Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Frankreich lockert in Etappen
Ausgangssperre wird schrittweise aufgehoben
PARIS - „Der Moment ist gekommen, um den Franzosen zu sagen, wie das Leben wieder aufgenommen werden soll.“Mit diesem Satz begann Edouard Philippe am Dienstagnachmittag in der Nationalversammlung die Rede, auf die seine Landsleute sechs Wochen gewartet hatten. Eine Stunde lang legte der französische Regierungschef den Fahrplan für die Zeit nach dem 11. Mai vor, wenn die wegen der Corona-Pandemie verhängte Ausgangssperre endet. Läden sollen dann wieder öffnen, ohne dass dort eine Maskenpflicht gilt. Der Mundschutz soll dafür in den öffentlichen Verkehrsmitteln vorgeschrieben werden. Über die Öffnung von Cafés und Restaurants soll erst Anfang Juni entschieden werden. Auch Kinos und Theater bleiben bis dahin zu, die Strände gesperrt. Festivals und große Sportereignisse sollen erst im September wieder möglich sein.
Die Schulen sollen schrittweise wieder den Lehrbetrieb aufnehmen, allerdings auf freiwilliger Basis. Den Anfang sollen die Kinderkrippen und Grundschulen machen, gefolgt von den sechsten und siebten Klassen mit jeweils nur 15 Schülern, für die eine Maskenpflicht gilt. Die
Oberstufen sollen erst im Juni folgen. Die Lockerung soll geografisch abgestuft nach Départements erfolgen, die in etwa mit großen Landkreisen zu vergleichen sind. Frankreichs Landkarte wird dazu in rote und grüne Départements aufgeteilt, in denen die Bewohner unterschiedlichen Beschränkungen unterliegen.
„Das Land kann nicht dauerhaft unter einer Ausgangssperre bleiben“, begründete der Regierungschef die vorsichtige Öffnung. Vor allem, weil das Risiko eines Zusammenbruchs der Wirtschaft bestehe. Die Regierung rechnet mit einem Einbruch des Bruttoinlandsproduktes in diesem Jahr um acht Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen stieg im März um sieben Prozent.
Trotz des Widerstands der Oppositionsparteien war dem Premierminister die Zustimmung zu seinen Plänen sicher, da die Präsidentenpartei La République en Marche (LREM) die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung hat. Die Regierung hatte im Vorfeld die Forderung der Opposition abgelehnt, erst mit 24 Stunden Verzögerung über die neuen Regelungen abzustimmen, um sie genauer zu studieren. Eine Entscheidung, die sogar in den eigenen Reihen als undemokratisch kritisiert wurde.
Der Chef der Linkspartei La France Insoumise, Jean-Luc Mélenchon, nahm vor allem den Zickzack-Kurs von Präsident Emmanuel Macron ins Visier. Der Staatschef habe in den vergangenen Wochen widersprüchliche Aussagen zu Masken und Tests gemacht. „Anweisung und Gegenanweisung folgten aufeinander.“Das Vertrauen in den Präsidenten sei deshalb „tot“. Mit mehr als 23 000 Toten gehört Frankreich nach Italien und Spanien zu den am meisten von Covid-19 betroffenen Ländern in Europa.