Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Spione müssen das Grundgesetz beachten
Karlsruher Urteil schränkt Auslandsaufklärung des Bundesnachrichtendienstes ein
BERLIN - Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BND-Gesetz bindet dem deutschen Auslands-Geheimdienst bei der Aufklärung im Ausland weitgehend die Hände. Datenleitungen darf er nicht mehr nach Belieben anzapfen, weil er an das deutsche Fernmeldegeheimnis und die Pressefreiheit nach den Artikeln 10 und 5 des Grundgesetzes gebunden ist. Die Reaktionen in Deutschland reichen von Begeisterung bis zu ernster Sorge.
Für die Kläger war das Karlsruher Urteil ein Triumph auf ganzer Linie. „Wir freuen uns, dass Karlsruhe der ausufernden Überwachungspraxis des Bundesnachrichtendienstes im Ausland einen Riegel vorschiebt", sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. Ähnlich äußerte sich Konstantin von Notz (Grüne), Vizevorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Das Urteil sei „wegweisend für die Arbeit von Nachrichtendiensten in der digitalen Welt und bedeutend für die Grundrechte von Millionen Menschen weltweit“. Der Linke André Hahn sprach von einer „schweren Niederlage für Bundesregierung und die Koalition aus Union und SPD“. Er verlangte, Kontrolldefizite schonungslos aufzudecken. Bestimmte Informationen über die Zusammenarbeit des BND mit Geheimdiensten anderer Staaten dürften dem Parlamentarischen Kontrollgremium nicht mehr vorenthalten werden.
Auch die FDP begrüßte die Entscheidung aus Karlsruhe. „Der BND wird künftig sein Handeln besser begründen müssen“, sagte Vizefraktionschef Stephan Thomaeder „Schwäbischen Zeitung“. Wichtig sei auch, die parlamentarische Kontrolle zu stärken. „Wir brauchen einen unabhängigen Parlamentarischen Nachrichtendienstbeauftragten, um die Akzeptanz der Bevölkerung für die Nachrichtendienste und ihre Arbeit nachhaltig zu stärken“, forderte er.
Die Verfechter der Fernmeldeaufklärung im Ausland befürchten hingegen einen Rückschlag für die Arbeit des Geheimdienstes, wenn Handytelefonate, E-Mails, Chats oder sonstige digitale Kommunikation im Ausland nicht mehr ohne Weiteres überwacht werden können. Auch beim Bundesnachrichtendienst selbst löste das Urteil Unruhe aus. Präsident Bruno Kahl formulierte es noch vorsichtig. „Niemand hat ein größeres Interesse daran, auf rechtlich sicherem Grunde zu handeln, als der BND selbst. Diese rechtlichen Grundlagen hat das Bundesverfassungsgericht mit dem heute verkündeten Urteil neu vermessen.“Bei der Reform des BND-Gesetzes sei „der Schutz von Grundrechten ebenso zu beachten wie die Erfüllung des Auftrags des BND für die Sicherheit Deutschlands“.
Unter seinen Mitarbeitern geht die Sorge um, dass Deutschland künftig von wichtigen Informationen für die Sicherheit abgeschnitten werden könnte. „Wir sind extrem abhängig von Informationen der Partnerdienste“, sagt ein Mitarbeiter. Wenn man denen keine Informationen mehr liefern dürfe, dann bekäme man im Gegenzug auch weniger Tipps, etwa über bevorstehende Anschläge.
Diese Sorge teilt Uli Grötsch (SPD) als Mitglied des parlamentarischen Kontrollgremiums ausdrücklich nicht. „Der BND ist ein sehr leistungsfähiger Dienst, das wissen die internationalen Partner auch.“Das Urteil könne sogar eine Signalwirkung entfalten: „Der BND kann hier international ein Vorbild sein.“Ein Rechtsstaat müsse den Anspruch haben, dass seine Nachrichtendienste nach rechtsstaatlichen Prinzipien handelten.
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Armin Schuster (CDU), lobte das Gericht für seinen „beeindruckenden Balanceakt“. Er betonte, dass Karlsruhe die strategische Fernmeldeaufklärung – „auch im Ausland, auch anlasslos, und auch mittels Speicherung und Auswertung der Daten“nicht grundsätzlich infrage gestellt habe. Es gehe nun darum, die Rechtsgrundlagen präziser und grundrechtsnäher zu formulieren. „Und die parlamentarischen Kontrollmechanismen sollen deutlich gestärkt werden, was ich sehr begrüße.“Die Vorgaben des Gerichts umzusetzen, hält er für weitgehend unproblematisch: „Der Handlungsspielraum ist überschaubar.“Das Bundesverfassungsgericht habe mit dem Urteil Vorgaben gesetzt. „So deutlich, dass ich glaube, wir können parlamentarisch recht schnell zu einem Ergebnis kommen.“