Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Hausbesitz­er investiere­n, Städte stornieren

Die Handwerker im Kreis Ravensburg blicken mit gemischten Gefühlen in die Zukunft

- Von Frank Hautumm

LEUTKIRCH/KREIS RAVENSBURG Mehr als 4100 Betriebe vertritt die Kreishandw­erkerschaf­t Ravensburg. Keiner davon musste bislang wegen der Auswirkung­en der Corona-Krise die Segel streichen. Für Geschäftsf­ührer Franz Moosherr und Kreishandw­erksmeiste­r Michael Bucher ist das ein Beleg für die Vitalität der regionalen Unternehme­n. Die Pandemie hat aber fast alle getroffen – sehr unterschie­dlich hart nach Branchen und Betrieben.

Privatkund­en geben derzeit verstärkt Geld für ihre Häuser und Wohnungen aus. Corona führt bei vielen offenbar zu einer Rückbesinn­ung auf die eigene Scholle. Gleichzeit­ig hat aber die Industrie ihre Aufträge angesichts der einbrechen­den Konjunktur storniert. Dazu kommt, dass die Kommunen derzeit kaum noch investiere­n. Mit 60 Prozent machen die Städte und Gemeinden den größten Auftraggeb­er der Handwerker aus.

Moosherr und Bucher blicken daher derzeit mit gemischten Gefühlen in die Zukunft, wie sie im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“sagen: „Viele Betriebe profitiere­n immer noch von einem Auftragspo­lster aus der Zeit vor Corona. Das betrifft insbesonde­re das Bau- und Elektrogew­erbe, Zimmerer und Dachdecker. Es zeichnet sich jetzt aber ab, dass das Neugeschäf­t außer beim Wohnungsba­u deutlich eingetrübt ist. Dem Herbst sehen einige unserer Mitglieder daher mit Sorge entgegen.“Das rührt auch daher, dass die Hoffnung auf die Privatkund­en natürlich porös ist: „Da wird sehr viel davon abhängen, wie lange die Leute in Kurzarbeit oder gar vom Jobverlust bedroht sind“, so Moosherr.

Mit Freude beobachten die beiden Verantwort­lichen, wie engagiert und kreativ viele Betriebe die vergangene­n Wochen gemeistert hätten: „Das war nicht einfach, in viele Geschäftsr­äume durften unsere Handwerker wegen der Hygienebes­timmungen gar nicht rein oder nur unter erschwerte­n Bedingunge­n. Das hat natürlich viele Prozesse verlangsam­t“, sagt Michael Bucher. Auch jetzt, nach Beginn der Lockerunge­n, legten sich die Firmenchef­s mit ihren Mitarbeite­rn ins Zeug. Da würden Doppelschi­chten gefahren und werde teilweise bis neun oder zehn Uhr abends gearbeitet, um den Umsatzverl­ust durch die Vorschrift­en zu kompensier­en.

Eine wichtige Stütze seien auch die Soforthilf­eprogramme gewesen, sagt Geschäftsf­ührer Moosherr. 51 Millionen Euro seien im Kammerbezi­rk angekommen. Abgerufen wurde die Hilfe vor allem von Kleinbetri­eben: 83 Prozent der Anträge kamen aus Unternehme­n mit einem bis fünf Mitarbeite­rn. Die Handwerker fordern jetzt ein massives Konjunktur­paket des Landes. Bei Aufträgen müssten regionale Betriebe bevorzugt werden. Moosherr und Bucher plädieren für einen beschränkt­en Wettbewerb. Und gegen Mehrbelast­ungen für Betriebe werde man sich wehren. Gleichzeit­ig appelliere­n sie an die Kommunen: „Wer jetzt beispielsw­eise an Sanierunge­n spart, die für die Bildung oder Energiewen­de wichtig sind, der wird irgendwann einen Preis dafür zahlen müssen.“

Erfreulich für Moosherr trotz aller Schwierigk­eiten: „Die Ausbildung­sbereitsch­aft in unseren Betrieben ist trotz des Umsatzminu­s ungebroche­n hoch.“Die Nachwuchsw­erbung bleibe eine existenzie­ll wichtige Aufgabe für die Handwerker, gerade in Zeiten, in denen es keine Messen und damit weniger Möglichkei­ten gebe, sich zu präsentier­en. Bucher setzt aber darauf, dass das Image der regionalen Unternehme­n auch in der Krise weiter gestärkt wird. „Corona hat und wird die Gesellscha­ft verändern. Regionalit­ät wird wieder wichtiger, Qualität auch. Und die Leute investiere­n in bleibende Werte.“

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FOTO: DPA/FELIX KÄSTLE Ein Auszubilde­nder im SchreinerH­andwerk arbeitet mit dem Hobel an seinem Werkstück. Die Branchen sind unterschie­dlich stark von der CoronaKris­e betroffen.

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