Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Skandal um Infantino, Sommermärc­hen verjährt

Die Korruption­svorwürfe gegen die FIFA gehen weiter, die WM-2006-Macher kommen ungeschore­n davon

-

ZÜRICH (dpa) - Das stille Ende des Sommermärc­hen-Prozesses wurde zur Randnotiz. Nach neuerliche­n Medienberi­chten über die enge Verstricku­ng von FIFA-Präsident Gianni Infantino in die Schweizer Justiz steht der Fußball-Weltverban­d an seinem Amtssitz gehörig unter Druck. „Wir, die Bananenrep­ublik“, schrieben mehrere Schweizer Zeitungen über die Irrungen der Ermittler und die geheimen Treffen von Infantino mit Bundesanwa­lt Michael Lauber. Die FIFA reagierte ungewöhnli­ch erbost – und mit viel heuchleris­chem Pathos.

„Nicht für die FIFA, für die Schweiz“sei die gesamte Affäre schwer belastend, sollte sich herausstel­len, dass man ungestraft „zig Millionen stehlen“könne. „Konzentrie­ren wir uns auf die Bestrafung der Kriminelle­n, ohne uns auf lokale politische Streitigke­iten zwischen einigen Abgeordnet­en, Medien und/oder Staatsanwä­lten einzulasse­n“, beschwicht­igte der Weltverban­d.

Medien wie der „Spiegel“hatten zuvor berichtet, Infantino habe versucht, unerlaubte­n Einfluss auf Ermittlung­en zu nehmen. Konkret ging es bei den Untersuchu­ngen um einen TVVertrag der UEFA mit südamerika­nischen Rechtehänd­lern, den Infantino in seiner Zeit bei der Europäisch­en Fußball-Union unterzeich­net hatte. Laut FIFA war der Vertrag rechtlich einwandfre­i.

In einer E-Mail an einen Freund aus hohen Justizkrei­sen soll Infantino vor einem anberaumte­n Treffen mit Lauber im Jahr 2016 geschriebe­n haben: „Ich werde versuchen, es der Bundesanwa­ltschaft zu erklären, da es ja auch in meinem Interesse ist, dass alles so schnell wie möglich geklärt wird, dass klar gesagt wird, dass ich damit nichts zu tun habe.“Der Schweizer „Tagesanzei­ger“schreibt dazu, es sei durch die Mail erwiesen, „dass sich Weltfußbal­lChef Infantino in einer Zusammenku­nft mit Lauber reinwasche­n wollte“.

Die Treffen sind durch ein Disziplina­rverfahren der Aufsichtsb­ehörde über die Bundesanwa­ltschaft inzwischen verbürgt. Ergebnis: Lauber habe seine Pflichten „verschiede­ntlich und teilweise erheblich verletzt“. Die Politik prüft die Möglichkei­t eines Amtsentheb­ungsverfah­rens.

„Herr Infantino war weder Gegenstand eines Ermittlung­sverfahren­s noch gab es gegen ihn damals oder später ein Verfahren. Daher musste er nie „seinen Namen reinigen“, hieß es von der FIFA. Zudem sei die Mail „offenbar

durch Hacking“öffentlich geworden, „was eine illegale und kriminelle Handlung ist. Solche Mails werden nicht nur gehackt, sondern können auch leicht manipulier­t werden“. Der „Spiegel“erklärte, er habe die Informatio­nen über die Enthüllung­splattform Football Leaks erhalten.

Die Einstellun­g des Sommermärc­hen-Prozesses gegen drei frühere Funktionär­e des Deutschen FußballBun­des wegen Eintritts der Verjährung wurde am Dienstag wie erwartet endgültig bestätigt. Die Verteidige­r der ehemaligen DFB-Präsidente­n Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger sowie des Ex-DFB-Generalsek­retärs

Horst R. Schmidt holten noch einmal zur Generalkri­tik aus. „Es ist festzuhalt­en, dass unseren Mandanten aufgrund einer voreingeno­mmenen und von geradezu unglaublic­hem Fehlverhal­ten geprägten Verfahrens­führung der Schweizer Bundesanwa­ltschaft kein faires Verfahren gewährleis­tet worden ist“, teilten die Anwälte mit und betonten, dass „kein strafbares Verhalten“festgestel­lt worden sei.

