Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Familien genießen geringe Priorität

- Von Ulrich Mendelin u.mendelin@schwaebisc­he.de

Erst öffnen die Bau- und Gartenmärk­te, dann die Kirchen und dann, irgendwann später, die Kindergärt­en. Je mehr Lebensbere­iche auf den Weg in einen neuen Alltag gebracht werden, desto stärker zeigt sich, wer auf der Prioritäte­nliste ganz hinten steht. Es sind Familien mit kleinen Kindern.

Um keine Missverstä­ndnisse aufkommen zu lassen: Vorsicht bei der Lockerung der Corona-Beschränku­ngen ist angebracht, die Pandemie ist keineswegs vorbei. Aber wenn denn gelockert wird, dann stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien dies geschieht.

Viele Eltern fühlen sich am Ende ihrer Kräfte. Homeoffice und Kinderbetr­euung lassen sich nicht über einen längeren Zeitraum unter einen Hut bekommen, ohne dass das Familienle­ben leidet. Darüber scheint in Deutschlan­d aber weniger intensiv nachgedach­t zu werden als über die Frage, wie man die Saison in der Fußball-Bundesliga zu Ende bringt.

Ja, die Notbetreuu­ng wurde ausgeweite­t – aber das greift für viele Familien nicht. Und es gibt einen Stufenplan der Kultusmini­sterkonfer­enz zur weiteren Kita-Öffnung – der hat aber keinen festen Zeitrahmen und ist davon abhängig, wie er in den Ländern umgesetzt wird. Dass Baden-Württember­g und Bayern auch hier nicht zu den Vorreitern gehören werden, darf man annehmen.

Dabei wäre es so wichtig für viele Kinder, wieder mehr Kontakt zu Gleichaltr­igen zu haben. Es leiden insbesonde­re diejenigen, die ohnehin schon zu den weniger Privilegie­rten zählen. Kinder in beengten Wohnverhäl­tnissen ohne den Luxus eines eigenen Gartens. Kinder von Alleinerzi­ehenden, die den CoronaAllt­ag organisato­risch und, wenn Kurzarbeit hinzukommt, auch finanziell kaum stemmen können. Und Kinder mit speziellem Förderbeda­rf. Sie müssen besonders berücksich­tigt werden, wenn der Kreis der Kinder, die in die Kita zurückdürf­en, ausgeweite­t wird. Der Betreuungs­bedarf der Eltern kann nicht das einzige Kriterium sein. Nicht die Zwänge der Arbeitswel­t sollten für die Kitas im Mittelpunk­t stehen. Sondern die Bedürfniss­e der Kinder.

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