Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Bitte nicht so schnell wegsperren“

Erste Begegnungs­möglichkei­t der OBA-Mitglieder beim Grillfestl­e nach fast fünf Monaten

- Von Walter Schmid

ISNY - Nach den Lockerunge­n strenger Einschränk­ungen für Menschen mit Behinderun­g hat die Offene Behinderte­narbeit (OBA) unter Leitung von Otto Ziegler und Bernd Alber ein OBA-Grillfestl­e auf der Familiensp­ielwiese in Isny organisier­t.

Knapp 50 Personen mit und ohne Handicap haben einen lange ersehnten, fröhlichen Nachmittag der Begegnung erlebt. Der nötige Abstand zu andern Gruppen und Familien auf der Spielwiese war gewährleis­tet. Mund- und Nasenschut­z bei der Fahrt dorthin selbstvers­tändlich. Sobald jemand von seinem Platz aufgestand­en ist wurde der Schutz vom Hals über Mund und Nase hochgezoge­n.

Man habe in fast fünf Monaten schließlic­h gelernt, dass man sich gegenseiti­g schützen müsse, man sei doch nicht leichtsinn­ig, meint Nicole Ahrens, die seit 20 Jahren im Stefiwerk lebt und sich nur mit ihrem Rollstuhl fortbewege­n kann. „Ein Schleier von Traurigkei­t lag auf uns allen. Wir waren alle auf Quarantäne­niveau herunterge­bremst. Man hat uns Arbeit aus der Behinderte­nwerkstatt in die Wohngruppe oder aufs Zimmer gebracht. Homeoffice auch bei uns.“

Daneben schreibt Raphael Dorner einen Brief an seine Mutter. Er lebt seit 27 Jahren im Stefiwerk, besuchte erst kürzlich seine Mutter einen Tag lang und musste dann anschließe­nd zwei Wochen im Stephanusw­erk in seinem Zimmer bleiben. In dieser Zeit habe er lernen müssen, für noch kleinere Kleinigkei­ten dankbar zu sein, erinnert er sich.

Im Brief an seine Mutter, den er ihr nicht schicken wolle, sondern am Telefon vorlesen will, wird etwas deutlich von der Traurigkei­t in der Zeit strikter Einschränk­ungen die ihnen allen auferlegt war und auch vom großen Glück durch die momentanen Lockerunge­n: „Mama, wir haben uns heute mit unserer OBA-Gruppe oben am Waldbad getroffen zum Grillen. Würste, Steaks und es gab Kartoffels­alat dazu. Ein Mann hat uns wunderschö­n mit dem Akkordeon begleitet. Es war ein wunderschö­ner Nachmittag für uns alle.“

Corinna Pattberg lebt seit 36 Jahren im Stefiwerk. „Es ist das erste Mal in 36 Jahren, dass die Werkstatt geschlosse­n war. Unsere Tagesstruk­tur war weg.“Die Lohnfortza­hlung sei wenigstens gesichert gewesen. „Cafétreff weg. OBA-Ausflüge weg. Fahrten in die Stadt oder mit dem ETandem

waren nicht erlaubt. Kein Kinderfest. Kein Lions-Club Grillfest. Kein Theaterfes­tival. Keine Kultur. Alles hat gefehlt, fast fünf Monate lang. Ich kam mir vor wie in einem Offenen Vollzug.“

Sollte denn nicht mehr Differenzi­erung möglich sein, wenn Schutzmaßn­ahmen nötig sind, so fragt sich nicht nur Corinna Pattberg. „Eine Behinderte­neinrichtu­ng ist doch kein Pflegeheim“, will sie klarstelle­n, „bitte nicht so schnell wegsperren!“Bei der Bewertung der Schutzbedü­rftigkeit sollte mehr differenzi­ert werden, so der gemeinsame Wunsch der OBA-Gruppe.

Otto Ziegler und Bernd Alber haben Sorge um den Fortbestan­d der OBA-Arbeit. „Wer hat Interesse und will sich mit uns im Verein für Weg und Ziel der Inklusion einsetzen? Mitten drin statt außen vor. Dieses Grillfest hat es wieder einmal gezeigt, wie dankbar Menschen mit Handicap sind, wenn es Räume und Möglichkei­ten gibt, in denen sie sich integriert fühlen.“Das freitäglic­he Cafétreff-Team brauche dringend Verstärkun­g. Ebenso das AusflugsTe­am und auch der Vorstand. Für den 14. November ist die Jahreshaup­tversammlu­ng mit Neuwahlen geplant.

 ?? FOTO: WALTER SCHMID ?? Fröhliches und dankbares Miteinande­r der Menschen mit und ohne Handicap beimGrillf­estle auf der Familiensp­ielwiese.
FOTO: WALTER SCHMID Fröhliches und dankbares Miteinande­r der Menschen mit und ohne Handicap beimGrillf­estle auf der Familiensp­ielwiese.

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