Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Gut für Mensch und Tier“
Bernd Burkhart, Vorsitzender des Bad Wurzacher Reit- und Fahrvereins (RFV), zur Wiederaufnahme des Reitsportbetriebs
BAD WURZACH - Sport im Freien darf seit gut einer Woche wieder betrieben werden. Das betrifft auch die Mitglieder des
Reit- und Fahrvereins (RFV)
Bad Wurzach.
Dessen Vorsitzender Bernd
Burkhart stellte sich den Fragen von SZ-Redakteur Steffen
Lang.
Herr Burkhart, wie wichtig ist die Öffnung der Reitanlage für den Verein?
Für die Mitglieder ist die Öffnung der Reitanlage zu Trainingszwecken sehr wichtig, weil die Pferde natürlich ihre Bewegung, aber auch ein gezieltes Training unter Anleitung brauchen. Nur so kann die Gesunderhaltung der Tiere gewährleistet werden. Aber auch für uns Menschen ist der Umgang und der Sport mit dem Partner Pferd in Zeiten der ungewöhnlichen Isolation von enormer Bedeutung, da die Psyche doch sehr leidet, wann man nur in seinen vier Wänden eingepfercht ist. Der Spruch, das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde, bekommt sehr viel Wahrheitsgehalt. Man fühlt sich frei und unabhängig.
Wie schwer wiegt der finanzielle Schaden – durch die ausgefallenen Veranstaltungen, die Einstellung des (Schul-)Reitbetriebs und die Schließung des Reiterstübles?
Der hält sich in Grenzen, da wir etwa keine laufenden Kosten für Schulpferde aufbringen müssen, die von Privatpersonen zur Verfügung gestellt werden. Der Ausfall unserer Reitturniere ist sportlich gesehen bedauerlich, aber ohne unsere Sponsoren wären diese Veranstaltungen von vorne herein nicht durchführbar, da sehr hohe Nebenkosten wie Richter, Tierarzt, Gebühren und so weiter erwirtschaftet werden müssen. Ohne die vielen Gönner im Umfeld, die uns hoffentlich auch in dieser Krise erhalten bleiben, wäre unser Sport nicht zu finanzieren.
Wie hat Ihr Verein die vergangenen Corona-Wochen erlebt?
Der größte Teil der Mitglieder hat die Maßnahme der Schließung anfangs akzeptiert und sich auch im Falle einer Notbewegung der Pferde, was ja nach dem Tierschutzgesetz erlaubt war, an die geltenden Hygienevorschriften gehalten. Wir haben Zeitfenster ausgeschrieben und die Anwesenheit der Reiter auf maximal vier Personen reduziert. Alles wurde dokumentiert, was auch die nächsten Wochen der Fall sein wird. Reithandschuhpflicht war leicht einzuführen, da diese jeder besitzt. Der Abstand ist auf dem Pferd ebenfalls leicht einzuhalten. Doch nach ein paar Wochen kam immer mehr Unzufriedenheit auf und Unverständnis, weil die Regelung, eine Reitanlage zu schließen, nicht wirklich Sinn ergibt: Wir haben einen 3500 Quadratmeter großen Reitplatz an der frischen Luft. Da kann man den Sicherheitsabstand sehr gut einhalten und das Infektionsrisiko minimieren. Warum also den Reitsport verbieten?
Wie sind die Jugendlichen mit der Zeit ohne die gewohnten Reitstunden umgegangen?
Es war für die Kinder sehr schwer zu verstehen, warum dies nicht möglich war. Aber wir versuchten, den Kindern Mut zu machen und trotzdem die Gemeinschaft zu leben, indem wir eine Video-Challenge gestartet haben. Jeder musste zu Hause mit seinem Pferd und einer Klopapierrolle ein Kunststück filmen. Das Video ist auf der Facebookseite des RFV Bad Wurzach einzusehen. Die Resonanz war unglaublich positiv!
Wie reagieren die Pferde auf die wenigen „Besuche“?
Die Pferde wurden ganz normal regelmäßig geritten, aber eben nicht im Training oder in der Reitstunde, sondern eher im Gelände. Jedem Pferd wurde eine Person zugeteilt.
Der RFV besteht seit 1970, hat der Verein je eine solche Krise erlebt?
Nein, es wurde noch nie ein Trainingsverbot ausgesprochen oder Reitturniere abgesagt.
Welche Auflagen müssen Sie für die Öffnung der Reitanlage einhalten?
Wir halten uns an die Vorgaben der Deutschen Reiterlichen Vereinigung: Abstandsgebot mindestens 1,5 Meter, regelmäßiges Händewaschen, Reithandschuhpflicht auf der gesamten Anlage, maximal vier Reiter auf 800 Quadratmetern, keine Besucher, keine Öffnung der Gemeinschaftsräume, keine Zusammenkünfte, Anwesenheitslisten, Zeitfenster fürs Training.
Was bedeutet Ihnen ganz persönlich das Reiten?
Ich bin erblich bedingt schon lange vom Pferdevirus infiziert. Ich genieße die Zeit, mit den Pferden zu arbeiten und sie zu versorgen. Man ist ständig beschäftigt und hat wenig Zeit für negative Gedanken und Sorgen. Das hilft mir über den Verzicht der geselligen Vereinsabenden hinweg. Das Pferd ist mehr als ein Sportgerät, es ist ein Partner und gerade in schwierigen Zeiten von besonderem Wert.