Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Rückwärts auf die B 12 rangiert und abgehauen
Gericht verurteilt Angeklagten zu Geldstrafe wegen Fahrerflucht und Körperverletzung
ISNY (sz) - Erstmals nach fünf Wochen Unterbrechung wegen Corona hat in Wangen unter strengen Sicherheitsvorkehrungen wieder ein Strafprozess stattgefunden: Keiner kommt an der Anmeldung vorbei, bevor er nicht ein Formular mit Namen, Adresse und seinem derzeitigen Gesundheitszustand ausgefüllt hat, der Sitzungssaal ist reduziert auf vier weit auseinander stehende Stühle, das Richterpult wird von einer Plexiglaswand geschützt. Für alle Teilnehmenden wie Staatsanwalt, Zeugen und Verteidigung soll Sicherheitsabstand gewährleistet sein.
In diesem Umfeld begann der Prozess gegen einen Mann, der von der Staatsanwaltschaft beschuldigt wurde, durch falsches Fahrverhalten einen Auffahrunfall hervorgerufen zu haben und sich danach unerlaubt vom Unfallort entfernt hat.
Ereignet habe sich der Unfall dadurch, dass der Angeklagte zunächst auf der B 12 von Weitnau kommend in Richtung Isny an einer Kreuzung rechts abbiegen wollte. Obwohl er die Bundesstraße schon verlassen hatte, habe er es sich nochmal anders überlegt und sei rückwärts wieder auf die Bundesstraße rangiert.
In diesem Moment kam aus der gleichen Richtung ein junges Paar in einem Audi mit circa 70 Stundenkilometern auf das fast stehende Auto zu und konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen. Der Fahrer des Audis sagte im Zeugenstand aus, dass ihnen der Angeklagte bereits schon im Vorfeld aufgefallen sei, weil er in Schlangenlinien fuhr. Dies bestätigte auch seine Freundin, die damals mit im Auto saß und ebenfalls als Zeugin befragt wurde.
Nach dem Aufprall sei der Angeklagte ein Stück weiter gefahren, habe an einer Leitplanke gehalten und nach circa zwei bis drei Minuten den Unfallort verlassen. Das Auto der Geschädigten hatte einen Totalschaden. Beide Insassen erlitten einen
Schock und ein Schleudertrauma, der junge Mann außerdem eine Schienbeinverletzung und Verstauchungen in der Halswirbelsäule. Seine Freundin kam mit einer Schramme am Schienbein davon.
Der aus Rumänien stammende Unfallverursacher ließ durch die anwesende Dolmetscherin erklären, dass er durch die Verkehrssituation gezwungen gewesen sei, an dieser Stelle zu halten. Darüber hinaus habe er nach dem Zusammenprall keinen Anlass gesehen, nach den jungen Leuten zu schauen, da seiner Meinung nach beide Autos nur einen leichten Schaden gehabt hätten. Er habe nur kaputte Plastikteile der Fahrzeuge wahrgenommen. „Aber heute weiß ich, dass es falsch war, den Unfallort zu verlassen“, beteuerte der Mann. Ein Bluttest auf Alkohol war negativ.
Die Auswertung einer vor Ort installierten Videokamera ergab, dass der Unfallhergang selbst nicht erfasst worden war. Erst als das Auto sich in Bewegung setzte, wurde dokumentiert, dass die Warnblinkanlage ausgeschaltet wurde und der Angeklagte nach wenigen Minuten die Fahrt fortgesetzt hat.
Für die Staatsanwältin bestätigte sich die Anklage auf Körperverletzung und Unfallflucht durch die glaubwürdigen Zeugenaussagen. Für den Angeklagten spreche, dass er keine Vorstrafen hat. Daher hielt sie eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40 Euro für angemessen.
Auch der Richter war vom Wahrheitsgehalt der Zeugenaussagen überzeugt. „Sie hätten warten müssen, um nach den Fahrzeuginsassen zu schauen“, sagte er zum Angeklagten. Das Urteil lautete auf 60 Tagessätze à 35 Euro. Da dem Mann gleich nach dem Unfall der Führerschein entzogen wurde und dies schon fünf Monate zurückliegt, verlängerte der Richter den Entzug der Fahrerlaubnis noch um weitere drei Monate.