Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Baustelle statt Besucheran­drang

In der Stuttgarte­r Wilhelma und im Ulmer Tiergarten geht der Alltag auch ohne Besucher weiter

- Von Andrea Pauly

STUTTGART/ULM Die Magnolien stehen in voller Blüte, die Sonne scheint, der Himmel ist blau. Eigentlich ein Tag, an dem Besucherma­ssen in die Stuttgarte­r Wilhelma strömen. Stattdesse­n sind die Wege leer. Und niemand stört sich daran, dass neben dem Rosenteich unansehnli­che Haufen feuchter Algen liegen und statt einer glatten Wasserfläc­he Heizungsro­hre und Teichbecke­n zu sehen sind. Im Maurischen Garten werden die Wege saniert – und das während der Magnolienb­lüte. In einem normalen Frühjahr „wäre das eine Todsünde“, sagt Harald Knitter, Pressespre­cher des Zoologisch-Botanische­n Gartens. „Das würden wir uns um diese Zeit nie erlauben.“

Aber es ist eben kein normales Frühjahr. Es ist Hauptsaiso­n. Aber niemand ist da. Nicht nur der Seerosente­ich kann in Ruhe gereinigt werden, auch der Fußweg an der Terracotta­wand ist saniert, ohne dass jemand Umwege gehen musste. Und der Spielplatz vor dem Amazonienh­aus ist eine Baustelle, ohne dass Absperrban­d neugierige Kinder fernhalten muss.

„Wir gehen davon aus, dass wir in der Phase vom 17. März bis zum 19. April etwa zwei Millionen Euro weniger Einnahmen haben“, sagt Knitter. Rund 270 000 Besucher seien im vergangene­n Jahr in den Osterferie­n in der Wilhelma gewesen. Die zahlenden Gäste spielen für die Finanzieru­ng des Zoos eine wichtige Rolle: „Der überwältig­ende Anteil der Einnahmen beruht auf den Besuchern“, sagt Knitter. Tagesbesuc­her, Führungen, Tierbegegn­ungen, Fotoshooti­ngs, Hochzeitsf­eiern – „das ist alles gekappt“.

Die Ausgaben bleiben jedoch: Etwa 70 000 Euro Betriebsko­sten fallen in der Wilhelma pro Tag an. Denn die Arbeit muss auch ohne Besucher weitergehe­n. Etwa 11 000 Tiere sind zu versorgen, hinzu kommen unzählige, teils sehr seltene Pflanzen im Botanische­n Garten. Für die Wilhelma

sei deshalb am wichtigste­n, dass die 320 Mitarbeite­r gesund bleiben. Dafür wurden die Angestellt­en in allen Revieren in jeweils zwei Teams aufgeteilt. Im Fall einer Infektion muss sich so nicht die ganze Abteilung in Quarantäne begeben.

Das gleiche Problem hat der Tiergarten in Ulm. „Unsere Sorge ist die Gesundheit der Kollegen“, sagt die Leiterin Stefanie Kießling. „Wenn die ausfallen, bekommen wir ein Problem.“Denn für die optimale Versorgung der Tiere braucht es das Fachwissen der Pfleger. Das Team in Ulm ist deutlich kleiner als in Stuttgart: Von den 20 Mitarbeite­rn sind neun Tierpflege­r. Eine Aufteilung in zwei

Teams ist dort personell gar nicht möglich. „Wir haben die Arbeit aufgeteilt und entzerrt, so gut es geht“, sagt Kießling. Um das Futter für die Tiere machen sich weder sie noch Harald Knitter in Stuttgart Sorgen. „Alle Futtermitt­elversorgu­ngen sind sichergest­ellt“, sagt die Chefin des Ulmer Tiergarten­s. In der Wilhelma haben sich die Verantwort­lichen informiert, welche alternativ­en Futterquel­len es bei Lieferprob­lemen geben könnte – eine reine Vorsichtsm­aßnahme.

Wann die Tierparks wieder öffnen, steht noch nicht endgültig fest. Museen, Zoos und Botanische Gärten könnten ab dem 4. Mai zu den Einrichtun­gen gehören, die wieder Publikum einlassen dürfen. Existenzbe­drohend ist die besucherfr­eie Zeit für die Wilhelma nicht: Als Landesbetr­ieb muss sie sich nicht selbst finanziere­n. Trotzdem wird die Schließung Folgen haben. „Wir befürchten, dass wir an die Reserven für Bauprojekt­e wie neue Gehege gehen müssen, um die laufenden Kosten zu begleichen,“sagt Knitter. Trotzdem zeigt sich, dass viele Menschen Sorge um ihren Zoologisch­Botanische­n Garten haben: „Die Zahl der Patenschaf­ten für Tiere und Pflanzen steigt“, sagt Harald Knitter. „Das ist eine Form der Spende für die Wilhelma und eine sehr schöne, moralische Rückenstär­kung.“

 ?? FOTO: WILHELMA STUTTGART / HARALD KNITTER ?? Arbeiter statt Besucher: Der größte Spielplatz der Wilhelma in Stuttgart wird komplett umgestalte­t.
FOTO: WILHELMA STUTTGART / HARALD KNITTER Arbeiter statt Besucher: Der größte Spielplatz der Wilhelma in Stuttgart wird komplett umgestalte­t.

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