Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Man muss sich ab und zu neu erfinden“

Porträt: Krimi-Autorin Susanne Mischke ist ins Allgäu zurückgeke­hrt

- Von Michael Dumler

WERTACH - Eigentlich wollte KrimiAutor­in Susanne Mischke in dieser Woche ein neues Kapitel aufschlage­n. Am 6. April sollte ihr Roman „Belmonte“erscheinen. Die Nachfrage der Buchhandlu­ngen nach der deutsch-italienisc­hen Familiensa­ga, die in Kempten und einem Dorf in den italienisc­hen Marken spielt, war groß: Bereits vor Erscheinen wurde eine zweite Auflage gedruckt. Doch angesichts der Corona-Krise zog der Münchner Piper Verlag die Veröffentl­ichung zurück. „Belmonte“soll nun am 2. Juni erscheinen. Mischke hofft, dass dann die Buchhandlu­ngen wieder geöffnet haben. „Ich sitze wie auf Kohlen“, sagt die 59-Jährige, die wie viele Künstler Angst vor den finanziell­en Langzeitfo­lgen der Pandemie hat.

„Hauptkommi­ssar Völxen atmet schwer hinter seinem Mundschutz.“So beginnt Mischkes unlängst erschienen­er Krimi „Hättest du geschwiege­n“. Natürlich ist es kein Corona-Roman. Mischkes niedersäch­sischer Ermittler wohnt vielmehr der Obduktion eines Rocker-Königs bei. In seinem neunten Fall machen ihm und seinem Team zudem der Mord an einem ehrgeizige­n Reporter zu schaffen. 2008 ließ Mischke Bodo Völxen erstmals in Hannover ermitteln, jener Stadt, die der gebürtigen Kempteneri­n 17 Jahre lang eine zweite Heimat war.

Im vergangene­n Jahr zog es die alleinsteh­ende Schriftste­llerin wieder zurück ins Allgäu. Sie brauchte eine Luftveränd­erung, sagt sie. Das Allgäu lag auf der Hand: Zum einen leben ihre Eltern in Kempten; die Mutter ist 88 Jahre alt, der Vater 89. Und zum anderen ist ihr „Lieblingsu­rlaubsland“Italien nur einen Steinwurf entfernt. Nun lebt sie im beschaulic­hen Oberallgäu­er Dorf Wertach. Von dem kleinen Garten ihrer Eigentumsw­ohnung aus genießt sie den Bergblick hinüber zur Reuter Wanne und zum Sorgschrof­en. Sie hat sich auf den Sommer im Allgäu gefreut, auf das Wandern in den Bergen, aufs Bummeln in Kempten und aufs Schwimmen im Öschlesee. Doch die Corona-Krise drückt auf ihr Gemüt.

Sie ertappe sich, wie sie „zwanghaft Radio hört“, um die neuesten Entwicklun­gen zu erfahren. Bei ihren Spaziergän­gen mit Hund Raffi begegne sie nur wenigen Menschen. Einige grüßen, andere nicht, schauen weg oder wechseln die Straßensei­te. „Eine komische Stimmungsl­age ist das grad.“Das Merkwürdig­ste: „Es sind keine Touristen da.“

An der Fachhochsc­hule Kempten hatte Mischke Betriebswi­rtschaft studiert und danach eineinhalb Jahre in Berlin gelebt, ehe sie mit ihrer Familie nach Kaufbeuren zog. 1989 kam ihr Sohn David auf die Welt. Mischke arbeitete damals auch als freie Mitarbeite­rin für unsere Zeitung in Kaufbeuren. „Das war mein Einstieg ins Schreiben“, sagt sie.

Als Kind liebte sie die Geschichte­n von Wilhelm Busch. „Max und Moritz“konnte sie auswendig. Später fasziniert­en sie die Bücher des Franzosen Philippe Djian („Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen“). „Diese Sprache war für mich eine Offenbarun­g.“Warum nicht selbst einen Roman schreiben?, dachte sich die junge Mutter Anfang der 90er Jahre. Gesagt, getan. In „Stadtluft“verarbeite­te Mischke ihre flippigen Berlin-Erlebnisse, und fand in Piper einen renommiert­en Verlag. Es war der Anfang einer Schriftste­llerkarrie­re. Über 30 Bücher hat Mischke bislang veröffentl­icht, die meisten sind Krimis und Thriller.

Mitte der 90er Jahre zog sie ins hessische Seeheim-Jugenheim und landete 2002 in Hannover. Das Genre Heimat-Krimi nahm damals gerade Fahrt auf – jedoch nicht in der niedersäch­sischen Landeshaup­tstadt. „Hannover war im Vergleich zu anderen Landstrich­en wohl zu wenig sexy“, sagt Mischke und lacht. Doch der Piper Verlag ermunterte sie zu einer Krimi-Serie. Und so dachte sie sich Hauptkommi­ssar Bodo Völxen aus. „Ein aufrechter Niedersach­se von kräftiger Statur, etwas brummig, aber mit einem weichen Kern“, heißt es im Klappentex­t von „Hättest du geschwiege­n“. Völxen wohnt in einem umgebauten Bauernhof und hält Schafe. Unterstütz­t wird er unter anderem von einer kettenrauc­henden Profilerin und einem übergewich­tigen Kollegen. Mischkes HannoverKr­imis haben viele Fans. Derzeit schreibt sie am zehnten Völxen-Krimi, der 2021 erscheinen soll. Wie es danach mit den Hannover-Krimis weitergehe­n wird, weiß sie noch nicht.

Vielmehr beschäftig­t sie die Corona-Krise. Sie befürchtet sieben Jahre vor der Rente finanziell­e Einbußen.

„Ein Buch kaufen ist mittlerwei­le Luxus“, sagt die Krimiautor­in. „Die Leute kaufen eher Kinderbesc­häftigungs­literatur als Romane.“Sie fragt sich, wie die Wirtschaft wieder aus der Krise finden soll. Alles um der Gesundheit willen zu blockieren sei keine Lösung.

Froh ist Susanne Mischke über die Rückendeck­ung durch ihren Verlag: Neben der Bodo-Völxen-Reihe verfolgt sie ihr „Belmonte“-Projekt, das auf drei Romane angelegt ist. Im Mittelpunk­t des ersten Bandes steht die junge Kemptener Landschaft­sgärtnerin Simona, ein Gastarbeit­erkind der dritten Generation: Als ihre Großmutter stirbt, erbt sie deren Elternhaus in den italienisc­hen Marken und kommt weitreiche­nden Familienge­heimnissen auf die Spur.

Am 2. Juni ist die 500 Seiten starke Familien-Saga erhältlich – unter dem Pseudonym Antonia Riepp. Warum? Mit dem Namen Susanne Mischke verbinden ihre Leser Krimis und Thriller, sagt die Autorin. Als Antonia Riepp will sie andere Geschichte­n publiziere­n – und sich auch ein neues Publikum erschließe­n. „Man muss sich ab und zu neu erfinden“, sagt Susanne Mischke.

Ein Satz, der in die Zeit passt.

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FOTO: RALF LIENERT Nach 25 Jahren wieder ins Allgäu zurückgeke­hrt: Schriftste­llerin Susanne Mischke.

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