Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Für Gewässer, Wiesen und Wälder wird es kritisch
Trockenheit bereitet Förstern und Landwirten Sorgen – Wetterwarte Süd: „Satter Landregen ist nicht in Sicht“
LEUTKIRCH - Verkehrte Welt auch im Allgäu: Während in Südeuropa verbreitet und ausgiebig bei gedämpften Temperaturen Regen fällt, liegt der letzte nennenswerte Niederschlag in der Region fast vier Wochen zurück. Stabile Hochdruckgebiete besorgen „exorbitant hohe Sonnenstunden und Temperaturen“, die weit über dem langjährigen Mittel liegen, hinzu kommen noch eine geringe Luftfeuchtigkeit und „permanent wehende Ostwinde“– insgesamt also „alle vier Parameter, die zu extremer Trockenheit führen“, lautet die klare Einschätzung von Roland Roth, Leiter der Wetterwarte Süd in Bad Schussenried, zum derzeitigen Wettergeschehen. Dessen Ursache führt er auf den Klimawandel zurück.
„Seit etwa 15 Jahren verringert sich der Temperaturunterschied von Nord nach Süd, was als entscheidende Antriebskraft des Jet-Streams diesen in seiner Bewegung von West nach Ost erheblich bremst und seine mäandrierenden Schleifen verbreitert“, erklärt Roth. Dies habe „eine längere Beharrlichkeit von Hochs und Tiefs“und damit eine Zunahme von Wetterextremen zur Folge. Aktuell sieht Roth für die nächste Zeit weder verbreitete Schauer noch den „dringend notwendigen satten Landregen“vorher.
Kritisch schätzen daher Stadtförster Karl-Josef Martin und der Forstsachverständige Werner Scholtes die Lage der Wälder auch um Leutkirch ein. „Jetzt ist die Vegetation am Treiben und hat den höchsten Wasserbedarf.“Aufgrund mangelnder Niederschläge der vergangenen Monate (außer Februar) seien aber im Boden „gewaltige Defizite an verfügbarem Wasser“. Mittlerweile „knochentrockene Böschungen und entsprechendes Unterholz“bedeuteten höchste Waldbrandgefahr, wie bereits zwei Brandherde bei Ellmeney und
Bimmlings vor wenigen Tagen bestätigten. Dabei „genügt als Zündung eine achtlos aus dem Auto geworfene Zigarettenkippe“.
Als stadtnahe Erholungsgebiete, die in Corona-Zeiten verstärkt aufgesucht würden, seien „Wälder für uns doch etwas Schönes und Wertvolles“, sagt Karl-Josef Martin. Allerdings habe er seit Jahren fast nur mit schlechten Nachrichten zu tun: Beispielsweise mit Schäden durch Schneebruch 2019 und den Borkenkäfer in Folge der Frühjahrtiefs Sabrina und Bianca, die erhebliche Mengen an Schad- und Sturmholz zur Folge gehabt hätten. Und allein im Februar und März 2020 seien aus den städtischen Leutkircher Forsten etwa 5000 Festmeter Holz aufgearbeitet und vermarktet worden, im Anschluss seien Verkäufe aber wegen Betriebsstillständen durch die Corona-Pandemie zeitweise zusammengebrochen. Auf Freiflächen werde derzeit wieder angepflanzt, verbunden mit der Hoffnung, dass ausreichendes Nass von oben „die Ausfälle in Grenzen hält“.
Mit denselben Sorgen beobachteten auch die Landwirte und Fischer die Wetterlage: „Jetzt wird es dann kritisch“, lautet die Einschätzung von Christian Merk vom Maschinenring Württembergisches Allgäu. Beim hohen Grünlandanteil schlage die Trockenperiode zwar nicht sofort durch, solange die Grasnarbe geschlossen sei und den Boden schütze. Dennoch sei der erste Grasschnitt mit normalerweise bestem Ertrag ohne Regen in den nächsten Wochen „stark gefährdet“, wenngleich noch nicht alles verloren sei.
„Auch wenn der April bislang ganz krass war“, ist auch für Frank Scherer die Lage „noch nicht bedrohlich“. Der Vorsitzende des Leutkircher
Fischereivereins sieht die Situation in der noch fließenden Eschach und dank kühler Nächte für die Fische erträglich, die sich derzeit in tieferen Wasserstellen aufhalten können. Sollte die Dürre aber länger anhalten, wäre ein Austrocknen der Eschach „wie vor zwei Jahren im August“die Folge – mit erheblichen Verlusten für die Fauna.
Im Gegensatz dazu brauchen die Bürger auf absehbare Zeit kein Engpass bei der Versorgung mit Trinkwasser befürchten. Unter der Leutkircher Haid befinde sich der drittgrößte Grundwasserspeicher des Landes mit „auskömmlichem Spiegel“, sagt Robert Rühfel, der den Pegelstand „aber im Auge behält“.
Auch eine weitere gute Nachricht hat der Leiter des Tiefbauamtes im Leutkircher Rathaus: Derzeit werde im Unteren Stadtwald von der Pfingstweide nach Adrazhofen eine Wasserleitung verlegt (SZ berichtete). Als „Strukturmaßnahme“werde sie in etwa drei Monaten „einen Ring schließen“und damit die Versorgungssicherheit der Bevölkerung verbessern.