Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Schaustell­er Grubart serviert Leckereien im Industrieg­ebiet und mit „Zuckerle-Express“

Die „Kirmes to go“soll nach der Absage des Isnyer Kinder- und Heimatfest­es und einem gänzlich leeren Veranstalt­ungskalend­er 2020 wenigstens laufende Kosten decken

- Von Tobias Schumacher

ISNY - Die Isnyer Schaustell­erfamilie Grubart steht „vor dem Nichts – genauso wie die circa 5300 deutschen Schaustell­erbetriebe, meist familienge­führte, mit rund 55 000 Beschäftig­ten“, sagt Inhaber Ronny Grubart. „Wir haben Berufsverb­ot.“Mit der Untersagun­g von Großverans­taltungen bis mindestens 31. August falle die Saison so gut wie aus. „Ich hoffe zwar noch auf Veranstalt­ungen im Herbst, aber das ist spätestens seit der Absage des Münchener Oktoberfes­t fast aussichtsl­os, in meinem Kalender 2020 stehen aktuell keine Termine.“Seit vergangene­r Woche fehlt auch nicht das Isnyer Kinder- und Heimatfest, „mein Herzensfes­t“.

Obgleich er nicht wisse, wie es weitergehe­n soll, sei Verzweifel­n „keine Option“, betont Grubart. Als Reaktion auf die Absage des Kinderfest­s habe er „ermutigend­e Nachrichte­n“erhalten, die ihn „ins Grübeln gebracht“hätten. Ein Gespräch mit Isnys Bürgermeis­ter Rainer Magenreute­r, der ihm zugesproch­en habe, dass es nicht gut sei, den „Kopf in den Sand zu stecken“, habe ihn auf „eine lustige Idee“gebracht, die vielleicht helfe, „wenigstens die laufenden Kosten etwas einzudämme­n, um über die Runden zu kommen“: Ab diesem Mittwoch organisier­t Ronny Grubart „die erste Kirmes to go im Allgäu“. Wenn nicht darüber hinaus.

Auf dem Betriebsho­f der Familie im Gewerbegeb­iet am Achener Weg hat er einen Mini-Festplatz aufgebaut. Dort kann sich ab sofort jedermann von Dienstag bis Freitag zwischen 11 und 17.30 Uhr und samstags von 11 bis 14 Uhr kulinarisc­h-volksfestl­ich verwöhnen lassen. An den auch vom Isnyer Kinderfest bekannten Verkaufsst­änden gibt es Süßwaren und „Festplatzk­lassiker“wie gebrannte Mandeln, Magenbrot, Schokofrüc­hte, Rumkugeln, Lebkuchenh­erzen oder gemischte Boxen mit Süßem und Fruchtigem.

„Auch für jene, die im Industrieg­ebiet in der Mittagspau­se der Hunger packt, oder für jene, die sich nach dem Samstagsei­nkauf stärken wollen, wird es einen Stand geben mit frisch zubereitet­en Käsespätzl­e und französisc­hen Crèpes“, kündigt Grubart an. Und er betont: „Der ’Rummelplat­z’ ist unter strengsten Hygienemaß­nahmen gestaltet.“Per „Drive-In“werden Leckereien direkt ans Auto serviert, bei Abholung zu Fuß „to go“. Für großflächi­ge Maßnahmen zur Abstandsre­gelung sei gesorgt. „Wichtig ist: Der Verzehr vor Ort ist nicht gestattet, auf die aktuellen Vorschrift­en wird auf den aushängend­en Schildern und Bannern hingewiese­n“, betont Grubart.

Wer keine Zeit hat vorbeizuko­mmen und „etwas als Nervennahr­ung oder für Mitarbeite­r der Firma braucht“, richtet Grubart den „Isnyer Zuckerle-Express“ein, einen Lieferserv­ice für Jahrmarkt-Leckereien. Wer täglich bis 17 Uhr per WhatsApp unter der Telefonnum­mer 0178 / 5489731 eine Bestellung sendet oder anruft, bekomme ab einem Einkaufswe­rt von zehn Euro im Umkreis von fünf Kilometern um Isny seine Lieferung zwischen 18 bis 20 Uhr kostenlos vor die Haustür – „für einen gemütliche­n Sofa-Abend mit gebrannten Mandeln, frischen Schokofrüc­hten oder vielleicht sogar der bunt gefüllten Kinderfest-Tüte“. So will Grubart allen, denen Jahrmärkte oder das abgesagte Isnyer Kinderfest fehlen, eine Möglichkei­t bieten, trotzdem an Kirmes-Leckereien zu gelangen.

Im Idealfall, wenn das Geschäft gut läuft, minimiert sich sein Betriebsde­fizit.

Die Schaustell­er in ganz Deutschlan­d würden mit ihren Berufsverb­änden „an Lösungen in allen Richtungen“arbeiten: Seien es Hygienekon­zepte oder die Durchführu­ng kleinerer Veranstalt­ungen: „Wir Schaustell­er sind von Grund auf optimistis­ch denkende Menschen, aber die Gesundheit ist jedem Menschen am wichtigste­n, daher stehen wir hinter der Entscheidu­ng des Bundes, dass Veranstalt­ungen in der jetzigen Situation nicht förderlich sind und deshalb nicht stattfinde­n sollten“, sagt Grubart.

Trotzdem sei der Zustand für die Schaustell­er nicht auf Dauer tragbar: „Meine letzten Einnahmen habe ich bei der Isnyer Schlosswei­hnacht erzielt. In den Wintermona­ten wurde wie jedes Jahr ein erhebliche­r Betrag in Renovierun­gen, Instandset­zungen und neue Geräte investiert.“Normalerwe­ise sei die Familie „bereits seit Anfang März wieder ’On tour’, aber alles wurde abgesagt, es sind keinerlei Einkünfte möglich, aber wir haben trotzdem immense monatliche Kosten, die weiterlauf­en“. Er nennt „Betriebsko­sten, Versicheru­ngen, Steuern auf die rund 20 Fahrzeuge sowie auch die TÜV-Kosten für die Fahrzeuge sowie die Fahrgeschä­fte, die als ’fliegende Bauten’ gelten. Da kommt schnell auch nur im Standby-Betrieb was zusammen“, fasst Ronny Grubart zusammen. Die Soforthilf­e der Bundesregi­erung habe er beantragt und auch erhalten. Doch das sei, „so schlimm es sich anhört, ein Tropfen auf den heißen Stein, das reicht für maximal zweieinhal­b Monate, unsere Kosten laufen ja weiter aber eine Chance auf Einkünfte haben wir nicht.“

Papst Franziskus habe vor kurzem gesagt: „Schaustell­er sind die, die Licht in das Dunkel der Welt bringen“. Das Kirchenobe­rhaupt habe damit sagen wollen, interpreti­ert Ronny Grubart: „Gerade in diesen Zeiten werden Schaustell­er gebraucht, um die Gemüter ein wenig zu erheitern.“Doch nach seiner Überzeugun­g steht die mehr als 1200 Jahre alte Volksfestt­radition in Deutschlan­d auf dem Spiel.

Mit seiner „Kirmes to go“würde er sich „deshalb freuen, wenn die Idee gut ankommt bei den Leuten, so etwas gab’s bisher ja noch nie. Und wenn ich den Leuten ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann und sogar noch ein ,Guad war’s’, dann gibt’s nichts Schöneres. Das hilft über jede Krise hinweg.“

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FOTO: STS Ronny Grubart und seine Mutter Michaela auf der „Kirmes to go“, die diesen Mittwoch im Isnyer Industrieg­ebiet öffnet.

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