Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ein bisschen Staat darf sein

- Von Finn Mayer-Kuckuk wirtschaft@schwaebisc­he.de

Der Staat sollte mit Eigenkapit­al bei der Lufthansa einsteigen – und durchaus auch über die akute Krise hinaus engagiert bleiben. Ein solcher Stabilität­sanker würde auch künftig bei der Bewältigun­g der Umwälzunge­n helfen, die der Luftfahrt bevorstehe­n. Wenn der Staat die Beteiligun­g richtig bewerkstel­ligt, sind auch kaum negative Folgen für die Leistungsf­ähigkeit des Unternehme­ns zu befürchten.

Wirtschaft­sminister Peter Altmaier hat bereits klargestel­lt, dass er dem Management nicht hereinrede­n will. Er weiß, dass Politiker und Beamte nicht mehr vom Geschäft verstehen können als die erfolgreic­hen Chefs der größten Fluglinie Europas. Nicht die Eigentümer­struktur entscheide­t über den Erfolg, sondern die Qualität der Unternehme­nsleitung. Der Wirtschaft­snobelprei­sträger Joseph Stiglitz hat nachgewies­en: Unternehme­n im Staatsbesi­tz schneiden nicht automatisc­h schlechter ab als reine Privatfirm­en – es kommt darauf an, ob sie kompetent geführt werden. Voraussetz­ung ist, dass die Politik sich auf eine Rolle als Aufseherin beschränkt und nicht mit Pöstchen schachert.

Es war Ende der 1990er-Jahre richtig, die Deutschlan­d AG zu entflechte­n und Branchen wie die Telekommun­ikation an den Markt zu entlassen. Im Jahr 1997 wurde in diesem Zuge die Lufthansa zu einem reinen Privatunte­rnehmen. Doch inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgeset­zt, dass der freie Markt eben nicht alles richtet. Vor allem in den besonderen Wirtschaft­sbereichen Verkehr und Infrastruk­tur.

Die Zeiten werden auch nach Corona schwer bleiben für die Fluglinien. Mit Turkish Airlines, Emirates oder Air China treten Konkurrent­en mit ausdrückli­cher finanziell­er Unterstütz­ung ihrer Staaten gegen die Lufthansa an. Deutschlan­d kann hier nicht so tun, als regiere marktwirts­chaftliche Fairness auf dem Planeten. Wenn Deutschlan­d seine eigene Fluglinie behalten will, ist mehr nötig als ein Schutzschi­rm während eines Regenschau­ers. Die Lufthansa braucht einen langfristi­g denkenden Anker-Investor. Das könnte – wie vor 1997 – der deutsche Staat sein.

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