Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Baustelle statt Besucherandrang
In der Stuttgarter Wilhelma und im Ulmer Tiergarten geht der Alltag auch ohne Besucher weiter
STUTTGART/ULM Die Magnolien stehen in voller Blüte, die Sonne scheint, der Himmel ist blau. Eigentlich ein Tag, an dem Besuchermassen in die Stuttgarter Wilhelma strömen. Stattdessen sind die Wege leer. Und niemand stört sich daran, dass neben dem Rosenteich unansehnliche Haufen feuchter Algen liegen und statt einer glatten Wasserfläche Heizungsrohre und Teichbecken zu sehen sind. Im Maurischen Garten werden die Wege saniert – und das während der Magnolienblüte. In einem normalen Frühjahr „wäre das eine Todsünde“, sagt Harald Knitter, Pressesprecher des Zoologisch-Botanischen Gartens. „Das würden wir uns um diese Zeit nie erlauben.“
Aber es ist eben kein normales Frühjahr. Es ist Hauptsaison. Aber niemand ist da. Nicht nur der Seerosenteich kann in Ruhe gereinigt werden, auch der Fußweg an der Terracottawand ist saniert, ohne dass jemand Umwege gehen musste. Und der Spielplatz vor dem Amazonienhaus ist eine Baustelle, ohne dass Absperrband neugierige Kinder fernhalten muss.
„Wir gehen davon aus, dass wir in der Phase vom 17. März bis zum 19. April etwa zwei Millionen Euro weniger Einnahmen haben“, sagt Knitter. Rund 270 000 Besucher seien im vergangenen Jahr in den Osterferien in der Wilhelma gewesen. Die zahlenden Gäste spielen für die Finanzierung des Zoos eine wichtige Rolle: „Der überwältigende Anteil der Einnahmen beruht auf den Besuchern“, sagt Knitter. Tagesbesucher, Führungen, Tierbegegnungen, Fotoshootings, Hochzeitsfeiern – „das ist alles gekappt“.
Die Ausgaben bleiben jedoch: Etwa 70 000 Euro Betriebskosten fallen in der Wilhelma pro Tag an. Denn die Arbeit muss auch ohne Besucher weitergehen. Etwa 11 000 Tiere sind zu versorgen, hinzu kommen unzählige, teils sehr seltene Pflanzen im Botanischen Garten. Für die Wilhelma
sei deshalb am wichtigsten, dass die 320 Mitarbeiter gesund bleiben. Dafür wurden die Angestellten in allen Revieren in jeweils zwei Teams aufgeteilt. Im Fall einer Infektion muss sich so nicht die ganze Abteilung in Quarantäne begeben.
Das gleiche Problem hat der Tiergarten in Ulm. „Unsere Sorge ist die Gesundheit der Kollegen“, sagt die Leiterin Stefanie Kießling. „Wenn die ausfallen, bekommen wir ein Problem.“Denn für die optimale Versorgung der Tiere braucht es das Fachwissen der Pfleger. Das Team in Ulm ist deutlich kleiner als in Stuttgart: Von den 20 Mitarbeitern sind neun Tierpfleger. Eine Aufteilung in zwei
Teams ist dort personell gar nicht möglich. „Wir haben die Arbeit aufgeteilt und entzerrt, so gut es geht“, sagt Kießling. Um das Futter für die Tiere machen sich weder sie noch Harald Knitter in Stuttgart Sorgen. „Alle Futtermittelversorgungen sind sichergestellt“, sagt die Chefin des Ulmer Tiergartens. In der Wilhelma haben sich die Verantwortlichen informiert, welche alternativen Futterquellen es bei Lieferproblemen geben könnte – eine reine Vorsichtsmaßnahme.
Wann die Tierparks wieder öffnen, steht noch nicht endgültig fest. Museen, Zoos und Botanische Gärten könnten ab dem 4. Mai zu den Einrichtungen gehören, die wieder Publikum einlassen dürfen. Existenzbedrohend ist die besucherfreie Zeit für die Wilhelma nicht: Als Landesbetrieb muss sie sich nicht selbst finanzieren. Trotzdem wird die Schließung Folgen haben. „Wir befürchten, dass wir an die Reserven für Bauprojekte wie neue Gehege gehen müssen, um die laufenden Kosten zu begleichen,“sagt Knitter. Trotzdem zeigt sich, dass viele Menschen Sorge um ihren ZoologischBotanischen Garten haben: „Die Zahl der Patenschaften für Tiere und Pflanzen steigt“, sagt Harald Knitter. „Das ist eine Form der Spende für die Wilhelma und eine sehr schöne, moralische Rückenstärkung.“