Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Drei Rehkitze werden vor dem Mähtod bewahrt
Tierschützer, Bauern, Helfer und Jäger tun sich bei Harratried zusammen, um Jungtiere im hohen Gras zu bergen
RÖTHENBACH - Drei Rehkitze haben Tierfreunde und Jäger am vergangenen Sonntag vor dem Tod durch Mähwerke bewahrt. Für die Aktion sind die Retter früh aufgestanden: Von 5.15 bis um 13 Uhr suchten sie gezielt und mit einigem technischen Aufwand 25 Hektar große Wiesenflächen zwischen Harratried und der Argen bei Eglofstal ab, damit nachmittags Bauern ihre Flächen mähen konnten, ohne Rehkitze zu gefährden.
Tierfreunde aus den Röthenbacher Ortsteilen Harratried, Brettweg und Bauschwanden starten schon seit drei Jahren im Frühsommer Rettungsaktionen für Rehkitze. Die Landwirte sind mit von der Partie. Sie informieren über Mähtermine und geben Helfern bereitwillig die Erlaubnis zum Betreten des hohen Grases – schließlich ist es ein schlimmes Erlebnis, beim Mähen ein Tier zu erwischen.
Nachdem Anwohner auch heuer Rehe auf einigen Wiesen beobachtet hatten und davon ausgingen, dass diese im hohen Gras Nachwuchs ablegen, starteten sie erneut eine Initiative, begleitet von Jäger Stephan Zeimetz. Laut Zeimetz sind Jagdpächter und Landwirte gesetzlich verpflichtet, in der Mähsaison vermeidende Maßnahmen zum Schutz von Rehkitzen zu ergreifen. In Harratried erhalten sie tatkräftige und wirkungsvolle Unterstützung. „Wir haben bei unseren Bauern nachgefragt: Wann mäht ihr wo?“, erzählt Werner Syska aus Harratried, einer der Initiatoren. „Dann ruft man sich im Tal zusammen, und wer Zeit hat, macht mit.“Insgesamt halfen 19 Frauen und Männer – vom Jugendlichen bis zur über 60-Jährigen –, die weitläufigen Flächen zu durchkämmen. Eine zentrale Rolle spielte die Drohne von Thomas Seywald, Sohn eines Landwirts und Jäger. Das Gerät ist mit einer Wärmebildkamera ausgestattet. „Wenn die Drohne eine warme Stelle erfasst, senkt Seywald sie etwas ab. Und wir Helfer gehen hin und schauen, was dort ist“, erzählt Werner Syska.
Aufgeteilt in Gruppen und ausgestattet mit vier Funkgeräten, suchten die Helferinnen und Helfer das Umfeld der von der Drohne markierten Stellen ab. Mal stießen sie auf Maulwurfhügel,
mal auf Ansammlungen großblättriger Pflanzen, die sich am späteren Morgen stärker aufgeheizt hatten – oder auch auf niedergedrücktes, angewärmtes Gras, was darauf hinweist, dass hier vor nicht allzu langer Zeit ein Tier gelegen ist.
Das Verhalten der Rehe erklärt Jäger Stephan Zeimetz so: „Ende April/ Anfang Mai legen Rehgeißen ihr neu geborenes Kitz gern in hohen Wiesen ab, wo sie vor Beutegreifern, zum Beispiel dem Fuchs, geschützt sind.“In den ersten zwei bis drei Lebenswochen bleiben die Kitze an diesem
Ort und lassen sich auch nicht von Lärm oder Erschütterung, etwa durch einen Traktor, vertreiben. Bis Mitte/Ende Mai sind sie besonders gefährdet.
Um den Tod durch das Mähwerk zu verhindern, stellen Jagdpächter mit Landwirten vor dem Mähtermin sogenannte Schrecken auf. Häufig sind das Pfosten oder Holzgestelle, an die reflektierende Bänder oder auch Windspiele angebracht sind. Sie sollen die Rehgeiß, die dreimal täglich das Kitz zum Säugen aufsucht, auf Gefahr hinwiesen, damit sie mit dem Nachwuchs einen anderen Ort aufsucht.
Solche Schrecken wurden auch bei Harratried Ende vergangener Woche installiert – doch offenbar konnten sie nicht alle Rehmütter beeindrucken. An drei der vielen Punkte, die die fliegende Wärmebildkamera bezeichnet hatte, fanden die Tierfreunde ein im hohen Gras zusammengerolltes Rehkitz. Sie trugen die Jungtiere aus der Wiese heraus und legten sie für kurze Zeit in eine Transportbox.
In Absprache mit Jäger Zeimetz ließen sie sie nahe der ursprünglichen Ablegestelle wieder frei. „Nach dem Mähen kommen die Geißen raus und suchen nach ihrem Kitz. Da ist es wichtig, dass sie noch eine Spur aufnehmen können“, schildert Zeimetz.
Fast acht Stunden waren die Helfer am Sonntagvormittag auf den Beinen. Erschöpfung und nasse Füße haben sich am Ende wohl gelohnt. Die drei Rehkitze in Harratried waren gestern Morgen nach Information von Anwohnern bereits verschwunden. Ob die Muttertiere oder ein Fuchs sie geholt hat, kann freilich niemand mit Sicherheit sagen. „Aber es wurde alles dafür getan, um sie vor dem Mähtod zu bewahren“, sagt Jäger Zeimetz.
Der Vertreter der Jagdgemeinschaft Röthenbach wie auch Werner Syska loben die außergewöhnliche Kooperation. „Es war eine gelungene Gemeinschaftsaktion von Tierschützern, Jägern, Landwirten und freiwilligen Helfern“, sagt Zeimetz.
Werner Syska hat gestern übrigens von einem weiteren geretteten Kitz erfahren. Tierfreunde fanden es vor dem Abmähen in einem Feld, das am Montag gemäht werden sollte.