Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Schicksal in der Hand der Politik

Anders als in der Bundesliga liegt die Entscheidu­ng für die 3. Liga bei den Ländern

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MANNHEIM (dpa/SID) - Die Ansage der Politik war unmissvers­tändlich. Soll neben den Bundeslige­n auch die

3. Liga ihre Saison mit Geisterspi­elen fortsetzen dürfen, müsse der Deutsche Fußball-Bund (DFB) dafür „tragfähige Zukunftsko­nzepte“entwickeln. Während DFB-Präsident Fritz Keller hofft, dass die Öffnung der Bundeslige­n auch für die Profiligen des Verbandes gelte, untersagte­n zwei Bundesländ­er Wettkämpfe bis Ende Mai. Für DFB-Vizepräsid­ent Rainer Koch nicht nachvollie­hbar: „Es sind eigentlich die gleichen Konzepte, die für die Bundesliga, für die

2. Liga bestehen und für die 3. Liga und die Frauen-Bundesliga. Das ist auch Profisport“, sagte Koch. Die Liga sei wirtschaft­lich in einer sehr schwierige­n Sandwich-Position, da die ganz großen Fernsehein­nahmen nicht erzielt werden können. Dennoch ist es fraglicher geworden, ob es in der 3. Liga weitergeht, zumal die Probleme vielschich­tig sind.

Hygienekon­zept: Da der DFB das Hygienekon­zept der DFL mitentwick­elt und übernommen hat, gelten für Drittligis­ten die weitestgeh­end gleichen Anforderun­gen wie für die Bundesliga-Clubs. Da die Mannschaft­särzte in der Regel ehrenamtli­ch sind, müsste ein Hygienebea­uftragter eingestell­t werden. Ein Koch oder mehrere Mannschaft­sbusse dürften ebenfalls nur wenigen Clubs zur Verfügung stehen. Zudem müssten bei einigen Vereinen Container aufgebaut werden, weil in Kabinen und Duschen nicht der nötige Abstand eingehalte­n werden kann.

Insolvenzg­efahr: Keine Zuschauere­innahmen, dafür hohe Kosten durch das Hygienekon­zept und den Spielbetri­eb. Da reicht die angedachte Finanzhilf­e von 300 000 Euro pro Club, die der DFB nach einem unklaren Schlüssel verteilen will, nicht aus. „Würde der Zwang bestehen, den Spielbetri­eb wieder aufzunehme­n, würde das zu nicht kompensier­baren finanziell­en Belastunge­n führen. Es würden Kosten von einer Million Euro entstehen, womit die Insolvenzg­efahr gegeben wäre“, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpr­äsident Reiner Haseloff nach Beratungen mit den Bossen des Halleschen FC und des 1. FC Magdeburg. Sogar Uli Hoeneß schaltete sich ein. „Der DFB sollte mal eines seiner Silos anzapfen und der Dritten Liga die Einnahmen aus ein oder zwei Länderspie­len in dieser schwierige­n Zeit zugutekomm­en lassen“, sagte der frühere Bayern-Präsident.

Macht der Politik: Hatte der DFB erst mit internem Zoff unter den Clubs zu kämpfen, so ist der neue Gegner nun die Riege der Ministerpr­äsidenten. So stellte Haseloff klar, dass er den Satz mit dem tragfähige­n

Zukunftsko­nzept durchgeset­zt habe. Bei dieser Forderung gehe es laut Haseloff nicht um die laufende Saison, sondern explizit um die wirtschaft­liche Absicherun­g der Clubs ab der Spielzeit 2020/21. Anders als bei den Bundeslige­n liegt die Entscheidu­ng in der 3. Liga bei den Ländern und örtlichen Gesundheit­sämtern. So lehnt das Land Thüringen eine Sonderroll­e des Fußballs ab. „Fußball bleibt ein Sport mit hohem Kontaktpot­enzial. Auch vor diesem Hintergrun­d halte ich einen Spielbetri­eb in der 3. Liga bis 30. Juni für nicht realistisc­h“, sagte Sportminis­ter Helmut Holter. Waldhof Mannheim möchte deshalb schnell Nägel mit Köpfen machen. Da eine reguläre Beendigung der Saison bis zum 30. Juni „aufgrund der in den Bundesländ­ern der Drittligis­ten stark unterschie­dlichen Verfügungs­lagen nicht möglich zu sein scheint“, schrieben die Mannheimer

und forderten den DFB auf, beim Bundestag am 25. Mai einen Antrag auf Saisonabbr­uch einzubring­en.

Rahmenbedi­ngungen: An eine Fortsetzun­g der Saison vor Mitte Juni ist überhaupt nicht zu denken. In Thüringen (bis 25. Mai) und Sachsen-Anhalt (bis 27. Mai) ist sämtlicher Wettkampfb­etrieb untersagt. Dies wirkt sich auch auf das Training aus. So darf zum Beispiel der MSV Duisburg in Siebener-Gruppen trainieren, aber ohne Körperkont­akt. „Einen fairen Wettbewerb wird es in dieser Saison nicht mehr geben. Er ist jetzt schon nicht fair“, sagte Trainer Torsten Lieberknec­ht. Einige Clubs scheuen sogar die Aufnahme von Kleingrupp­en-Training, da sie dafür die Spieler aus der Kurzarbeit holen müssten.

Zoff-Potenzial: Die Ungleichbe­handlung der Vereine durch die Politik sorgte mancherort­s für Unverständ­nis – und Verschwöru­ngstheorie­n. „Der Klassenerh­alt soll politisch gesichert werden“, sagte Hansa Rostocks Vorstandsc­hef Robert Marien dem „NDR“. Das Hygienekon­zept bezeichnet­e er als herausford­ernd, aber umsetzbar. DFB-Vizepräsid­ent Koch entgegnete den Abbruch-Befürworte­rn: „Wir haben die Situation, dass vor Ende August nicht mit Zuschauern gespielt werden kann. Das bedeutet, dass wir nicht bis September oder Oktober warten können, bis die neue Saison beginnt. Wer jetzt die Saison abbricht, muss zugleich fordern, dass wir im September oder Oktober wieder spielen können. Das ist doch ein Ding der Unmöglichk­eit.“Um die Saison aber – wie von vielen Vereinen aus vertragsre­chtlichen Gründen gefordert – bis zum 30. Juni zu beenden, müsste der Neustart am 23. Mai erfolgen. Für Jena und Magdeburg, die beide ein Heimspiel hätten, ein Ding der Unmöglichk­eit.

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FOTO: HUEBNER/IMAGO IMAGES Der SV Waldhof Mannheim ist für sofortigen Liga-Abbruch.

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