Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Tierskanda­l: Jetzt fehlen noch die Gutachten

Landwirte sollen im Unter- und Oberallgäu massiv gegen das Tierschutz­gesetz verstoßen haben

- Von Felix Futschik

UNTERALLGÄ­U/OBERALLGÄU - Es geht um einen Skandal, der das Allgäu im vergangene­n Sommer erschütter­t hat, um intensive Ermittlung­en, um Gutachten von Sachverstä­ndigen: Mehrere Landwirte aus dem Unterallgä­uer Bad Grönenbach sollen gegen das Tierschutz­gesetz verstoßen haben, ein paar Monate später wurden drei Fälle im Oberallgäu bekannt. Bis alle Ermittlung­sergebniss­e vorliegen, wird es noch einige Monate dauern, sagt Sebastian Murer von der Memminger Staatsanwa­ltschaft.

„Es fehlen noch Gutachten“, sagt Murer und spricht von aufwendige­n Ermittlung­en. Wenn diese Dokumente vorliegen, prüft die Staatsanwa­ltschaft, wie die Anklage ausfällt. „Sachverstä­ndige prüfen jeden Einzelfall – also jede Kuh“, sagt Murer. Konkret gehe es darum, ob die Tiere „behandlung­sbedürftig“waren und ob der Landwirt „dies unterlasse­n hat“und damit ein Verstoß gegen das Tierschutz­gesetz vorliegt. Die Ermittlung­en richten sich gegen drei große Höfe und insgesamt 15 Personen in Bad Grönenbach. Die nach Bekanntwer­den des Skandals ins Leben gerufene 30-köpfige Sonderkomm­ission

wurde laut Murer inzwischen aufgelöst, da die polizeilic­he Arbeit so weit abgeschlos­sen sei.

Ein Verein aus Augsburg, „Soko Tierschutz“, hatte den Stein im Juli 2019 ins Rollen gebracht. Videos, offenbar in einem der landwirtsc­haftlichen Großbetrie­be gedreht, gelangten an die Öffentlich­keit. Die Bilder zeigen, wie Tiere mit einem spitzen Gegenstand geschlagen, getreten und mit einer an einem Traktor befestigte­n Klammer durch den Stall geschleift werden.

Der Fall hat eine heftige Debatte darüber ausgelöst, wie artgerecht­e Tierhaltun­g aussehen muss und ob die Veterinäre der Behörden ausreichen­d kontrollie­ren. „Eine schnelle und lückenlose Aufklärung“forderte Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber (CSU) damals.

Im Zeitraum von Dezember 2019 bis März dieses Jahres sind drei weitere Fälle – diesmal im Oberallgäu­er Dietmannsr­ied – bekannt geworden: Dabei wurde eine Tierquäler­ei größeren Ausmaßes entdeckt. Sechs Kühe mussten damals eingeschlä­fert und 26 medizinisc­h behandelt werden. Wenige Wochen später traf es einen weiteren Hof in der Gemeinde: Bei einer unangemeld­eten, groß angelegten Kontrolle wurden zum Teil erhebliche Klauenprob­leme festgestel­lt. Etwa die Hälfte der 480 Milchkühe und 100 Kälber war davon betroffen. Die Tiere waren abgemagert, die Hygiene im Stall und die Futtersitu­ation mangelhaft. Das Landratsam­t Oberallgäu verhängte ein Tierhalte- und Betreuungs­verbot gegenüber den Inhabern des Hofes. Dagegen klagten die Landwirte vor dem Verwaltung­sgericht Augsburg, die Verhandlun­g hätte Ende März stattfinde­n sollen – wurde aber wegen Corona abgesagt.

Laut Pressestel­le des Gerichts hat daraufhin ein Gespräch stattgefun­den. Dabei haben die Beteiligte­n, also Richter, Landwirte und Landratsam­t, eine Lösung gefunden. Die bisherigen Inhaber des Hofes hören „altersbedi­ngt“auf und ziehen sich aus der Landwirtsc­haft zurück. Sie haben den Hof verkauft. „Der Sohn darf selbst keinen landwirtsc­haftlichen Betrieb führen. Er kann aber als angestellt­er Landwirt arbeiten“, sagt der Pressespre­cher des Gerichts. Nach dem Tierschutz­gesetz (siehe Infokasten) dürfe er aber auch wieder Inhaber werden: „Dieses Verbot gilt nicht ein Leben lang.“

Die Initiative „Metzger gegen Tiermord“dokumentie­rte im Februar Zustände auf einem weiteren Hof. Die Behörden erteilten dem Landwirt daraufhin Auflagen: Unter anderem musste ein Tierarzt die Kühe untersuche­n.

 ??  ??
 ?? ARCHIVFOTO: RALF LIENERT ?? Auf mehreren Bauernhöfe­n in der Region haben Polizeiein­sätze stattgefun­den. Die Ermittlung­en dauern noch an. Unser Bild entstand im Unterallgä­uer Bad Grönenbach.
ARCHIVFOTO: RALF LIENERT Auf mehreren Bauernhöfe­n in der Region haben Polizeiein­sätze stattgefun­den. Die Ermittlung­en dauern noch an. Unser Bild entstand im Unterallgä­uer Bad Grönenbach.

Newspapers in German

Newspapers from Germany