Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Arbeiten im Homeoffice nach Mitternacht
Wie Homeoffice Lebensgewohnheiten ändert: Pilotprojekt der Netze BW liefert überraschende Details
AITRACH/TANNHEIM (sz) - Die strikten Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben ab Mitte März deutliche Spuren bei den Lastkurven hinterlassen. Das berichtet der Stromversorger Netze BW.
Insbesondere aufgrund der eingeschränkten Industrieproduktion sank der Stromverbrauch im Gebiet der Netze BW während der Osterferien auf teils weit unter 80 Prozent der zu erwartenden Werte. Im Rahmen eines Pilotprojekts zur Digitalisierung der Verteilnetze ließ sich in Oberschwaben quasi als „Beifang“auch ein anderer Trend identifizieren: Die vermehrte Tätigkeit im Homeoffice verändert offenbar die Lebensgewohnheiten der betroffenen Menschen. In Aitrach und Tannheim an der Iller dokumentieren seit dem Sommer 2017 fernauslesbare Lastgangzähler minutengenau den Summenverbrauch aller Ortsnetzstränge, die von den rund 50 Umspannstationen ausgehen. Eigentlich zielt das Pilotprojekt der EnBW-Tochter auf Transparenz in einem von hoher Einspeisung aus dezentralen Photovoltaik-Anlagen geprägten 20 000-VoltMittelspannungsnetz.
Seit Schließung der Kitas und vieler Industriebetriebe ergaben die Lastkurven aus einem dieser Ortsnetze, an dem fast ausschließlich Privathaushalte angeschlossen sind: Besonders der werktägliche Verbrauch legt deutlich zu – beispielhaft am Dienstag, 31. März, um fast ein Drittel. Die genauere Auswertung zeigte die zu erwartende erheblich höhere Mittagsspitze.
Die Vormittagskurve ergibt im Schnitt etwa den Betrieb von 1,5 Laptops pro Haushalt mehr.
Eher überraschend kam für Projektleiterin Linda Sprengholz jedoch die Delle bei dem sonst üblichen Anstieg gegen 18 Uhr: „Offenbar nutzten viele den früheren Feierabend, um sich nach Stunden im Homeoffice oder bei der Kinderbetreuung an der frischen Luft zu betätigen.“Zudem bleibe die Kurve nach Mitternacht noch für mehrere Stunden deutlich über dem „normalen“Niveau, weil sich „bei einer Reihe von Verbrauchern der Tagesablauf offenbar nach hinten verschoben hat“.
An Weihnachten 2017 konnte auf Basis (bereinigter) Lastkurven aus dem Gebiet bereits die sogenannte „Gänsebratenspitze“klar identifiziert werden.