Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Augsburgs Riesenschritt zum Klassenerhalt
Die Schwaben feiern auf Schalke einen 3:0-Sieg und stürzen die Königsblauen in die Krise
GELSENKIRCHEN (SID/dpa) - Heiko Herrlich setzte nach seinem Siegesschrei ein Zahnpasta-Lächeln auf, seine Mund-Nasen-Maske trug er wie eine Kapitänsbinde am Oberarm. David Wagner hingegen zog sich seinen königsblauen Stoffschutz äußerst mürrisch vors Gesicht – das 3:0 (1:0) des topmotivierten FC Augsburg bei den schlaffen Derby-Verlierern von Schalke 04 war an den Gesichtern der beiden Trainer abzulesen.
Für Herrlich war der Auswärtssieg bei seinem verspäteten Debüt eine Befreiung vom Druck und Spott nach der Einkaufsaffäre. „Ich bin total glücklich“, sagte er. „Wir feiern still, weil wir wenig Zeit haben. Aber der Turnaround ist erst mal geschafft.“Vier Spiele hatte der FCA zuvor in Serie verloren. Wagner wird sich hingegen unangenehmen Fragen stellen müssen: Die Schalker stehen nach dem Neustart bei 0:7 Toren und null Punkten, sie sind zudem erstmals seit 20 Jahren neun Spiele lang ohne Sieg. Die guten Leistungen der Hinrunde sind ferne Vergangenheit.
Umso mehr verwunderte Wagners Einschätzung. „Die erste Halbzeit war in Ordnung. Es hat extremst doof begonnen. Wir hatten uns wahnsinnig viel vorgenommen“, sagte er. Das 0:1 fiel allerdings schon in der sechsten Minute durch einen tollen Freistoß von Eduard Löwen. Und danach? Kam fast nichts. „Wir haben unsere Dominanz zu wenig genutzt, obwohl es eigentlich ein Spiel war, wie es uns entspricht“, fand Wagner. Doch Torchancen gab es mit einer Ausnahme keine. Ein Aufbäumen nach dem 0:4 bei Borussia Dortmund vergangene Woche war nicht zu sehen.
Die Augsburger Noah Sarenren Bazee (76.) und Sergio Cordova (90.+1) nutzten in der Schlussphase die nachlässige Defensivarbeit der Gastgeber, die in der Rückrundentabelle nur 16. sind. Für die hochverschuldeten Königsblauen, die wegen der CoronaKrise finanziell unter Druck stehen, wird die Rückrunde vor Geisterkulisse immer gruseliger: In den erwähnten neun Spielen stehen 2:22 Tore zu Buche, die angestrebte Rückkehr in den Europapokal wird immer unwahrscheinlicher.
Herrlich dagegen sah 75 Tage nach seiner Amtsübernahme einen Start nach Maß: Löwen zirkelte einen Freistoß aus 20 Metern über die Mauer. Der Schalker Weston McKennie hatte die erste Augsburger Offensivaktion eingeleitet, indem er den Ball in der eigenen Hälfte vertändelte.
Nach dem frühen 0:1 war die Verunsicherung der Schalker spürbar, die Fehlpässe im Aufbau häuften sich. Für die erste Torannäherung sorgte Rabbi Matondo (28.), der nach einem Sololauf am Torhüter scheiterte.
Auch nach der Pause fand Schalke zunächst kein Rezept gegen die Augsburger Defensive, zu ungenau waren die Pässe, zu ideenlos die Offensivbemühungen. Die Gäste waren erneut mit einem Freistoß gefährlich: Philipp Max scheiterte aber an Schubert (69.). Die Schalker wurden noch fahriger, die Gäste nutzten es aus.
„Wir hatten es satt, so viele Spiele verloren zu haben“, sagte Torschütze Löwen. „Wir sind extrem glücklich. Gerade heute mussten wir uns einfach belohnen.“Offensivkollege Florian Niederlechner schwärmte über „ein richtig geiles Spiel“und ergänzte bei DAZN: „Das schmeckt richtig gut. Das war eine lange Durststrecke.“Neun Punkte Vorsprung haben die Augsburger auf den Liga 17. Bremen, sechs Zähler auf den Relegationsplatz.