Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Ich möchte Seelen stärken“
Klinikseelsorgerin Jeanette Krimmer möchte alle Menschen auf ihrem Weg begleiten
NEUTRAUCHBURG - Eine große brennende Kerze draußen vor dem Eingang der Kirche in Neutrauchburg und eine weit offen stehende Tür wirken einladend. Das ist Jeanette Krimmer, die hier als Klinikseelsorgerin arbeitet, wichtig. Auch in Zeiten von Corona. Obwohl derzeit nur noch ein Drittel der 900 Betten in den drei nahen Kliniken belegt ist, führt sie Gespräche mit Patienten und Personal. „Draußen mit Abstand, im Park oder hier im Büro und natürlich derzeit viel am Telefon.“
„Es kommen viele rein“, weiß die 57-jährige Pastoralreferentin und schreitet durch ihr Gotteshaus. „Manche genießen die Ruhe und die Musik.“Andere holen sich den von ihr geschriebenen, ausgelegten Impuls, nehmen sich Karten und Bücher mit, beten oder zünden eine Kerze an. Vorne steht ein Holzkasten für „Ängste, Sorgen und Bedrängnisse“. Die Zettel werden gesammelt und an die Klaraschwestern weitergegeben, die sich der Nöte in ihren Gebeten annehmen.
Vor dem Altar steht eine kindesgroße Holzskulptur. Sie hält eine Hand ans Ohr. „Die passt perfekt zu mir“, sagt Krimmer, „denn zuhören ist wichtig. Ich möchte den Leuten ein Ohr geben.“Kommen denn viele mit diesem Bedürfnis? „Das ist relativ“, meint die Ehefrau und Mutter zweier erwachsener Kinder, die schon viele Jahre als Patoralreferentin und in der Hospizarbeit in verschiedenen Gemeinden gearbeitet hat, „manchmal sind es nur zwei pro Woche“.
Das Herkommen sei für die Patienten der Reha- und psychosomatischen Klinken, die im Schnitt etwa drei Wochen in der Klinik seien, oft nicht leicht. „Es braucht Mut, und das passiert bei vielen dann erst am Ende der Klinikzeit.“Schließlich komme erst der Körper bei Krankenhausaufenthalten an, die Seele „immer hinterher“. Viele Menschen begegnen ihr deshalb nur ein Mal. Das bedauert sie manchmal, „an manche denke ich tatsächlich noch öfter“.
Gespräche führen hat Jeanette Krimmer gelernt. Sie ist „personzentrierte Beraterin“und hat eine dreijährige Ausbildung dafür absolviert. „Natürlich bin ich keine Psychologin, ich gebe keine Ratschläge und führe auch keine Grundsatzdiskussionen, sondern bin einfach da und höre zu.“Jeder solle sich willkommen fühlen. „Bei mir und bei Gott.“Sie zündet meist eine Kerze dazu an und spricht in Naturbildern und Symbolen. Vor ihr liegt ein kleines Labyrinth. „Damit arbeite ich gern“, sagt sie und schiebt die Kugel langsam vorwärts Richtung Mitte. „Jetzt stehe ich hier und sehe nicht, wie es weitergeht, weil ich nicht hinter die nächste Kurve blicken kann.“
Jeder sei so, wie er ist, vollkommen in Ordnung. Bei vielen Menschen würde sie ein „Ich genüge nicht“spüren und eine vermisste Geborgenheit. „Da höre ich hin, begleite ein Stück und trage die Sorgen mit.“Gerade bei mehrwöchigen Klinikaufenthalten, würden viele erst allmählich merken, dass sie Probleme hätten. Mit Ehepartnern, dem Job, den Kindern, sich selbst. „Da kommt oft was hoch.“Und so mancher würde auch kommen, der kirchenfern geworden sei. „Durch was auch immer.“
Mit Ärzten, Pflegern und Ergotherapeuten gibt es regelmäßige Treffen. Jeanette Krimmer sieht sich da „nicht als Konkurrenz, sondern als Unterstützerin“. Den Schwerpunkt legt sie sowieso „auf Gespräche zwischen Tür und Angel“. Dafür muss sie raus aus ihrem Büro, das weiß sie ganz genau. Wer sie ist, weiß dabei jeder. An ihrer Jacke hängt ein entsprechendes Schild.
„Ich bin offen für alle“, sagt sie oder anders ausgedrückt: „Unsere Kirche hat eine Geh’-raus-Struktur.“Bei ihr hört es sich fast wie ein Auftrag an. Kontakt sucht sie selbst. „Wenn jemand auf einer Parkbank sitzt, sprech’ ich ihn an. Da merke ich schon beim Grüß-Gott-Sagen, ob er ein paar Worte mehr sagen will.“Sprache ist ihr wichtig. Worte wählt sie mit Bedacht, manches vermeidet sie. Beispiel? „Na ja“, lacht sie, „,Sünde’ nehme ich eigentlich gar nicht in den Mund“. Und für Isnyer und Neutrauchburger will sie auch da sein. „Alle, auch Nichtpatienten sind bei mir willkommen.“
In der katholischen Zeltkirche werden – normalerweise – alle zwei Wochen Wortgottesdienste gefeiert. Die Pastolalreferentin ist dabei mit vielem auf sich gestellt. „Sieben Ehrenamtliche helfen mir, das ist genial“, freut sie sich. Dazu gehören Mesner-, Öffnungs- und Schließdienste, Lektorinnen, die auch Kommunionhelferinnen sind, eine Frau, die die Blumen im Blick hat und auch die Organistin. Außerdem wird alle zwei Wochen eine geistliche Abendmusik angeboten.