Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Bürgermeister Volker Restle wiedergewählt
Corona hält die Horgenzeller nicht vom Wählen ab – Briefwahl gefragt wie nie
HORGENZELL - Volker Restle ist für weitere acht Jahre Bürgermeister der Gemeinde Horgenzell. Das war zu erwarten, wenn ein Bürgermeister ohne ernst zu nehmenden Gegenkandidaten für seine dritte Amtszeit kandidiert. Ungewöhnlich waren am Wahlsonntag jedoch die Umstände von Stimmabgabe, Auszählung und Bekanntgabe des Wahlergebnisses – alles unter Corona-Bedingungen.
Der Horgenzeller Schulhof liegt still in der Nachmittagssonne, weit und breit niemand zu sehen. Die Tür zum Foyer der Mehrzweckhalle steht offen. Wer eintritt, sieht Markierungsstreifen am Boden: Falls sich eine Warteschlange bildet, soll so der Abstand zwischen den Wartenden gewährleistet werden. Aber das Foyer ist menschenleer, nur Thomas Gehweiler steht mit Schutzmaske vor dem Gesicht vor der geöffneten Tür des Bürgersaals. Der Bauhofmitarbeiter hat heute eine ungewohnte Aufgabe zu erfüllen: Er ist zuständig für Sicherheit und Ordnung.
„Das ist schon ein bissle komisch“, gibt Gehweiler zu. Er ist froh, dass so wenig los ist. Denn die Vorstellung, Leute ermahnen zu müssen, dass sie doch bitteschön anderthalb Meter Abstand voneinander halten, behagt ihm gar nicht. In diese Situation ist er zum Glück nicht gekommen. Alle haben sich an die Vorschriften gehalten, berichtet er. „Die haben auch alle schon draußen den Mundschutz aufgesetzt.“
Im Bürgersaal treffen die Wähler zuerst auf einen Desinfektionsmittelspender. Ein paar Meter weiter sitzt Gemeinderätin Sylvia Eberle hinter einem großen Tisch. Bei ihr gibt es die Stimmzettel und für jeden Wähler einen eigenen Bleistift. Die beiden Wahlkabinen sind wiederum ein paar Meter entfernt. Noch weiter hinten sitzt Rathaus-Mitarbeiter Walter Kellermann. An seinem Tisch gibt es wieder Desinfektionsmittel.
Vor dem letzten Tisch steht die Wahlurne, bewacht von Gemeinderätin Sylvia Reiß. Normalerweise würde sie den Schlitz der Urne mit einem Blatt Papier zudecken bis klar ist, dass der Wähler auch wirklich wahlberechtigt ist. In Corona-Zeiten ist ihr Arm dafür nicht lang genug. Damit der nötige Abstand gewahrt bleibt, hat sie eine Art hölzernen Pizzaschieber: Damit sorgt sie dafür, dass nur gültige Stimmzettel den Schlitz der Urne passieren.
Alle drei Wahlhelfer im Bürgersaal tragen Masken. Viel zu tun gibt es für sie nicht im Wahllokal. Nur ab und zu kommt ein einzelner Wähler vorbei. Zwei und mehr Wähler halten sich nur dann im Wahllokal auf, wenn ein Ehepaar oder eine Familie zur Wahl kommt. Dann heißt es wieder: Warten.
Zurück im Foyer fällt der Blick durch die Glastür der Mehrzweckhalle. Hier stapeln sich bereits die roten Briefwahl-Umschläge. „1300 Stück sind schon da“, sagt Josefine Münst. Die Rathaus-Mitarbeiterin organisiert die Bürgermeisterwahl in
Horgenzell. 4204 Wahlberechtigte hat die Gemeinde, berichtet Münst. 1478 von ihnen haben Briefwahl-Unterlagen beantragt – so viele wie noch nie. Bei der Bundestagswahl 2017 gab es 725 Briefwahl-Anträge, bei der Bürgermeisterwahl 2012 waren es 132, sagt Münst.
Obwohl die Briefwähler ihre Stimmabgabe schon vorab erledigen könnten, bringen viele Wähler ihre Briefwahl-Umschläge erst am Sonntag zum Rathaus. In der Mehrzweckhalle haben die Wahlhelfer sich die Arbeit aufgeteilt: Einige schlitzen mit Messern die roten Umschläge auf. Andere entnehmen die Wahlscheine und die blauen Umschläge mit dem Stimmzettel. „Wir prüfen, ob alles gültig ist“, erklärt Gemeinderätin Sylvia Dorner. Die Umschläge müssen zugeklebt und der Wahlschein unterschrieben sein. Vor ihr stapeln sich die blauen Umschläge.
In der Mehrzweckhalle wird ohne Mundschutz gearbeitet. „Wir haben uns für Abstand entschieden“, sagt Dorner. Platz genug gibt es in der Halle, die zehn Wahlhelfer haben sich an mehrere Tische verteilt.
Noch geht es um Vorarbeiten. Ausgezählt wird erst ab 18 Uhr. Dann werden die blauen Umschläge geöffnet. Organisatorin Münst hat für die Stimmenzählung anderthalb Stunden eingeplant: „Mit den vielen Briefwählern dauert das Auszählen dieses Mal länger als sonst.“
Endlich ist es halb acht, die Auszählung ist fertig, jetzt kommt der Wahlausschuss zusammen und bestätigt das Ergebnis. Letztlich sind 1328 Wahlbriefe im Rathaus eingetroffen. 456 Wähler haben in den Wahllokalen ihre Stimme abgegeben. Alles in allem haben sich also 1784 Bürger an der Wahl beteiligt – das sind 42 Prozent aller Wahlberechtigten. Vor acht Jahren bei der vorigen Bürgermeisterwahl waren es ebenfalls 42 Prozent Wahlbeteiligung. Die Corona-Krise hat die Horgenzeller also nicht vom Wählen abgehalten. 1687 Horgenzeller haben für Volker Restle gestimmt, das sind 96 Prozent der Wähler. 28 Stimmen gab es für den Gegenkandidaten Samuel Speitelsbach. Weitere 19 Wähler haben den Namen Timo Schneeweis auf ihren Stimmzettel geschrieben.
Händeschütteln zur Gratulation musste bei der Bekanntgabe des Wahlergebnisses entfallen. Mit Corona-Abstand hat BürgermeisterStellvertreterin Sylvia Dorner Restle zur Wahl beglückwünscht. Das Wahlergebnis sei eine Bestätigung für das, was er in der Vergangenheit gemacht habe. Und es sei ein Vertrauensbonus für das, was komme. Diese eigenartige Wahl werde er wohl nie vergessen. Restle selber berichtete, dass die Wahl für ihn nicht nur wegen Corona besonders war. Die Wahl zu seiner dritten Amtszeit war zugleich die erste Wahl, an der sein Sohn Friedrich teilnehmen durfte. Deshalb hatte Familie Restle sich gegen die Briefwahl entschieden und am Morgen gemeinsam das Wahllokal aufgesucht.