Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Ex-Fußballer Berthold geht unter die „Querdenker“
Erneut Proteste gegen Corona-Maßnahmen in Stuttgart – Kabarettist Schroeder provoziert Buhrufe
STUTTGART (dpa/SID) - Mit einem Redebeitrag auf einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Stuttgart hat Fußballweltmeister Thomas Berthold kontroverse Reaktionen ausgelöst. Der 55 Jahre alte frühere Fußballprofi sprach am Samstag bei der Abschlusskundgebung der „Querdenken“-Demo.
Sein Vertrauen in die politische Führung sei „unter null angekommen“, so Berthold. „Weil wir hier mit Spekulationen von ein, zwei Wissenschaftlern oder Vertretern des RKI besudelt werden und unser Leben eingeschränkt wird. Ich möchte, dass wir unser altes Leben zurückbekommen“, rief er den Zuhörern entgegen: „Jeder von euch kann selbst entscheiden, ob er eine Maske aufzieht oder die Maske zu Hause lässt.“
Berthold schien sich in seiner neuen Rolle zu gefallen. Mit ausgebreiteten Armen und dem VictoryZeichen verabschiedete er sich von den johlenden Zuschauern und verließ die Bühne. Er habe sich bewusst für den Schritt in die Öffentlichkeit entschieden, sagte Berthold dem SportInformations-Dienst SID nun, Deutschland werde „zurzeit quasi von einer Einheitspartei regiert, die das Parlament außer Kraft gesetzt hat. Die anderen Parteien scheinen sich zu verstecken. Wir brauchen mehr Leute mit Format, die öffentlich ihre Meinung sagen“. Gegen Kritik verteidigte sich Berthold in der
„Bild am Sonntag“: „Ich mache mich weder mit Verschwörungstheoretikern noch mit Rechtspopulisten gemein, habe nur meine Meinung über die Maßnahmen der Regierung gesagt.“Der dpa sagte er, „es war eine Herzensangelegenheit für mich, diese Plattform zu nutzen und Dinge zu sagen, die mir seit Längerem durch den Kopf gehen“. Sollte seine öffentliche Positionierung berufliche Konsequenzen haben, sei ihm dies egal.
Der 55-Jährige hatte in seiner aktiven Karriere unter anderem für Eintracht Frankfurt, den FC Bayern München und den VfB Stuttgart gespielt. Als Verteidiger absolvierte er 62 Länderspiele, 1990 wurde er mit der deutschen Nationalmannschaft Weltmeister in Italien.
Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter rief Bertholds Auftritt unter #Berthold unterschiedliche Reaktionen hervor. In zahlreichen Tweets wurde ihm vorgeworfen, gegen jede Vernunft zu sprechen. „Er will seine Freiheit zurück?! Er kann reisen, sich draußen frei bewegen & soll nur allg. Hygienemaßnahmen beachten. Wer dazu nicht bereit ist, ist entweder dumm u/o äußerst egoistisch“, schrieb „Harvest Helper“in einem Tweet. „Frau Nulleberg“fragte: „Woher kommt nur dieses Bedürfnis, auf jeden Prominenten, der auch nur ein bisschen von der Mainstreammeinung abweicht, im Akkord einzuprügeln? Die eigene Unsicherheit?“
„Dennis.“schrieb: „Natürlich quatscht Berthold unfassbaren Unfug. Aber man muss bedenken: Das ist okay. Denn: Er darf das. Das ist Demokratie und Rede- sowie Meinungsfreiheit. Also der beste Beweis dafür, dass es genau das hierzulande gibt, wovon diese Leute behaupten, dass es das eben nicht gibt!“
Kabarettist Florian Schroeder hielt den Zuhörern bei einem Auftritt während der Kundgebung entgegen: „Ich bin der Auffassung, dass Corona eine hochgefährliche, ansteckende Krankheit ist, und ich bin der Überzeugung, dass Maskentragen und Abstand halten das Wichtigste und Beste ist, was wir in diesen Tagen tun können.“Dafür erntete er Buhrufe. „Wenn Ihr für Meinungsfreiheit seid, müsst Ihr meine Meinung aushalten“, sagte Schroeder und twitterte: „Ich habe heute den Querdenkern in Stuttgart einen kleinen Besuch abgestattet und mal die Grenzen ihrer Meinungsfreiheit ausgetestet.“
Die Veranstalter von „Querdenken 711“kündigten an, am 29. August wieder in Berlin zu demonstrieren und luden dazu auch den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) ein. Am Sonntag kündigte Berthold für diese Demo einen weiteren öffentlichen Auftritt an.