Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Stadt pocht auf Planungssicherheit
Wifo hofft, dass der Ravensburger Christkindlesmarkt trotz Corona stattfinden kann
RAVENSBURG - Es wirkt etwas paradox: Großveranstaltungen sind zunächst bis Ende September verboten, aber der samstägliche Wochenmarkt in Ravensburg ist erlaubt, obwohl dort auch unzählige Menschen ohne Maske und ohne Abstand in der Innenstadt unterwegs sind. Aber wie sind der Martinimarkt im November oder der Christkindlesmarkt im Dezember zu bewerten? Noch steht nicht fest, ob beides stattfinden darf.
Während auf dem Wochenmarkt nur Nahrungsmittel verkauft werden, gibt es an den Ständen des Martinimarktes Gebrauchsgegenstände beziehungsweise Dekoartikel, und auf dem Christkindlesmarkt wird zusätzlich Alkohol ausgeschenkt. Ist ein kuscheliges Beieinanderstehen an kalten Winterabenden bei Glühwein und Punsch in Zeiten der CoronaPandemie denkbar? In der Landesregierung ist man darüber uneins. Während sich Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) durchaus vorstellen kann, Weihnachtsmärkte im Land unter bestimmten Umständen zu erlauben, ist Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) eher skeptisch. Beide Ministerien erarbeiten derzeit gemeinsam ein Konzept, unter welchen Bedingungen und Hygienevorschriften Weihnachtsmärkte eventuell denkbar wären. Bislang gilt nur die Vorschrift, dass bei Märkten in geschlossenen Räumen Maskenpflicht besteht. Aber sowohl Martinimarkt als auch Christkindlesmarkt spielen sich draußen ab.
Letzterer wird zum Teil von den Ravensburger Vereinen, zum Teil von professionellen Marktbeschickern bedient. Wäre es wenigstens denkbar, einen kleineren und kürzeren Markt nur mit den Vereinen zu organisieren, die auf die Einnahmen angewiesen sind, um ihre Budgets aufzubessern? „Ob und in welcher Form der Ravensburger Christkindlesmarkt in diesem Winter stattfinden kann, ist derzeit weiter ungewiss“, äußert sich Timo Hartmann von der Stadtverwaltung. Maßgeblich sei einzig die Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg, die die rechtlichen Rahmenbedingungen und Vorgaben zur Durchführung festlegt.
„Um Planungssicherheit für alle Beteiligten zu erhalten, würden wir uns eine zeitnahe Regelung beziehungsweise Vorgaben des Landes, ob und in welcher Form Weihnachtsmärkte dieses Jahr stattfinden können, wünschen“, so Hartmann. Denn auch die Standbetreiber müssten planen, wo sie in diesem Jahr eventuell verkaufen können, und ob überhaupt. „Auch in Sachen Martinimarkt haben wir noch keine Entscheidung getroffen und möchten in den nächsten Wochen die weitere Entwicklung abwarten.“
Für den Ravensburger Einzelhandel wäre es bitter, wenn der Christkindlesmarkt komplett ausfallen würde. Eugen Müller, Geschäftsführer des Wirtschaftsforums pro Ravensburg (Wifo), das unter anderem die Interessen der Händler vertritt, mag sich das gar nicht vorstellen. „Es wäre nachteilig für die Marktbeschicker, Imbissanbieter und Vereine, denn durch den Christkindlesmarkt wird dort ein bedeutender Teil des Jahresumsatzes erwirtschaftet.
Eine Absage wäre auch für Handel und Gastronomie in der Innenstadt schwierig, den er zieht viele Menschen in die Stadt, der Dezember ist erfahrungsgemäß in fast allen Branchen der umsatzstärkste Monat im
Jahr.“Müller hofft nach wie vor, dass der Christkindlesmarkt, wie auch immer, stattfinden könne. „Denn er schafft eine unverwechselbare Atmosphäre, die viele Menschen jedes Jahr neu begeistert.“Insgesamt habe sich die Lage des Einzelhandels seit der Wiedereröffnung nach dem Lockdown leicht entspannt. „Die Menschen kommen wieder in die Stadt, die Frequenz hat deutlich zugenommen, auch dank der vielen Urlauber, die derzeit am Bodensee und im Allgäu die Ferien verbringen“, so Müller.
Die Kauflust sei bei den Leuten aber immer noch verhalten, vor allem durch die Maskenpflicht. Trotz vielfältiger Anstrengungen der Geschäftsinhaber, um die Kunden immer wieder neu zu begeistern, lägen die Umsätze in einigen Branchen immer noch bei nur 70 bis 80 Prozent des Vorjahres. Müller: „Das ist auf Dauer nicht durchzuhalten.“Die Innenstädte würden auch ohne die Corona-Pandemie schon unter enormem Druck stehen: „Der Einzelhandel befindet sich in einem großen Strukturwandel, die Digitalisierung schreitet voran und nun auch noch Corona, das den Trend zum digitalen Konsum weiter anheizt.“