Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Kultur im Kleinen kommt groß raus

Das Duo „Die Stangenboh­nen Partei“gastiert bei Sommerkult­ur im Brauereiho­f Härle

- Von Babette Caesar

LEUTKIRCH - Was braucht der kulturell interessie­rte Mensch in CoronaZeit­en mehr als eine Bühne unter freiem Himmel und im Falle des Duos „Die Stangenboh­nen Partei“hinreißend­e Musik als grenzenlos schönen Stilmix. Serena Engel und Jared Rust aus Kißlegg waren die dritten in der Runde „Bierkultur Hoch Vier. Solidaritä­t und Kunstgenus­s“, die am Samstagabe­nd live in der Brauerei Härle auftreten durften. Ausverkauf­t war mit rund 60 Gästen auch dieses Konzert, das speziell Künstlerin­nen und Künstlern aus der Region zugute kommt.

Zum Auftakt und zum Eingewöhne­n eine frisch gezupfte Karotte mitsamt Kraut. Verteilt von Cellistin und Sängerin Serena Engel an die Gäste, die auch sogleich die duftende Biodelikat­esse verspeiste­n und den Strunk ordentlich auf dem Boden ablegten. Viele bekannte Gesichter machte Gottfried Härle im Publikum aus. Waren sie doch seit Beginn der Kulturreih­e mehrfach im Brauereiho­f. „Die Sommerkult­ur scheint gut anzukommen“, resümierte Härle mit Verweis darauf, dass sämtliche Eintritte an die Künstler gehen.

Für die „String Bean Party“ist es der erste Auftritt überhaupt in der

Brauerei, wo sie in dem Fall Outdoor ihr nahezu unüberscha­ubares Equipment installier­t hatten. Insbesonde­re dasjenige von Jared Rust sticht dabei ins Auge, wenn er abwechseln­d und immer wieder auch zeitgleich zur Gitarre und Ukulele greift, die Fußschelle­n rasseln, die Triangel klingelt oder er sich die Halterung für ein Pfeifenins­trument um den Hals legt. Es ist nicht wirklich ausschlagg­ebend, all dies exakt benennen zu können. Es reicht schon allein die Wahrnehmun­g eines Multiinstr­umentalist­en, der zudem auch über einen satten Bariton verfügt. „Ich bin schon etwas verschämt, amerikanis­ch zu sein. Doch das Gute ist, jetzt bin ich deutsch. Das war aber auch schon vor Trump so“, wandte er sich lachend an das Publikum.

Kennengele­rnt haben er und die Australier­in Engel sich in Taiwan während eines Musikfesti­vals. Seit rund vier Jahren leben sie in Kißlegg auf einem Bauernhof, wo sie vor allem frisches Gemüse „gärtnern“und das, was über den Eigenbedar­f hinausgeht, an Vorbeikomm­ende verschenke­n. Nach dem Motto, jeder Mensch hat ein Recht auf bedingungs­lose Grundnahru­ng. So locker und lässig handhaben sie auch ihre Musik und ihren Dialog mit den Gästen. Beeindruck­end ist Engels heller, klarer und filigran wirkender Sopran, der um seine Leuchtkraf­t kein großes Aufheben macht. Der aus ihrem Stimmorgan unvermitte­lt heraus zu fließen scheint, während sie die fünf ungewohnt tief klingenden Cellosaite­n zupft und streicht.

Ihr Liedrepert­oire ist, mit Ausreißern beispielsw­eise hin zu Queens

„Bring back that Leroy Brown“, ein selbst komponiert­es, das sich zwischen Jazz und Blues, Folk, Swing, Country-Western, Klezmeranl­eihen und exaltierte­n Jodlern bewegt. Und das keineswegs, wie sich vermuten ließe, in geordneten Bahnen, sondern als überrasche­nder Stilmix innerhalb eines Liedes. In „Feel so romantic, my Valentine“glaubt man sich gerade noch sicher, schon quietscht und trötet es aus Richtung Rust, geht das vermeintli­che Chaos mit ihnen durch und sind sie nicht mehr unter einen Hut zu bringen.

Oder eben doch, denn es ihre Besonderhe­it, wenn Engel plötzlich mit einem ausgewachs­enen Blaukraut am Rampenrand steht und es einer fangbereit­en Zuschaueri­n entgegenwi­rft. „Ein Ländler, oder heißt das auf bayrisch doch Landler ohne Umlaut, extra für euch“, für den Jared die Gitarrensa­iten quer auf den Oberschenk­eln liegend spielt, macht Lust auf noch viel mehr.

Auf einen satten Blues als Hommage an „Wurzeln und Sprössling­e“oder an „Mrs. Brown“, die zwei Männern ihr Land verkauft, auf dem diese alles zubetonier­en und eine Shopping Mall errichten. „Gold in the Milk and Diamonds in the Sugar“ist eine klare Ansage in Richtung Ökologie, die das Duo ebenso gut beherrscht wie das Erzählen von Geschichte­n, in denen sie sich wortspiele­risch gegenseiti­g veräppeln. Einen äußerst entspannen­den Abend bot sich dem Publikum, an dem auch Corona nicht zu kurz kam, denn statt mitsingen lieber mitschnipp­en, ist das doch absolut aerosolfre­i.

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FOTO: CAESAR Serena Engel (rechts) und Jared Rust auf der Bühne im Brauereiho­f.

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