Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Palmer: Wir retten Menschen, die bald tot wären
Tübingens Oberbürgermeister empört mit Aussage zu Corona-Patienten und nimmt sie dann zurück
TÜBINGEN (dpa) - Angesichts heftiger Empörung über Äußerungen zum Umgang mit Corona-Patienten hat sich der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer für seine Wortwahl entschuldigt. „Niemals würde ich älteren oder kranken Menschen das Recht zu leben absprechen“, erklärte der Grünen-Politiker am Dienstagabend. Falls er sich „da missverständlich oder forsch ausgedrückt“habe, tue es ihm leid.
Im Sat.1-Frühstücksfernsehen hatte Palmer zuvor erneut eine Lockerung der Corona-Auflagen gefordert und dabei drastische Worte gewählt: „Ich sag es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären“, sagte er. Es müsse unterschiedliche Sicherheitsvorkehrungen für Junge und Ältere geben. Mit seinen Aussagen löste Palmer eine Welle der Entrüstung aus. Er schüre Ängste von Millionen alter Menschen, sagte Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Der Generalsekretär der CDU Baden-Württembergs, Manuel Hagel, erklärte, Palmers
Aussagen strotzten vor Verachtung für die Älteren in der Gesellschaft. „Jeder Mensch ist gleich viel wert und seine Würde unantastbar. Wer das in Frage stellt, begibt sich auf den Weg in die Barbarei“, teilte Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion Die Linke im Bundestag, mit. Kritik kam auch aus Palmers eigener Partei: Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn bezeichnete Palmers Position auf Twitter als „sozialdarwinistisch“. Palmer beteilige sich mit seinen kalkulierten Ausrutschern und inszenierten Tabubrüchen an einer Polarisierung und Brutalisierung der öffentlichen Debatte, distanzierte sich das Vorsitzenden-Duo der LandesGrünen, Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand.
Palmer erklärte am Abend: „Ich habe darauf hingewiesen, dass die Methode unseres Schutzes so schwere Wirtschaftsschäden auslöst, dass deswegen viele Kinder sterben müssen. Das will ich nicht hinnehmen und fordere einen besseren Schutz unserer Risikogruppen ohne diese Nebenwirkungen.“