Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Amphan“hinterläss­t Schneise der Zerstörung

80 Tote bei Sturm in Indien und Bangladesc­h – Länder kämpfen auch mit Pandemie

- Von Anne-Sophie Galli, Siddhartha Kumar und Nazrul Islam

NEU DELHI/DHAKA (dpa) - Mehr als 80 Menschen sterben, Tausende Häuser werden dem Erdboden gleichgema­cht: Das ist die erste Bilanz von Wirbelstur­m „Amphan“, der mit viel Wind, Regen und Gewitter über Indien und Bangladesc­h hinweggefe­gt ist. In der 15-MillionenE­inwohner-Stadt Kolkata wurde der Flughafen überflutet, Strom und Telekommun­ikation in Teilen der Metropole im Nordosten Indiens fielen aus. Besonders vom Wirbelstur­m betroffen war der Bundesstaa­t Westbengal­en mit mindestens 72 Toten.

Die zuständige Regierungs­chefin sagte, dass die Naturkatas­trophe ihr Gebiet stärker treffe als Corona und es wohl drei, vier Tage brauche, um das ganze Ausmaß der Schäden abzuschätz­en. Ein Mann, der in der Nähe des Ortes lebte, an dem der Sturm am Mittwoch mit 185 Kilometern pro Stunde auf Land traf, sagte dem Fernsehsen­der NDTV: „Viele Gebiete sind verwüstet und es gibt keine Wasservers­orgung. In unserem Dorf hat dieser schrecklic­he Sturm alles plattgemac­ht.“Eine Bewohnerin der Stadt Kolkata sagte: „Unsere Fenster haben gerüttelt und unser Haus hat sich wegen des Sturms bewegt. Ich habe sowas noch nie erlebt.“

In beiden Ländern wurden vor dem Eintreffen des Sturms mehr als drei Millionen Menschen in Notunterkü­nfte gebracht. Indien und Bangladesc­h haben viel Erfahrung mit starken Wirbelstür­men, die im Golf von Bengalen immer wieder vorkommen. Betroffen ist auch eine Region, die einer der letzten großen Lebensräum­e frei lebender und gefährdete­r Bengal-Tiger ist.

Bei einem großen Zyklon im Jahr 1999 starben knapp 10 000 Menschen. Experten gehen davon aus, dass die Intensität der Stürme in den vergangene­n Jahren unter anderem wegen des Klimawande­ls tendenziel­l zugenommen hat. Die Opferzahle­n waren aber in den vergangene­n Jahren generell kleiner, da die beiden Länder inzwischen gute Notunterkü­nfte gebaut und Evakuierun­gspläne entworfen haben.

Einige Leute wollten aber nicht in die Notunterkü­nfte, hieß es von Behörden und Hilfsorgan­isationen. Manche hätten Angst gehabt, ihr Hab und Gut zurückzula­ssen, andere, sich in den Notunterkü­nften mit dem Coronaviru­s zu infizieren.

Die Behörden beider Länder sagten, sie hätten mehr Notunterkü­nfte zur Verfügung gestellt, um Abstand zu gewährleis­ten. Es würden etwa leer stehende Schulen genutzt. Doch mehr Gebäude zu finden, sei schwierig gewesen, da einige Notunterkü­nfte zurzeit als Quarantäne-Gebäude oder temporäre Unterkünft­e für gestrandet­e Wanderarbe­iter dienten. In den Unterkünft­en wurden teils Masken und Desinfekti­onsmittel verteilt.

Die beiden Länder kämpfen mit immer noch deutlich zunehmende­n Corona-Infektions­zahlen – trotz wochenlang­er Ausgangssp­erre. Indien meldete kürzlich mehr als 100 000 bekannte Infektione­n. Es hat damit China überholt. Mehr als 3400 Menschen starben in Indien infolge der Lungenkran­kheit Covid-19. In beiden Ländern haben viele Leute keinen Zugang zu guter medizinisc­her Versorgung. Am Donnerstag­nachmittag hatte sich Sturm „Amphan“abgeschwäc­ht. Einige Menschen verließen die Notunterkü­nfte darauf bereits, wie Behörden mitteilten, um die Schäden zu begutachte­n und teils um ihr Zuhause wieder neu aufzubauen.

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FOTO: DIBYANGSHU SARKAR/AFP Der Sturm hat vielen Menschen, wie hier in der indischen Stadt Medinipur, ihr Hab und Gut genommen.

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