Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Corona-Krise: So sieht die Situation in Haiti aus
SZ-Aktion unterstützt in Verrettes ein Schulprojekt
LEUTKIRCH (gs) - Im Rahmen der SZ-Weihnachtsaktion „Helfen bringt Freude“wird seit zwei Jahren das Haiti-Schulprojekt unterstützt, das Kindern in Verrettes die Möglichkeit gibt, zur Schule gehen zu können. Floribert Föhr, Vorsitzender des Projekts, berichtet über die aktuelle Situation vor Ort.
Aktuell würde es laut Ricardo Longcham, Leiter des Schulprojekts, in Haiti 350 Corona-Fälle geben. 25 Menschen seien gestorben. Nur 21 Betroffene gelten als geheilt. Um einer stärkeren Ausbreitung der Pandemie entgegenzuwirken, gelten laut Longcham auch in Verrettes zahlreiche Vorschriften. Der Ort liegt im Inneren der Haiti-Insel und etwa 60 Kilometer von der Hauptstadt Port-auPrince entfernt.
Die Vorschriften betreffen auch die Schule, die 2009 durch die Unterstützung des Gebrazhofener HaitiProjekts eröffnet werden konnte. In „normalen Zeiten“werden dort täglich etwa 240 Schüler in den Klassenstufen eins bis sechs unterrichtet werden. „Die Kinder können nicht mehr in die Schule kommen, arbeiten oft in kleinen Gruppen von zu Hause aus zusammen und erhalten ihre Aufgaben von unseren Lehrern. Bei Fragen stehen diese über Telefon regelmäßig zur Verfügung“, erzählt Longcham. Ungewiss sei, wann die Schule wieder öffnen kann.
Präsident Jovenel Moise verhängte Mitte März eine Ausgangssperre und verbot Versammlungen von mehr als zehn Menschen. Außerdem gelte eine Pflicht zum Tragen von Masken. „Es gibt viele Personen, die sich aber an die Regelungen nicht halten“, so der Projektleiter. Nicht selten gebe es überfüllte öffentliche Verkehrsmittel. Eine Einhaltung der geforderten Abstandsregelung sei hier nahezu unmöglich.
Er erklärte: „Die Regierung verlangt zwar, dass die Menschen zu Hause bleiben sollen, kümmert sich aber nicht wirklich ums Volk, zumal die Meisten sehr arm und eh schon vom Klimawandel gebeutelt sind.“Ein Umstand, der zahlreiche Haitianer zu folgender Aussage veranlassen würde: „Corona ist uns egal. Wenn wir zu Hause bleiben, haben wir nichts zu essen, und dann sterben wir so oder so.“
Auch die medizinische Versorgung erweise sich als katastrophal. „Es gibt nur wenige Krankenhäuser, die Infizierte behandeln können. Viele der Patienten haben kein Geld, um die Gebühren bezahlen zu können“, sagt Ricardo Longcham. Zwar habe die Regierung für arme Menschen Zusagen gemacht, den Ärmsten der Armen 50 US-Dollar zukommen zu lassen, die wenigsten hätten diesen Betrag jedoch erhalten. Eine Tatsache, die die Menschen zur Nervosität treiben würde und somit zur Kriminalität. „Das Verbrechen nimmt zu, da viele Haitianer ihre Familien nicht mehr ernähren können“, erklärt der Projektbeauftragte.
Einige junge Männer hätten sich mittlerweile illegale Waffen besorgt, um Leute zu töten, die Geld von der Bank holen wollten. Oftmals würden sie auch Passagiere von Bussen sowie Autofahrer anhalten, um an deren Geld zu kommen. „Ich glaube die Situation hier wird immer noch schlimmer“, bedauert Longcham.