Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Macht Allgäu-Ali für immer Schluss?
Der Kemptener Profi Ali Celik spricht offen über ein mögliches Karriereende
KEMPTEN - „Vielleicht steige ich nie wieder in den Ring.“Bumm, das sitzt. Für die Fans des Profi-Boxers Ali Celik mögen sich diese Worte des Kempteners anfühlen wie ein schmerzhafter Wirkungstreffer. Der 33-Jährige ist in den vergangenen Wochen nachdenklich geworden. Sport verboten, ein nächster Kampf nicht in Aussicht, das eigene Fitnessstudio schon seit Mitte März geschlossen. „Ich habe stattdessen viel Zeit mit meiner Frau und den Kindern verbracht. Das war schön. Und mir wurde dabei bewusst, dass mir meine Gesundheit und meine Familie einfach wichtiger sind als ein Titel“, erzählt Celik, der als amtierender deutscher Meister im Halbmittelgewicht vor allem in der Vorbereitungszeit viel entbehren musste. Seiner Familie ging es ebenso. Selbst im gemeinsamen Urlaub drehte sich vieles um Kraft und Ausdauer.
Celiks Bilanz ist tadellos. Von neun Kämpfen als Profi hat er neun gewonnen, sechs sogar vorzeitig. Sein letztes Duell bestritt der Kemptener im September. Seitdem ist einiges passiert. Celik und seine Frau Elena haben vor einem halben Jahr noch einmal Nachwuchs bekommen, das dritte Kind. „Da wird’s dir daheim nicht langweilig“, sagt er lachend. Die Planungen des nächsten Kampfes mussten zunächst einmal hintanstehen. Und dann kam die Corona-Pandemie. Seitdem ist der geregelte Trainingsbetrieb
untersagt, Celik hält sich daheim fit. Unter anderem mit Joggingrunden oder Fahrradtouren zusammen mit seinem siebenjährigen Sohn Noah. „Sport ist gerade in diesen schwierigen Zeiten gut für den Körper und die Seele“, sagt der 33-Jährige und schlägt damit im Gespräch den Bogen zu seinem Fitnessstudio.
Das „Dynamic Gym“betreibt er zusammen mit seiner Frau in Kempten, seit 17. März ist es geschlossen. Behördlich angeordnet. Auf positive Signale der Politik wartet Celik genauso wie all die anderen Betreiber von Fitnessstudios in Deutschland bislang vergeblich. Und das ärgert ihn. „Wir hätten gerne wenigstens einen möglichen Termin zur Wiedereröffnung, eine Perspektive. Dann könnten wir uns auf diesen Tag vorbereiten“, sagt Celik. Eigentlich könnte er in seinem Studio gerade in Ruhe trainieren, hätte reichlich Platz an allen Geräten. Doch darauf verzichtet er. „Im Studio überkommt mich die Wehmut. Und es macht ohne Menschen um mich herum auch keinen Spaß“, sagt er.
Abgesehen vom Spaß muss der Betrieb auch finanziert werden. Auf ganz Deutschland bezogen, summiert es sich auf rund zwölf Millionen Kunden, die den mehr als 10 000 FitnessTempeln mit rund 200 000 Mitarbeitern zuletzt fünfeinhalb Milliarden
Euro Jahresumsatz bescherten. Viele Mitglieder zeigen sich solidarisch, kaum einer verlangt sein Geld zurück. Wer bei Fortdauer der Einschränkungen dabeibleibt oder abspringt, lasse sich nicht abschätzen. Doch eine der Folgen von Corona steht bereits fest: Die Zahl der neu abgeschlossenen Verträge geht rapide zurück. „Und jetzt kommen auch noch Juni, Juli und August, traditionell nicht die besten Monate für Fitnessstudios. Uns hat Corona wirtschaftlich um zwei Jahre zurückgeworfen“, erzählt Celik.
Es müsse endlich Schluss sein mit dem abgenutzten Stempel von der „bloßen Muckibude“. Der Box-Profi betont, dass viele Studios mittlerweile einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge leisten und fragt: „Kann mir mal jemand erklären, warum Kosmetikstudios und Friseure aufmachen dürfen, obwohl sie dem Menschen viel näher kommen als wir?“Die Liste der Auflagen ist zwar lang. Aber er sei für einen Neustart nach der Corona-Pause gerüstet, meint der Kemptener.
Und noch eine Herausforderung will er meistern: Der 33-jährige Celik ist Heimtrainer des Kaufbeurers Mike Eifert, der inzwischen für den renommierten deutschen Ses-Boxstall kämpft. „Der Junge hat eine große Karriere vor sich. Das wollen wir gemeinsam anpacken“, sag Allgäu-Ali. So ganz wird ihn der Ring also auch künftig nicht loslassen. Karriereende hin oder her.