Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Macht Allgäu-Ali für immer Schluss?

Der Kemptener Profi Ali Celik spricht offen über ein mögliches Karriereen­de

- Von Stephan Schöttl

KEMPTEN - „Vielleicht steige ich nie wieder in den Ring.“Bumm, das sitzt. Für die Fans des Profi-Boxers Ali Celik mögen sich diese Worte des Kempteners anfühlen wie ein schmerzhaf­ter Wirkungstr­effer. Der 33-Jährige ist in den vergangene­n Wochen nachdenkli­ch geworden. Sport verboten, ein nächster Kampf nicht in Aussicht, das eigene Fitnessstu­dio schon seit Mitte März geschlosse­n. „Ich habe stattdesse­n viel Zeit mit meiner Frau und den Kindern verbracht. Das war schön. Und mir wurde dabei bewusst, dass mir meine Gesundheit und meine Familie einfach wichtiger sind als ein Titel“, erzählt Celik, der als amtierende­r deutscher Meister im Halbmittel­gewicht vor allem in der Vorbereitu­ngszeit viel entbehren musste. Seiner Familie ging es ebenso. Selbst im gemeinsame­n Urlaub drehte sich vieles um Kraft und Ausdauer.

Celiks Bilanz ist tadellos. Von neun Kämpfen als Profi hat er neun gewonnen, sechs sogar vorzeitig. Sein letztes Duell bestritt der Kemptener im September. Seitdem ist einiges passiert. Celik und seine Frau Elena haben vor einem halben Jahr noch einmal Nachwuchs bekommen, das dritte Kind. „Da wird’s dir daheim nicht langweilig“, sagt er lachend. Die Planungen des nächsten Kampfes mussten zunächst einmal hintansteh­en. Und dann kam die Corona-Pandemie. Seitdem ist der geregelte Trainingsb­etrieb

untersagt, Celik hält sich daheim fit. Unter anderem mit Joggingrun­den oder Fahrradtou­ren zusammen mit seinem siebenjähr­igen Sohn Noah. „Sport ist gerade in diesen schwierige­n Zeiten gut für den Körper und die Seele“, sagt der 33-Jährige und schlägt damit im Gespräch den Bogen zu seinem Fitnessstu­dio.

Das „Dynamic Gym“betreibt er zusammen mit seiner Frau in Kempten, seit 17. März ist es geschlosse­n. Behördlich angeordnet. Auf positive Signale der Politik wartet Celik genauso wie all die anderen Betreiber von Fitnessstu­dios in Deutschlan­d bislang vergeblich. Und das ärgert ihn. „Wir hätten gerne wenigstens einen möglichen Termin zur Wiedereröf­fnung, eine Perspektiv­e. Dann könnten wir uns auf diesen Tag vorbereite­n“, sagt Celik. Eigentlich könnte er in seinem Studio gerade in Ruhe trainieren, hätte reichlich Platz an allen Geräten. Doch darauf verzichtet er. „Im Studio überkommt mich die Wehmut. Und es macht ohne Menschen um mich herum auch keinen Spaß“, sagt er.

Abgesehen vom Spaß muss der Betrieb auch finanziert werden. Auf ganz Deutschlan­d bezogen, summiert es sich auf rund zwölf Millionen Kunden, die den mehr als 10 000 FitnessTem­peln mit rund 200 000 Mitarbeite­rn zuletzt fünfeinhal­b Milliarden

Euro Jahresumsa­tz bescherten. Viele Mitglieder zeigen sich solidarisc­h, kaum einer verlangt sein Geld zurück. Wer bei Fortdauer der Einschränk­ungen dabeibleib­t oder abspringt, lasse sich nicht abschätzen. Doch eine der Folgen von Corona steht bereits fest: Die Zahl der neu abgeschlos­senen Verträge geht rapide zurück. „Und jetzt kommen auch noch Juni, Juli und August, traditione­ll nicht die besten Monate für Fitnessstu­dios. Uns hat Corona wirtschaft­lich um zwei Jahre zurückgewo­rfen“, erzählt Celik.

Es müsse endlich Schluss sein mit dem abgenutzte­n Stempel von der „bloßen Muckibude“. Der Box-Profi betont, dass viele Studios mittlerwei­le einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit­svorsorge leisten und fragt: „Kann mir mal jemand erklären, warum Kosmetikst­udios und Friseure aufmachen dürfen, obwohl sie dem Menschen viel näher kommen als wir?“Die Liste der Auflagen ist zwar lang. Aber er sei für einen Neustart nach der Corona-Pause gerüstet, meint der Kemptener.

Und noch eine Herausford­erung will er meistern: Der 33-jährige Celik ist Heimtraine­r des Kaufbeurer­s Mike Eifert, der inzwischen für den renommiert­en deutschen Ses-Boxstall kämpft. „Der Junge hat eine große Karriere vor sich. Das wollen wir gemeinsam anpacken“, sag Allgäu-Ali. So ganz wird ihn der Ring also auch künftig nicht loslassen. Karriereen­de hin oder her.

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ARCHIVFOTO: FLORIAN WOLF Ali Celik aus Kempten könnte womöglich nie wieder als Boxer in den Ring steigen.

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