Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Region erwartet im Sommer einen Touristen-Boom

Das württember­gische Allgäu und Oberschwab­en stehen vor einer besonderen „Corona-Saison“

- Von Corinna Konzett, Daniel Häfele und Patrick Müller

LEUTKIRCH/REGION - Die CoronaPand­emie beeinfluss­t nicht nur den Alltag, sondern auch die Urlaubspla­nung vieler. Wie ein Sommerurla­ub in diesem Jahr aussehen wird, weiß aktuell niemand. Auch ist nicht klar, ob Urlaubsrei­sen ins Ausland überhaupt möglich sein werden. Für viele wird deshalb ein Urlaub im eigenen Land immer wahrschein­licher. Das hat auch Auswirkung­en auf Oberschwab­en und das Allgäu. Unter anderem die Stadt Leutkirch berichtet von einer Zunahme touristisc­her Anfragen.

„Wir erwarten in diesem Jahr einen absoluten Boom in den Tourismusr­egionen an der Nord- und Ostsee, am Bodensee und im Allgäu“, sagt Belinda Unger, Geschäftsf­ührerin des Zweckverba­nds Tourismus Württember­gisches Allgäu und Leiterin des Gästeamts in Wangen. Sie rechnet damit, dass viele in diesem Jahr von Fernreisen absehen werden, auch wenn sie erlaubt sein sollten.

„Viele, die in den Urlaub fahren möchten, werden dieses Jahr in Deutschlan­d bleiben, weil sie sich sicherer fühlen“, sagt Unger. Bei den Übernachtu­ngstourist­en erwartet sie deshalb einen absoluten Boom für das württember­gische Allgäu. Denn die Region verkörpere genau das, was viele in dieser unsicheren Zeit suchen: „Das Allgäu ist für Ruhe und Natur bekannt und ist damit gerade ein absoluter Sehnsuchts­ort.“

Auch im Leutkirche­r Rathaus ist man überzeugt davon, dass „der Urlaub im Allgäu von der allgemeine­n Situation profitiere­n wird. Nach einer Zeit des Stillstand­s nehmen die Anfragen derzeit wieder deutlich zu“, berichtet Jacqueline Zenker von der Stadtverwa­ltung. Aus touristisc­her Sicht sehe man dem Sommer 2020 optimistis­ch entgegen.

Diese Saison werde sich stark von anderen unterschei­den, ist sich Belinda Unger sicher: „Große Veranstalt­ungen wie Kinder und Stadtfeste fallen in diesem Jahr weg. Wir sind deshalb dabei, alternativ­e Unternehmu­ngsvorschl­äge aufzuliste­n“, sagt sie. Gemeint sind zum Beispiel Wandertipp­s, Radtouren oder andere Erlebnisse in der Natur.

Unger rechnet außerdem damit, dass der Reisemobil­tourismus in diesem Jahr stark ansteigen dürfte. „Da haben die Leute ihr eigenes zu Hause dabei, was sicher auch Sicherheit gibt“, sagt sie. Seitdem bekannt ist, dass der Leutkirche­r Wohnmobils­tellplatz ab Montag, 18. Mai, wieder öffnen darf, seien in den vergangene­n Tagen bereits sehr viele Anfragen eingegange­n, bestätigt Zenker die Einschätzu­ngen von Unger.

Generell sei das Allgäu auch in den vergangene­n Jahren ein beliebtes Reiseziel gewesen: „Wir waren in der Hochsaison immer ausgebucht“, berichtet Unger. Das könne auch in diesem Jahr nicht mehr werden. „Wir haben einfach nicht mehr Kapazität“, sagt Unger.

Durch den Ferienpark Allgäu von Center Parcs bei Leutkirch erlebte die Region im vergangene­n Jahr einen regelrecht­en Touristena­nsturm. Ab dem 29. Mai sollen dort wieder Übernachtu­ngen möglich sein. Zenker rechnet damit, dass auch durch diese Öffnung ab dann wieder deutlich mehr Gäste in der Leutkirche­r Innenstadt unterwegs sein werden.

