Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Bitte nicht so schnell wegsperren“
Erste Begegnungsmöglichkeit der OBA-Mitglieder beim Grillfestle nach fast fünf Monaten
ISNY - Nach den Lockerungen strenger Einschränkungen für Menschen mit Behinderung hat die Offene Behindertenarbeit (OBA) unter Leitung von Otto Ziegler und Bernd Alber ein OBA-Grillfestle auf der Familienspielwiese in Isny organisiert.
Knapp 50 Personen mit und ohne Handicap haben einen lange ersehnten, fröhlichen Nachmittag der Begegnung erlebt. Der nötige Abstand zu andern Gruppen und Familien auf der Spielwiese war gewährleistet. Mund- und Nasenschutz bei der Fahrt dorthin selbstverständlich. Sobald jemand von seinem Platz aufgestanden ist wurde der Schutz vom Hals über Mund und Nase hochgezogen.
Man habe in fast fünf Monaten schließlich gelernt, dass man sich gegenseitig schützen müsse, man sei doch nicht leichtsinnig, meint Nicole Ahrens, die seit 20 Jahren im Stefiwerk lebt und sich nur mit ihrem Rollstuhl fortbewegen kann. „Ein Schleier von Traurigkeit lag auf uns allen. Wir waren alle auf Quarantäneniveau heruntergebremst. Man hat uns Arbeit aus der Behindertenwerkstatt in die Wohngruppe oder aufs Zimmer gebracht. Homeoffice auch bei uns.“
Daneben schreibt Raphael Dorner einen Brief an seine Mutter. Er lebt seit 27 Jahren im Stefiwerk, besuchte erst kürzlich seine Mutter einen Tag lang und musste dann anschließend zwei Wochen im Stephanuswerk in seinem Zimmer bleiben. In dieser Zeit habe er lernen müssen, für noch kleinere Kleinigkeiten dankbar zu sein, erinnert er sich.
Im Brief an seine Mutter, den er ihr nicht schicken wolle, sondern am Telefon vorlesen will, wird etwas deutlich von der Traurigkeit in der Zeit strikter Einschränkungen die ihnen allen auferlegt war und auch vom großen Glück durch die momentanen Lockerungen: „Mama, wir haben uns heute mit unserer OBA-Gruppe oben am Waldbad getroffen zum Grillen. Würste, Steaks und es gab Kartoffelsalat dazu. Ein Mann hat uns wunderschön mit dem Akkordeon begleitet. Es war ein wunderschöner Nachmittag für uns alle.“
Corinna Pattberg lebt seit 36 Jahren im Stefiwerk. „Es ist das erste Mal in 36 Jahren, dass die Werkstatt geschlossen war. Unsere Tagesstruktur war weg.“Die Lohnfortzahlung sei wenigstens gesichert gewesen. „Cafétreff weg. OBA-Ausflüge weg. Fahrten in die Stadt oder mit dem ETandem
waren nicht erlaubt. Kein Kinderfest. Kein Lions-Club Grillfest. Kein Theaterfestival. Keine Kultur. Alles hat gefehlt, fast fünf Monate lang. Ich kam mir vor wie in einem Offenen Vollzug.“
Sollte denn nicht mehr Differenzierung möglich sein, wenn Schutzmaßnahmen nötig sind, so fragt sich nicht nur Corinna Pattberg. „Eine Behinderteneinrichtung ist doch kein Pflegeheim“, will sie klarstellen, „bitte nicht so schnell wegsperren!“Bei der Bewertung der Schutzbedürftigkeit sollte mehr differenziert werden, so der gemeinsame Wunsch der OBA-Gruppe.
Otto Ziegler und Bernd Alber haben Sorge um den Fortbestand der OBA-Arbeit. „Wer hat Interesse und will sich mit uns im Verein für Weg und Ziel der Inklusion einsetzen? Mitten drin statt außen vor. Dieses Grillfest hat es wieder einmal gezeigt, wie dankbar Menschen mit Handicap sind, wenn es Räume und Möglichkeiten gibt, in denen sie sich integriert fühlen.“Das freitägliche Cafétreff-Team brauche dringend Verstärkung. Ebenso das AusflugsTeam und auch der Vorstand. Für den 14. November ist die Jahreshauptversammlung mit Neuwahlen geplant.