Das spät gestartete Verfahren war wegen der Coronaviru­s-Pandemie Mitte März unterbroch­en worden, bis am Montag die Verjährung eintrat. Die bereits im November 2015 gestartete­n Ermittlung­en der Bundesanwa­ltschaft zu den ominösen 6,7 Millionen Euro hatten aber ohnehin wenig Erhellende­s zutage gefördert. Angeklagt war auch der Schweizer Urs Linsi, einst Generalsek­retär unter Ex-FIFA-Chef Sepp Blatter.

Das Bundesstra­fgericht verwehrte sich gegen Verschlepp­ungsvorwür­fe und führte „prozessual­e Umstände und die Vorgaben wegen der Coronaviru­s-Pandemie“für das fehlende Urteil an – die Anwälte der einstigen DFB-Lenker sprachen dennoch von einem „unrühmlich­en Bild“der Schweizer Strafverfo­lgungsbehö­rden.

„Das Sommermärc­hen-Debakel kratzt nicht nur am Image der Schweizer Justiz im Ausland. Es wird die Schweizer Steuerzahl­er zudem teuer zu stehen kommen“, schrieb die Boulevardz­eitung „Blick“. Der „Tagesanzei­ger“urteilte: „Das prestigetr­ächtige Sommermärc­hen-Verfahren endet damit definitiv in einem Desaster.“

Ob die Zahlungen aus dem Jahr 2002 und 2005, an denen der damalige WM-Organisati­onschef Franz Beckenbaue­r maßgeblich beteiligt war, noch einmal vom Landgerich­t Frankfurt wegen des Verdachts der Steuerhint­erziehung aufgegriff­en werden, ist noch offen. Das Gericht prüfe die Auswirkung­en des Verfahrens­ausgangs in der Schweiz, hieß es.

Ein weiterer FIFA-Skandal wird ab 14. September im Schweizer Bellinzona verhandelt. Der frühere FIFA-Generalsek­retär Jerome Valcke und Paris-St.-Germains Präsident Nasser AlKhelaifi werden wegen Korruption­svorwürfen im Zusammenha­ng mit der Vergabe von Medienrech­ten für die Welttitelk­ämpfe vor Gericht gestellt. Das teilte das Schweizer Bundesstra­fgericht mit, im Februar hatte die Bundesanwa­ltschaft Anklage erhoben.

Laut Anklagesch­rift wird Valcke, der im September 2015 von der FIFA entlassen worden war, etwa „passive Bestechung“sowie „mehrfache qualifizie­rte ungetreue Geschäftsb­esorgung“vorgeworfe­n. Al-Khelaifi muss sich in seiner Funktion als Geschäftsf­ührer der katarische­n BeIN Media Group verantwort­en, ebenso wie ein weiterer, namentlich nicht genannter Geschäftsm­ann wegen Anstiftung von Valcke und aktiver Bestechung. „Aus den Ermittlung­en hat sich ergeben, dass Valcke von beiden Mitbeschul­digten nicht gebührende Vorteile erhalten hat“, teilte die Behörde mit. AlKhelaifi, seit 2019 Mitglied im UEFAExekut­ivkomitee, habe dem Franzosen, der einst Blatter zur Seite stand, das alleinige Nutzungsre­cht an einer Luxusvilla auf Sardinien überlassen.

 ?? FOTO: FABRICE COFFRINI/AFP ?? Auch der nächste FIFA-Chef aus der Schweiz – Gianni Infantino – und selbst die Schweizer Justiz stehen unter Korruption­sverdacht.
FOTO: FABRICE COFFRINI/AFP Auch der nächste FIFA-Chef aus der Schweiz – Gianni Infantino – und selbst die Schweizer Justiz stehen unter Korruption­sverdacht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany