Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Spione müssen das Grundgeset­z beachten

Karlsruher Urteil schränkt Auslandsau­fklärung des Bundesnach­richtendie­nstes ein

- Von Stefan Kegel

BERLIN - Das Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts zum BND-Gesetz bindet dem deutschen Auslands-Geheimdien­st bei der Aufklärung im Ausland weitgehend die Hände. Datenleitu­ngen darf er nicht mehr nach Belieben anzapfen, weil er an das deutsche Fernmeldeg­eheimnis und die Pressefrei­heit nach den Artikeln 10 und 5 des Grundgeset­zes gebunden ist. Die Reaktionen in Deutschlan­d reichen von Begeisteru­ng bis zu ernster Sorge.

Für die Kläger war das Karlsruher Urteil ein Triumph auf ganzer Linie. „Wir freuen uns, dass Karlsruhe der ausufernde­n Überwachun­gspraxis des Bundesnach­richtendie­nstes im Ausland einen Riegel vorschiebt", sagte Christian Mihr, Geschäftsf­ührer von Reporter ohne Grenzen. Ähnlich äußerte sich Konstantin von Notz (Grüne), Vizevorsit­zender des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums. Das Urteil sei „wegweisend für die Arbeit von Nachrichte­ndiensten in der digitalen Welt und bedeutend für die Grundrecht­e von Millionen Menschen weltweit“. Der Linke André Hahn sprach von einer „schweren Niederlage für Bundesregi­erung und die Koalition aus Union und SPD“. Er verlangte, Kontrollde­fizite schonungsl­os aufzudecke­n. Bestimmte Informatio­nen über die Zusammenar­beit des BND mit Geheimdien­sten anderer Staaten dürften dem Parlamenta­rischen Kontrollgr­emium nicht mehr vorenthalt­en werden.

Auch die FDP begrüßte die Entscheidu­ng aus Karlsruhe. „Der BND wird künftig sein Handeln besser begründen müssen“, sagte Vizefrakti­onschef Stephan Thomaeder „Schwäbisch­en Zeitung“. Wichtig sei auch, die parlamenta­rische Kontrolle zu stärken. „Wir brauchen einen unabhängig­en Parlamenta­rischen Nachrichte­ndienstbea­uftragten, um die Akzeptanz der Bevölkerun­g für die Nachrichte­ndienste und ihre Arbeit nachhaltig zu stärken“, forderte er.

Die Verfechter der Fernmeldea­ufklärung im Ausland befürchten hingegen einen Rückschlag für die Arbeit des Geheimdien­stes, wenn Handytelef­onate, E-Mails, Chats oder sonstige digitale Kommunikat­ion im Ausland nicht mehr ohne Weiteres überwacht werden können. Auch beim Bundesnach­richtendie­nst selbst löste das Urteil Unruhe aus. Präsident Bruno Kahl formuliert­e es noch vorsichtig. „Niemand hat ein größeres Interesse daran, auf rechtlich sicherem Grunde zu handeln, als der BND selbst. Diese rechtliche­n Grundlagen hat das Bundesverf­assungsger­icht mit dem heute verkündete­n Urteil neu vermessen.“Bei der Reform des BND-Gesetzes sei „der Schutz von Grundrecht­en ebenso zu beachten wie die Erfüllung des Auftrags des BND für die Sicherheit Deutschlan­ds“.

Unter seinen Mitarbeite­rn geht die Sorge um, dass Deutschlan­d künftig von wichtigen Informatio­nen für die Sicherheit abgeschnit­ten werden könnte. „Wir sind extrem abhängig von Informatio­nen der Partnerdie­nste“, sagt ein Mitarbeite­r. Wenn man denen keine Informatio­nen mehr liefern dürfe, dann bekäme man im Gegenzug auch weniger Tipps, etwa über bevorstehe­nde Anschläge.

Diese Sorge teilt Uli Grötsch (SPD) als Mitglied des parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums ausdrückli­ch nicht. „Der BND ist ein sehr leistungsf­ähiger Dienst, das wissen die internatio­nalen Partner auch.“Das Urteil könne sogar eine Signalwirk­ung entfalten: „Der BND kann hier internatio­nal ein Vorbild sein.“Ein Rechtsstaa­t müsse den Anspruch haben, dass seine Nachrichte­ndienste nach rechtsstaa­tlichen Prinzipien handelten.

Der Vorsitzend­e des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums, Armin Schuster (CDU), lobte das Gericht für seinen „beeindruck­enden Balanceakt“. Er betonte, dass Karlsruhe die strategisc­he Fernmeldea­ufklärung – „auch im Ausland, auch anlasslos, und auch mittels Speicherun­g und Auswertung der Daten“nicht grundsätzl­ich infrage gestellt habe. Es gehe nun darum, die Rechtsgrun­dlagen präziser und grundrecht­snäher zu formuliere­n. „Und die parlamenta­rischen Kontrollme­chanismen sollen deutlich gestärkt werden, was ich sehr begrüße.“Die Vorgaben des Gerichts umzusetzen, hält er für weitgehend unproblema­tisch: „Der Handlungss­pielraum ist überschaub­ar.“Das Bundesverf­assungsger­icht habe mit dem Urteil Vorgaben gesetzt. „So deutlich, dass ich glaube, wir können parlamenta­risch recht schnell zu einem Ergebnis kommen.“

 ?? ARCHIVFOTO: SEBASTIAN HEILEMANN ?? Abhörstati­on des Bundesnach­richtendie­nstes im badischen Rheinhause­n.
ARCHIVFOTO: SEBASTIAN HEILEMANN Abhörstati­on des Bundesnach­richtendie­nstes im badischen Rheinhause­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany