Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ein Baudenkmal verschwind­et aus Baienfurt

Der Fachwerk-Getreidesi­lo ist ein historisch­er Hingucker, aber „nicht mehr zu retten“

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BAIENFURT (knf/sz) - Baienfurt verliert ein ortsprägen­des Gebäude und ein Baudenkmal: Der Fachwerk-Silo im Ortskern, Teil der historisch­en Mühle an der Wolfegger Ach, wird abgerissen. Trotz Denkmalsch­utz wird der baufällige Silo verschwind­en. Das sind die Hintergrün­de.

Das Holz ist morsch, Würmer und Feuchtigke­it haben dem Fachwerkba­u zugesetzt: So beschreibt Besitzer Ulrich Mützel den Zustand des Silos. „Eine Fachfrau hat das Gebäude untersucht, und dabei kam heraus, dass noch mehr Schäden vorliegen als wir annahmen“, berichtet Mützel. Seine Fazit: „Das Gebäude ist nicht mehr zu retten.“

Zumindest nicht von ihm als Privatbesi­tzer und unter den Auflagen des Denkmalsch­utzes. „Das wäre wirtschaft­lich nicht zumutbar“, sagt er. Denn der Silo, der jahrzehnte­lang zur Lagerung von Getreide diente, steht leer und eignet sich nicht für eine Nutzung zu anderen Zwecken.

So rücken nun die Bagger an und reißen das Baudenkmal ab. Nicht nur zum Leidwesen so mancher Baienfurte­r, die den ortsbildpr­ägenden Bau vermissen werden – auch Ulrich Mützel ist „nicht begeistert“. Immerhin

habe er 30 Jahre lang darin gearbeitet, wie der Müllermeis­ter sagt.

Der Silo wurde 1949 von seinem Vater Karl Mützel erbaut und ist bis zum Giebel 19 Meter hoch. In seinem Inneren sind rechteckig­e Zellen aus Holz eingebaut, die jeweils rund 50 Tonnen Getreide fassen. Bei voller Belegung ein Vorrat von 1200 Tonnen Getreide. Der Silo gehört zur

Mühle an der Wolfegger Ach. Der damalige Teilhaber und spätere Besitzer Karl Mützel vergrößert­e damit die Lagerkapaz­ität und sah die Chance, eine bessere Position im Wettbewerb zu erlangen, da viele andere Mühlen zerbombt waren. Bis dahin lagerte die Mühle das angeliefer­te Getreide in Doppelzent­ner-Säcken aus Jute in einem Schuppen und ließ diese von entspreche­nd trainierte­n Männern ab- und umladen, verstauen und zur Mühle bringen.

Bereits im Jahr 1275 wurde die Mühle an der Wolfegger Ach das erste Mal urkundlich erwähnt. Das Gebäude, wie es heute steht, wurde Anfang der 1930er-Jahre gebaut, nachdem ein Feuer die vorige Mühle zerstört hatte. In den 50er-Jahren wurde nochmals umgebaut. Im Jahr 2005 wurde die Mühle vom Land als Kulturdenk­mal eingestuft. 2013 stellte sie ihren Betrieb ein.

Nun fällt der Silo, doch die Mühle mit ihrer alten Technik bleibt unter Denkmalsch­utz erhalten und wird bei Bedarf dem Kulturvere­in Manufaktur als Bühne und Aufführung­sraum dienen. Auch das E-Werk, das schon seit 1905 die damals viel kleinere Gemeinde komplett mit Elektrizit­ät versorgen konnte, liefert weiterhin Strom in die öffentlich­en Netze. Anstelle des Silos wird nach aktuellen Plänen kein neues Gebäude entstehen, „der Platz bleibt leer“, wie Eigentümer Ulrich Mützel sagt.

Die Getreidemü­hle in Baienfurt wird auch als Staelin’sche Kunstmühle bezeichnet. Das liegt daran, dass der einstige Besitzer Adolf Staelin eine neue Technik einführte: Die alten Mühlen arbeiteten mit Mahlsteine­n, die über das Mühlrad durch Wasserkraf­t gedreht wurden und dann das Getreide zermahlten.

Staelin ersetzte die Mühlsteine durch Walzen und betrieb das Mühlrad mit Strom, der über Turbinen am Mühlkanal gewonnen wurde. Diese neuartigen, künstlich und nicht direkt mit natürliche­r Wasserkraf­t betriebene­n Getreidemü­hlen nannten man dann Kunstmühle­n.

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FOTOS: JÜRGEN SEILS In dem Fachwerk-Silo wurde jahrzehnte­lang Getreide gelagert. Nun wird er abgerissen. Das Foto rechts zeigt denBlick vom Baienfurte­r Ärztehaus zur Mühle und zum Silo.
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Mühlenbesi­tzer Ulrich Mützel auf der obersten Etage des Silos.

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