Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Bargeld bei der Stadtkasse abliefern“
Aktenfund im Schutt der Rathausbaustelle berichtet vom Zahlungsverkehr bei Kriegsende
ISNY - Von Glück ist zu sprechen, wenn ein geschichtsinteressierter Mensch zur richtigen Zeit am richtigen Ort den richtigen Blick hat – wie Walter Bühler, das personifizierte Lexikon zur Isnyer Stadtgeschichte.
Der über 90-Jährige hat der Nachwelt beispielsweise die Erinnerung daran erhalten, wie es sich in den Tagen um den 8. Mai 1945, dem Tag der Kapitulation Deutschlands im Zweiten Weltkrieg, in Isny mit dem Bargeldverkehr verhielt.
„Gefunden hatte ich die Notizen im Schutt beim Umbau des Rathauses in den 1970er-Jahren“, schreibt Bühler in einem Brief an die „Schwäbische Zeitung“. Als Bauleiter beaufsichtigte er damals die Sanierung der einst fünf Patrizierhäuser, die heute die Isnyer Stadtverwaltung beherbergen.
In Bühlers Kuvert steckten Kopien von zwei „Protokollvermerken“der „Stadtpflege Isny“, wie die Kämmerei früher genannt wurde. Eine Notiz war adressiert „an den Herrn Bürgermeister“und vermeldete am 3. Mai 1945: „In der Stadtkasse befindet sich an Bargeld 658 RM 50 Pf. – mit Worten sechshundertfünzigundacht Reichsmark 50/100-.“Einschlägigen Währungsrechnern im Internet zufolge entspräche der Betrag heute in Scheinen und Münzen einem Gegenwert von 188 Euro und 14 Cent.
Die zweite Protokollnotiz war adressiert „an den Herrn Bürgermeister und an den Herrn Chef der Polizei“, worin die Stadtpflege am 8. Mai 1945 unter dem Betreff „Kassenverkehr“von Absprachen mit den örtlichen Banken berichtete – wann, wie und in welcher Höhe die Bevölkerung
wieder an Bargeld gelangt oder der Zahlungsverkehr in diesen Nachkriegstagen unter französischer Besatzung abgewickelt werden soll.
„Mit den Leitern der Sparkasse und der Volksbank fand eine Besprechung statt. Sie halten es nicht für zweckmäßig, wenn die Geschäftsleute ihr Bargeld bei der Stadtkasse abliefern“, ist in der Zusammenfassung zu lesen. Die Banker hätten „vielmehr vorgeschlagen, die Sparkasse und die Volksbank möglichst bald wieder zu eröffnen und zwar bis auf weiteres jeweils nachmittags von 2 bis 4 Uhr. Sie verlangen allerdings, dass 1 franz.(ösischer) und 1 deutscher Gendarmeriebeamter während diesen 2 Stunden im Geschäftslokal als Wache anwesend sind.“
Die Vertreter der Isnyer Geldinstitute hätten „weiter vorgeschlagen, am ersten Tag lediglich zur Annahme von Geldern offen zu halten und Auszahlungen erst ab Freitag, 11. Mai, vorzunehmen. Ausgezahlt werden sollen bis zu 300.-- RM, ferner etwaige Lohnund Milchgelder, sowie die Familienunterhaltsgelder. Diese Gelder sind der Sparkasse gutgeschrieben worden, jedoch bis jetzt nur etwa zur Hälfte ausbezahlt. Die bisherige Regelung, wonach auch auf auswärtige Spar- und Bankbücher hier Geld abgegeben werden kann, wird eingestellt.“
Die Stadtpflege vermerkt weiter: „Die Sparkasse und die Volksbank sind bereit, ihren Betrieb unter diesen Umständen ab Mittwoch, 9. Mai, aufzunehmen, sofern der Bürgermeister und die zuständige franz. (ösische) Dienststelle ihr Einverständnis dazu geben.“
Bemerkenswert und regelrecht zum Schmunzeln ist der Satz, dass „an die Geschäftsleute die schriftliche Aufforderung ergehen soll, alles nicht benötigte Bargeld der Sparkasse bzw. Volksbank abzuliefern. Die beiden Leiter sind übrigens der Auffassung, dass genügend Bargeld vorhanden ist, sodass kaum Schwierigkeiten bei der Auszahlung entstehen werden.“
Das Schreiben schließt mit der Feststellung: „Die Stadtkasse soll vorerst noch geschlossen bleiben, wird jedoch dringende Auszahlungen vornehmen und erhält von der Sparkasse das erforderliche Bargeld.“