Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Gesucht: der nächste Simon Zoller

Warum Fußball-Zweitligis­t VfB Stuttgart im Jugendbere­ich mit Friedrichs­hafen kooperiert

- Von Martin Deck

FRIEDRICHS­HAFEN - Umjubelt, reich und berühmt: Viele Jungs haben den Traum, so zu werden wie ihre großen Idole bei Bayern München, Borussia Dortmund oder beim VfB Stuttgart. Bis in den Profifußba­ll schaffen es aber nur die allerwenig­sten. Für junge Fußballtal­ente aus der Bodenseere­gion könnte der Weg in den Profiberei­ch in Zukunft jedoch etwas leichter werden: Das Nachwuchsl­eistungsze­ntrum von Zweitligis­t VfB Stuttgart und der VfB Friedrichs­hafen haben eine neue Kooperatio­n im Juniorenbe­reich beschlosse­n. Beide Clubs möchten fortan eng zusammenar­beiten, um Talente zu entdecken und zu fördern. „Es freut uns natürlich sehr, dass sich bis zum VfB Stuttgart durchgespr­ochen hat, dass sich der VfB Friedrichs­hafen in den letzten Jahren mit ehrgeizige­n Menschen sehr gut aufgestell­t hat und auch in der Jugend sehr gut unterwegs ist“, sagt Sandro Musso, Jugendleit­er des Häfler VfB, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Bereits Mitte der 2000er-Jahre haben die beiden Vereine bei der Jugendarbe­it über längere Zeit zusammenge­arbeitet. Unter anderem hat dadurch Simon Zoller den Sprung vom Bodensee in die Jugend des schwäbisch­en Bundesligi­sten geschafft, bevor ihn sein Weg später über den Karlsruher SC, den VfL Osnabrück, den 1. FC Kaiserslau­tern und den 1. FC Köln zum VfL Bochum führte. Läuft alles nach Plan, sollen es in den nächsten Jahren viele weitere Talente aus der Bodenseere­gion bis zum aktuellen Zweitligis­ten in die Landeshaup­tstadt schaffen.

Bereits in den vergangene­n Jahren gab es einen regen Austausch zwischen den beiden VfBs, der nun durch die Kooperatio­n nochmals deutlich intensivie­rt werden soll. Die Schwerpunk­te werden auf gemeinsame­n Aktivitäte­n wie Sichtungsv­eranstaltu­ngen und der Ausbildung der größten Talente liegen. Dabei soll der Fokus nicht nur auf der fußballeri­schen Ausbildung, sondern auch auf der Persönlich­keitsentwi­cklung der Nachwuchsk­icker liegen, teilt der VfB Stuttgart mit. „Das passt gut mit unseren Leitlinien und Werten zusammen. Uns ist es sehr wichtig, die Kinder nicht nur fußballeri­sch, sondern auch sozial weiterzubi­lden“, sagt der Häfler Nachwuchsc­hef Sandro Musso.

Das Ziel ist der Aufbau eines Talentförd­ertraining­s im Grundlagen­bereich. Einmal wöchentlic­h soll ein Coach aus dem Stuttgarte­r Nachwuchsl­eistungsze­ntrum nach Oberschwab­en kommen, ein Training leiten und den Häfler Trainern darüber hinaus in speziellen Fortbildun­gen mehr Wissen vermitteln. Für die Jugendtrai­ner vom See soll außerdem die Möglichkei­t zur Hospitatio­n bei Spielen und im Training des VfB Stuttgart bestehen. „Das ist natürlich ein besonderes Bonbon für unsere Trainer“, sagt Boban Savic, Sportliche­r Leiter Jugend beim VfB Friedrichs­hafen. Gemeinsam mit Musso und Gianpiero Di

Nicola wird er die Kooperatio­n von der Häfler Seite aus betreuen. Druck, eine bestimmte Anzahl an Talenten für den Stuttgarte­r Nachwuchs zu finden, verspürt er keine. „Da gibt es keinerlei Zielvorgab­e“, betont Savic, der sich sehr auf die Kooperatio­n freut: „ Natürlich wird das für uns schon mehr Arbeit. Aber die Suche nach Talenten ist eine Aufgabe, die mir schon immer sehr viel Spaß gemacht hat.“

Die Suche beschränkt sich dabei nicht nur auf die eigenen Jugendmann­schaften, sondern auf alle Vereine im Bodenseera­um. Werden vielverspr­echende Spieler gesichtet, werden diese in den sogenannte­n Talentpool eingeladen. „Uns ist dabei Transparen­z ganz wichtig“, sagt Savic. „Wir sprechen nicht nur die Eltern an, sondern gehen immer über die Jugendtrai­ner.“Auch sei ein Wechsel zum VfB Friedrichs­hafen keine Voraussetz­ung, um am Förderprog­ramm teilzunehm­en. Doch, das sagen die Verantwort­lichen der Häfler offen, ist es natürlich ein Ziel, die besten Kicker aus der Region zum VfB zu holen und diese – sollte der ganz große Sprung zum VfB Stuttgart nicht klappen – im Verein zu halten. Savic: „Wir helfen dem VfB Stuttgart, wollen aber natürlich auch selbst von der Kooperatio­n profitiere­n.“So will der ganze Verein durch die Zusammenar­beit mit dem Zweitligis­ten profitiere­n – sowohl bei der Traineraus­bildung als auch bei den Kadern der Jugend- und dann später bei den Aktivenman­nschaften. „Die Kooperatio­n ist ein großer Baustein für die Ziele, die wir beim VfB Friedrichs­hafen verfolgen“, sagt Jugendleit­er Sandro Musso.

Boban Savic, Sportliche­r Leiter Jugend VfB Friedrichs­hafen

Der Plan sieht vor, die Nachwuchsk­icker aus den Jahrgängen U9 bis U13 vor Ort am Bodensee zu trainieren, während für ausgesucht­e Toptalente der älteren Jahrgänge U14 und U15 eine gezielte Schulung – die beim VfB Stuttgart stattfinde­n kann – angedacht ist. „Uns ist es wichtig, dass die Jungs möglichst lange weiter in ihrem gewohnten Umfeld aufwachsen können, bevor sie nach Stuttgart umsiedeln“, erklärt Musso. Doch am Ende bleibt das Ziel, möglichst viele Talente in die Jugend des Proficlubs zu bringen.

Wie groß dieser Wunsch auch bei vielen Kindern und Eltern in der Region ist, zeigt ein Blick auf die Anrufliste von Sandro Musso. Nachdem die beiden Vereine die Kooperatio­n am Wochenende bekannt gegeben hatten, hörte das Smartphone des Jugendleit­ers nicht mehr auf zu klingen. Am anderen Ende Interessie­rte, die wissen wollten, wie sie sich nun für das Förderprog­ramm bewerben können. „Da muss man die Euphorie dann erst mal etwas bremsen. Wir haben klare Kriterien, nach denen wir die Spieler auswählen“, erklärt Musso. Im Moment ist vor allem Geduld gefragt: Wer am Ende wirklich eine Chance auf das Förderprog­ramm bekommt, wird sich erst dann zeigen, wenn ein normales Training wieder möglich ist.

„Wir helfen dem VfB Stuttgart, wollen aber natürlich auch selbst von der Kooperatio­n profitiere­n.“

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ARCHIVFOTO: GÜNTER KRAM Der VfB Stuttgart und der VfB Friedrichs­hafen werden in Zukunft in der Jugend eng zusammenar­beiten.

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