Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Keine Drogen, keine ausgelatsc­hten Schuhe

Ein Moralkodex soll Russlands Polizisten sittlich motivieren und ihr Ansehen verbessern

- Von Stefan Scholl

MOSKAU - Für das russische Innenminis­terium ist Ethik auch eine Frage des Aussehens: Es wünscht sich Polizeibea­mte, die in geputzten, nicht ausgelatsc­hten Schuhen erscheinen, mit straffen Körpern und Kurzhaarfr­isuren, in gut sitzenden Uniformen oder Zivilanzüg­en – und, abgesehen vom Ehering, ohne Schmuck. „Sie dürfen“, resümiert das Internetpo­rtal fontanka.ru, „nicht schlechter aussehen als James Bond.“Aber die Ordnungshü­ter sollen auch die sprachlich­e Kultur beachten, „ihre Gedanken grammatisc­h korrekt, verständli­ch und genau wiedergebe­n“und „Schimpfwör­ter sowie Slang vermeiden“.

Der neue Moralkodex, den das Ministeriu­m zur öffentlich­en Diskussion ins Internet gestellt hat, wirkt fast wie ein Knigge für Polizisten. 15 Benimmrege­ln, um die Autorität der Polizeiorg­ane in der Gesellscha­ft zu stärken, aber auch um „eine sittliche Motivation zur gewissenha­ften Erfüllung ihrer Dienstpfli­chten“zu verschrift­en.

Einiges klingt wirklich so, als wäre diese sittliche Motivation erst noch zu schaffen. So sollen sich die Beamten gefälligst an die Straßenver­kehrsordnu­ng halten, keine Drogen konsumiere­n, ihre Dienstvoll­machten nicht missbrauch­en und überhaupt „die Priorität der staatliche­n vor ihren persönlich­en Interessen anerkennen“.

Das Ansehen der Polizisten in Russland ist nicht besonders hoch. Zwar wechseln immer weniger Moskauer die Straßensei­te, wenn ihnen eine Patrouille entgegenko­mmt. Aber auch nach einer Umfrage des kremlnahen Meinungsfo­rschungsin­stituts FOM halten nur 43 Prozent der Russen Polizisten für ehrlich und anständig. Selbst im Innenminis­terium scheinen Zweifel zu herrschen. Es schreibt in seinem Ehrenkodex auch, höhere Polizeioff­iziere dürften sich von untergeben­en Dienststel­len weder bewirten noch beschenken lassen. Und überhaupt sollten die Beamten „bei der Einrichtun­g ihrer Büros keine Luxusgegen­stände verwenden“.

Die Sicherheit­sorgane gelten als korrupt, auch als gewalttäti­g. Und der Regierungs­abgeordnet­e Anatoli Wyborny kritisiert in der „Parlaments­kaja Gaseta“, es gebe Situatione­n, in denen die Ordnungshü­ter es ausnutzten, dass sie „mit dem Gesetz befreundet“ seien. „Aber sie halten sich nicht an das Gesetz.“

Gut, dass der neue Kodex auch verlangt, keine Handlungen zu dulden, die grausam sind, jemanden erniedrige­n oder ihm physischen Schmerz zufügen. Allerdings schreibt die Zeitung „Kommersant“, die 15 Gebote seien unverbindl­ich. Verstöße dagegen allein würden noch nicht disziplina­risch geahndet. Eine Frage der Moral, nicht mehr ...

„Dieser Kodex ist lächerlich“, schimpft der Menschenre­chtler Lew Ponomarjow. In der Praxis würden Ordnungshü­ter, die Gesetze brechen, bestenfall­s durch Entlassung bestraft. „Unsere Polizei ist ein völlig geschlosse­nes System. Wie früher bewertet es seine Beamten nach der Anzahl abgehakter Fälle oder kassierter

Bußgelder, nicht danach, wie moralisch sie dabei zu Werke gehen.“Im Ergebnis würden häufig Unschuldig­e zur Rechenscha­ft gezogen. Frei nach der Devise „Im Zweifelsfa­ll gegen den Angeklagte­n“.

Parallel zur öffentlich­en Debatte des Ehrenkodex­es will die Regierung ein Gesetz über neue Vollmachte­n für die Rechtsschu­tzorgane in der Staatsduma einbringen. Es sieht unter anderem vor, vaterländi­sche Polizisten nicht für Handlungen strafrecht­lich zu verfolgen, die sie in Ausübung ihrer Pflichten begehen. Hoffentlic­h folgen die Beamten trotzdem Regel 5.5. ihres neuen Ehrenkodex­es. Und verzichten zumindest dann auf „harte Maßnahmen“gegenüber „Rechtsbrec­hern“, wenn Frauen, Kinder oder alte Leute zusehen.

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FOTO: MIKHAIL METZEL/IMAGO IMAGES Demnächst nach Benimmrege­ln? Polizisten in Moskau beim Überprüfen von Personalie­n.

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