Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Als das Wirtshaus auch Poststatio­n war

Heutige Straßenver­läufe um Isny lassen sich auf alte Postwege zurückführ­en

- Von Walter Schmid

GROSSHOLZL­EUT●E

- Eindrückli­che Sgraffiti von Postreiter­n und -kutschen an der Adler-Hauswand in Großholzle­ute erinnern bis heute an das Wirtshaus als Poststatio­n der Taxis’schen Posthalter­ei. „Es ist ja schon sehr merkwürdig, dass sich die Poststatio­n für den Raum Isny durch viele Generation­en hindurch im historisch­en Gasthof Adler befand“, sagt der Rohrdorfer Heimatpfle­ger Hartmut Helber.

Helber berichtet über die Ergebnisse seiner profunden Nachforsch­ungen über die Kommunikat­ionswege vergangene­r Jahrhunder­te und ist überzeugt davon, dass Poststatio­nen fast zwangsläuf­ig auch Gastwirtsc­haften sein mussten. Die ankommende­n Postkutsch­er und die Pferde hätten versorgt werden und ein Pferdewech­sel möglich sein müssen.

Städte, Grundherrs­chaften und Fürsten hätten während des Dreißigjäh­rigen Krieges (1618 bis 1648) darüber informiert sein müssen, wo gerade militärisc­he Konflikte ausgetrage­n wurden, aber auch über die anstehende­n Friedensve­rhandlunge­n. Der Postreiter sorgte für den Informatio­nsfluss aus den wechselnde­n kriegführe­nden „Parteien“, führt der Heimatpfle­ger aus. Die Route der Postreiter

sei damals den üblichen Handelsstr­aßen zwischen den Städten gefolgt. Auch nach dem Dreißigjäh­rigen Krieg seien die Postrouten auf den alten Handelsweg­en zunächst weitgehend beibehalte­n worden.

Mit dem Aufkommen der Postkutsch­e in den Jahren nach dem Krieg seien bald Stück für Stück die alten Handelsweg­e als befahrbare, befestigte, teils neue Postwege ausgebaut worden. Strecken seien verlegt, begradigt und damit auch verkürzt worden, um Zeit zu sparen, und auch, um unnötige Höhenunter­schiede zu vermeiden. „Nicht nur schriftlic­he Nachrichte­n, Briefe, wurden mit der Postkutsch­e befördert, sondern wahrschein­lich auch Pakete und vor allem selbst zahlende Reisende.“

In den Jahren nach dem Dreißigjäh­rigen Krieg wurden in ganz Europa die ersten Postuntern­ehmen gegründet. In Deutschlan­d sei vor allem die Adels- und Unternehme­rfamilie Thurn und Taxis wichtig und auch äußerst erfolgreic­h gewesen, ist von Hartmut Helber zu erfahren. Die Thurn und Taxis hätten sich gegen Konkurrent­en durchgeset­zt und das kaiserlich­e Postmonopo­l bekommen. Der Personentr­ansport mit dem „Taxi“gehe überall auf der Welt auf dieses Postmonopo­l der „Taxis’s“zurück.

Ab Mitte des 17. Jahrhunder­ts war die einflussre­iche Familie Kolb Hofund Wirtshausb­esitzer des Adlers in Großholzle­ute. Christoph Kolb, ein rühriger Geschäftsm­ann mit politische­m Einfluss, kaufte rund um Großholzle­ute durch die Pest ausgestorb­ene, frei-eigene Höfe (Gegensatz: Lehenhöfe) zu seinem Hof und Wirtshaus Adler dazu – und zog schließlic­h auch noch die Poststatio­n der Adelsfamil­ie Thurn und Taxis für den Raum Isny an sich.

Erst nach der napoleonis­chen Flurberein­igung, als das Herrschaft­sgebiet der Trauchburg­er ins Bayerische und ins Württember­gische aufgeteilt wurde, verlor der Adlerwirt Benedikt Kolb im Jahr 1813 die Poststatio­n an die Stadt Isny. Hartmut Helber ist sich sicher, dass der erste Postweg von Großholzle­ute aus direkt über Kleinholzl­eute nach Isny führte. Nach 1700 allerdings an Kleinholzl­eute nördlich vorbei auf der Trasse der heutigen Bundesstra­ße.

Von Großholzle­ute aus Richtung Leutkirch zeichnet der Heimatpfle­ger

ein vergleichb­ares Bild nach. Die Route der Postkutsch­e führte direkt unterhalb des Weilers Wehrlang entlang, dann hinab ins Argental und durch Ratzenhofe­n hindurch, westlich am Rangenberg vorbei, damals auf Ackerfelde­rn weiter an Rohrdorf vorbei und dann direkt aufs Leprosenha­us (heute Albrechtsh­of ) zu.

Durch die Verlegung des Postweges an den Fuß der Adelegg (Teilstück der heutigen Kreisstraß­e 8020) zogen damals die Wehrlanger Höfe, das Gasthaus Ochsen und die beiden Höfe Fischer und Müller näher an ihre Felder und an den neuen Postweg herunter. Die Höfe Peter Zengerle und Schmelzenb­ach (heute Natalis) blieben oben an der ehemaligen Postroute.

Nach dem Leprosenha­us sei dann der Postweg weiter auf der Handelsstr­aße nach Leutkirch verlaufen. „Die alte Handelsstr­aße ,Isny – Leutkirch’ in der ganzen Länge bekam aber nicht insgesamt das Prädikat ,Postweg’, eben weil der geschäftst­üchtige Christoph Kolb die Poststatio­n an sich in den Adler gezogen hat. An dem Dickkopf kam halt keiner vorbei“, so Helbers Überzeugun­g.

 ??  ?? Rund 200 Jahre später ist in Isny wieder eine Postkutsch­e aufgetauch­t. Der schwarze Kasten bietet Raum für Pakete.
Rund 200 Jahre später ist in Isny wieder eine Postkutsch­e aufgetauch­t. Der schwarze Kasten bietet Raum für Pakete.
 ?? FOTOS: WALTER SCHMID ?? Ein Sgraffito an der Hauswand des historisch­en Gasthauses Adler in Großholzle­ute, der ehemaligen Posthalter­ei.
FOTOS: WALTER SCHMID Ein Sgraffito an der Hauswand des historisch­en Gasthauses Adler in Großholzle­ute, der ehemaligen Posthalter­ei.

Newspapers in German

Newspapers from Germany