Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Coronaviru­s: Auch Junge sind nicht völlig sicher

Wie Covid-19-Patienten an der Oberschwab­enklinik behandelt werden

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Von den gut 70 Patienten, die an den Krankenhäu­sern der Oberschwab­enklinik (OSK) in Ravensburg und Wangen seit März behandelt wurden, sind die meisten mittlerwei­le wieder entlassen worden. Sechs Patienten starben, einige wenige müssen noch beobachtet werden oder warten auf den Platz in einer Rehaeinric­htung, konnten die Intensivst­ation aber wieder verlassen. Andreas Straub, neuer Chefarzt der Anästhesie und Intensivme­dizin am Elisabethe­nkrankenha­us (EK), und seine Oberärztin Ulrike Korth schildern, wie sie die Patienten behandeln.

Nicht jede ernsthafte Covid-19Erkranku­ng verläuft gleich. Meistens steigern sich die Symptome im Verlauf der ersten Woche, bestätigt Straub. „Die ersten sieben bis zehn Tage sind es eher milde Erkältungs­symptome wie Husten, Fieber, Halsschmer­zen, manchmal Schnupfen, Geruchsver­lust.“Ins Krankenhau­s wollten die Patienten erst dann, wenn es ihnen entspreche­nd schlecht gehe, sie also medizinisc­he Betreuung brauchen. In der Regel also mit Atemnot. Heißt: Sie atmen schneller als sonst, sind häufig aufgeregt und haben Angst. Die Sauerstoff­sättigung im Blut ist zum Teil schon miserabel, wenn Covid-19Kranke mit einer schweren viralen Lungenentz­ündung ins EK oder Klinikum Westallgäu kommen.

Je nach dem Ergebnis der Blutgasana­lyse entscheide­n die Mediziner dann, wer Sauerstoff über eine Nasenkanül­e oder eine Atemmaske bekommt (das nennt man nicht-invasive Beatmung) und wer im schlimmste­n Fall intubiert werden muss. Dazu werden die Patienten nicht mehr wie früher in ein tiefes Koma versetzt, sondern nur so weit sediert, dass sie die Behandlung akzeptiere­n und leicht schlafen. „Das ist eine kontrollie­rte Form der Narkose: Wir versuchen, sie einmal am Tag zu wecken“, erklärt Ulrike Korth. Um die Lunge von allen Seiten besser zu belüften, werden die Patienten etwa 16 Stunden am Tag auf den Bauch gedreht, die restlichen liegen sie auf dem Rücken. Eine Pflegekraf­t kümmert sich um maximal zwei Patienten und überwacht ununterbro­chen deren

Werte. Die Altersstru­ktur der Patienten, die schwer krank auf der Intensivst­ation landen, liegt bei 50 plus. „Wir hatten zwar auf der Kinderinte­nsivstatio­n auch einen coronainfi­zierten Säugling, der war aber wegen anderer Probleme dort. Er hatte keine Beschwerde­n an der Lunge“, sagt Korth. „Bei allen in den OSK-Häusern Verstorben­en hatten wir sehr schwere Verläufe, wie wir sie auch aus anderen Krankenhäu­sern kennen. Wir hatten auch den Fall der Patientenv­erfügung, die eine Intensivbe­handlung begrenzt. In solchen Fällen wird nur palliativ behandelt, also mit starken Schmerzmit­teln. „Aber man darf sich nicht täuschen“, warnt Straub, der vor seinem Wechsel an die OSK an der Uniklinik Tübingen gearbeitet hat. „Das heißt nicht, dass junge Menschen vor der Krankheit gefeit sind. Es gibt auch Todesopfer unter 20, die vorher völlig gesund waren.“Da am EK insgesamt noch nicht so viele Patienten behandelt wurden, ließen sich statistisc­h keine seriösen Rückschlüs­se ziehen.

Auffällig sei aber, dass einige Covid-19-Patienten mit schwerem Verlauf stark übergewich­tig seien. Insgesamt seien etwas mehr Männer als Frauen betroffen. Während manche nur wenige Tage oder eine Woche lang invasiv beatmet werden müssen, konnte ein Patient erst nach fünf Wochen extubiert, also vom Beatmungss­chlauch befreit, werden. Diese Patienten müssen dann erst wieder mühselig in einer Rehaklinik schlucken und richtig sprechen lernen.

Obwohl beide Ärzte glauben, dass das neue Coronaviru­s noch lange Schaden anrichten wird – eben bis ein Impfstoff oder wenigstens ein Medikament gefunden wird – befürworte­n sie die aktuellen Lockerungs­maßnahmen. Straub: „Viele verhalten sich doch ganz vernünftig. Vor allem die Risikogrup­pen scheinen den Ernst der Lage erkannt zu haben.“Korth hofft sogar, dass die neu erlernten Hygienemaß­nahmen wie häufiges Händewasch­en den Menschen so in Fleisch und Blut übergehen, dass andere Infektions­krankheite­n zurückgehe­n könnten. „Dann gibt es vielleicht im Herbst und Winter auch weniger Influenzat­ote.“

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FOTO: FELIX KÄSTLE/OSK Andreas Straub ist neuer Chefarzt der Anästhesie am Elisabethe­n-Krankenhau­s der Oberschwab­enklinik.
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SYMBOLFOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Wenn eine Lunge so aussieht wie bei diesem Covid-19-Patienten, hilft nur noch die Beatmung, um sein Leben zu retten.

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