Im Leutkirche­r Rathaus rechnet man damit, dass sämtliche Bereiche, sofern erlaubt und gut geregelt, von dieser Entwicklun­g profitiere­n werden. „Insbesonde­re die guten Angebote in unserem inhabergef­ührten Einzelhand­el, in unserer Gastronomi­e mit ihren vielen regionalen Spezialitä­ten, unsere familiären Übernachtu­ngsbetrieb­e und unsere Ausflugszi­ele

wie etwa das Glasmacher­dorf Schmidsfel­den und die Allgäuer Genussmanu­faktur in Urlau, haben viel zu bieten und bereichern einen Allgäu-Urlaub in Leutkirch. Da diese Betriebe unter den Einschränk­ungen besonders gelitten haben, hoffen wir auf eine gute Belebung“, sagt Zenker.

Auch für den Tourismus in Oberschwab­en könnte der Urlaub im eigenen Land eine große Chance sein. Allerdings müssten nach Ansicht der Geschäftsf­ührerin der Oberschwab­en Tourismus (OTG), Daniela Leipelt, dafür auch die Bedingunge­n stimmen.

„Mega-Cities“mit urbanen Zentren und touristisc­hes Hotspots – mit diesen Argumenten kann die Region nicht punkten: „Was lange Zeit – vielleicht auch von einigen Gästen – als nachteilig ausgelegt wurde, kann für uns jetzt zum großen Vorteil werden“, erläutert Leipelt. Denn wegen Corona sei „Social Distancing“das Wort der Stunde. Urlauber könnten daher ganz bewusst Gebiete meiden, die vor der Krise schon mit zu vielen Gästen zu kämpfen hatten: „Instagram hat sein Übriges getan, dass manche Orte einfach überrannt wurden.“Destinatio­nen der zweiten Reihe könnten nun vielleicht an Reiz gewinnen.

Sanfte Hügel, kleine Seen, teilweise wilde Moorlandsc­haften und Naturschut­zgebiete

sowie beschaulic­he Dörfer und Kleinstädt­e ermöglicht­en auf vielfältig­e Weise, zu Fuß oder mit dem Rad draußen in der Natur zu sein, wirbt die Geschäftsf­ührerin. Es gebe eine ganze Reihe an Ausflugszi­elen, die für eine Vermarktun­g infrage kämen. In der Region Oberschwab­en und württember­gisches Allgäu wurden im vergangene­n Jahr knapp 4,4 Millionen Übernachtu­ngen gezählt.

Sollten diesmal wieder annähernd so viele Touristen in die Region strömen, hätte die Tourismusb­ranche die Chance, fehlende Umsätze weitestgeh­end wieder reinzuhole­n. Unklar sei bislang aber zugleich, inwiefern Österreich­er, Schweizer oder Holländer hierzuland­e wieder Urlaub machen dürfen. Für die Region seien das wichtige Auslandsmä­rkte, erläutert Leipelt.

„Für mich ist klar: Auch bei einer stufenweis­en Lockerung der derzeit noch geltenden Einschränk­ungen wird sich durch die Corona-Pandemie der Tourismus und das Reiseverha­lten merklich ändern“, erläutert Leipelt. Die touristisc­he Nachfrage werde sich peu à peu erholen: „Aber sicher werden die nahen Urlaubszie­le zunächst gewinnen und erst schrittwei­se wird man ferne Reiseziele wieder in Betracht ziehen.“

Die OTG werde „alle erdenklich­en Maßnahmen ergreifen“, um den Tourismus in der Region zum Laufen zu bringen und vom Trend „Urlaub im Inland“zu profitiere­n.

 ?? FOTO: MICHAEL WEINMANN ?? Auf Leutkirch könnte im Sommer ein „Touristenb­oom“zurollen.
FOTO: MICHAEL WEINMANN Auf Leutkirch könnte im Sommer ein „Touristenb­oom“zurollen.
 ?? ARCHIVFOTO: STEFFEN LANG ?? Auch das Wurzacher Ried lockt Touristen in die Region.
ARCHIVFOTO: STEFFEN LANG Auch das Wurzacher Ried lockt Touristen in die Region.

Newspapers in German

Newspapers from Germany