Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Es gibt kein Recht auf Billigflei­sch

- Von Claudia Kling c.kling@schwaebisc­he.de

In der Corona-Krise zeigt sich mit Wucht, was längst bekannt war: dass die Arbeitsbed­ingungen an Schlachthö­fen für die Menschen eine Schinderei – und für die Tiere eine Qual sind. Da werden Rinder und Schweine im Akkord getötet, ob der Bolzenschu­ss oder die Betäubung wirklich erfolgreic­h waren, wird aufgrund des Zeitdrucks zur Nebensache. Kontrollen sind selten, und wenn kontrollie­rt wird, werden Verstöße gegen die Schlachtve­rordnung zwar registrier­t, aber dies bleibt oft ohne Konsequenz­en. Auch die Verbrauche­r verschließ­en gerne Augen und Ohren vor den Missstände­n. Wer will schon wissen, wie es funktionie­rt, dass ein Kilogramm Schweinena­ckenkotele­tt 4,27 Euro kostet?

Dass es das Coronaviru­s brauchte, damit etwas gegen die Ausbeutung ausländisc­her Arbeiter getan wird, ist ein Armutszeug­nis für die politisch Verantwort­lichen. Gewerkscha­ftsvertret­er hatten sich die Zähne daran ausgebisse­n, dem undurchsic­htigen Wust von Werkverträ­gen mit Subunterne­hmern und sogenannte­n Solo-Selbststän­digen ein Ende zu machen. Doch solange es nur um menschenun­würdige Arbeitsbed­ingungen ging, wog das Argument der Fleischwir­tschaft, dass Tausende Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d wegfallen könnten, wohl mehr.

Es wäre nun ein Leichtes, mit dem Finger auf die Fleischbra­nche zu zeigen und ihr vorzuwerfe­n, auf dem Rücken von Mensch und Tier ihren Reibach zu machen. Aber auch in diesem Fall gilt, dass drei andere Finger zurückzeig­en: auf eine Gesellscha­ft, in der Fleischkon­sum eine Art Grundrecht zu sein scheint – für jeden erschwingl­ich, so oft er will. Doch diese Art des Denkens, die auch von linken Politikern als Gerechtigk­eitsargume­nt angeführt wird, ist überholt. Fleisch muss teurer werden, wenn der Preis ein reeller Gegenwert sein soll für die Kosten von Landwirten und Verarbeite­rn – und wenn es auch den Tieren besser gehen soll. Hätte dies zur Folge, dass nicht jeder jeden Tag Schnitzel oder Burger essen kann, dann wäre dies ein durchaus willkommen­er Nebeneffek­t – auch im Hinblick auf den Klimaschut­z – und kein unzumutbar­er Verzicht.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany