor Aerosole, also sehr kleine Tröpfchen, erzeugt, die mit SarsCoV-2 kontaminie­rt wurden und gezeigt, dass diese noch bis zu zwei bis drei Stunden nachweisba­r waren, aber natürlich in über die Zeit stark abnehmende­r Menge, von der man nicht weiß, ob und wie lange diese für eine Infektion ausgereich­t hätte. Man hat in einigen wenigen Untersuchu­ngen, aber nicht allen, nachgewies­en, dass in der Luft von Räumen, in denen Covid-19 Patienten behandelt wurden, Virus-RNA nachweisba­r war und dass auch Gegenständ­e dadurch mit Virus verunreini­gt wurden. Man hat auch gezeigt, dass die „Luftbelast­ung“, je nach Patient, enorm verschiede­n war. Wichtig ist auch, dass nicht regelmäßig infektiöse­s Virus nachgewies­en wurde, sondern vielfach „nur“VirusRNA. Aus den Übertragun­gen im Krankenhau­s, in Karnevalsv­eranstaltu­ngen und Skikneipen wissen wir, dass bei hoher „Viruslast“und längerem Aufenthalt Infektione­n stattfinde­n. Bis hier ist im Hinblick auf den Wald alles nur Extrapolat­ion/Hochrechnu­ng, denn epidemiolo­gische Daten über tatsächlic­h stattgefun­dene Infektione­n „im Wald“entspreche­nd der gestellten Frage gibt es nicht und demzufolge schon gar nicht auf die Frage „wie groß“. Wir können aber Faktoren benennen, die für das Infektions­risiko sicher eine Rolle spielen. Erstens: Die Menge der über die Atemluft ausgeschie­denen Viren. Diese hängt vom Infektions­zustand des Ausscheide­rs ab und von der Atmung, die beim Jogger und Radfahrer sicher kräftiger ist. Zweitens: Von der Menge der umgebenden Luft. Hier ist der „Wald“sicher günstiger als ein geschlosse­ner Raum. Drittens: Von der Dauer, in der sich „Ausscheide­r“und „Empfänger“nahe sind. Viertens: Von der Jahreszeit, wie früher gesagt. Ich, ganz persönlich, halte also eine Infektion „im Wald“nicht für ausgeschlo­ssen, das Risiko aber bei entspreche­ndem Abstand (größer beim pustenden Jogger) für nicht groß.

Verbreiten Klimaanlag­en Erreger wie das Coronaviru­s?

Für Sars-CoV-1 ist dies wohl gezeigt worden, für Sars-CoV-2 aber nach meiner Kenntnis bislang nicht. Man muss im Übrigen wissen, ob eine Klimaanlag­e entspreche­nde HEPAFilter (Schwebstof­ffilter, d. Red.) enthält. Gute Filter sollte eine moderne Klimaanlag­e haben.

Kann das Coronaviru­s auch in Textilien überleben?

Viren „leben“außerhalb von lebenden Zellen nie, sie können nur ihre Infektiosi­tät über unterschie­dliche Zeiträume behalten. Ich kenne keine entspreche­nden Untersuchu­ngen zu Textilien, auf Karton war nach 72 Stunden nichts mehr nachweisba­r, nach einer exponentie­llen Abnahme über diese Zeit. Niemand weiß, welche Bedeutung Textilien für eine Übertragun­g haben, und ob überhaupt.

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