Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Der Blick geht wieder mal nach Berlin
Gesundheitsminister beraten – DFL hofft auf positives Signal für Fan-Rückkehr
FRANKFURT (SID/dpa) - Zumindest Jens Spahn hat die Deutsche Fußball Liga (DFL) schonmal als Unterstützer gewonnen. Das Lob des Bundesgesundheitsministers für das Konzept einer möglichen Wiederzulassung von Zuschauern dürfte DFLBoss Christian Seifert runtergegangen sein wie Öl – schließlich hatte es zuletzt kaum noch Mutmacher aus der Politik für ein baldiges Ende der Geisterspiele gegeben. Umso mehr hoffen Seifert und Co., dass auch Spahns Kollegen aus den Bundesländern am Montag ein positives Signal senden. Denn wenn die Gesundheitsminister der Länder am Nachmittag konferieren, ist auch die Rückkehr von Fans in die Fußballstadien ein Thema. Mit Entscheidungen oder bereits festen Vorgaben ist zwar kaum zu rechnen, doch zumindest könnten die Minister eine Richtung für die laufende Debatte vorgeben.
Fakt ist: Großveranstaltungen sind bundesweit noch bis Ende Oktober untersagt, auch wenn die Bundesländer dies unterschiedlich interpretieren. Da schon zum Saisonstart im September Tausende Menschen in die Stadien strömen sollen, braucht es eine Ausnahmegenehmigung der Politik. Eine Entscheidung soll noch in diesem Monat fallen.
Keine Stehplätze und kein Alkohol bis Ende Oktober, den Verzicht auf Gästefans bis Jahresende sowie die Sammlung sämtlicher Kontaktdaten sieht das DFL-Konzept für die Bundesliga und 2. Liga vor, sollte die Politik grünes Licht geben. „Das Konzept ist ein sehr, sehr gutes, in vielerlei Hinsicht in der Aufarbeitung beispielhaft“, hatte CDU-Politiker Spahn gesagt, aber auch die sinnvolle und präzise Anwendung des Konzepts angemahnt. Detaillierte Ausarbeitungen für jedes einzelne Stadion müssen die Clubs derzeit ohnehin in Absprache mit den Gesundheitsbehörden entwerfen.
Zahlreiche Kollegen Spahns äußerten sich angesichts steigender CoronaInfektionszahlen aber deutlich pessimistischer. „Wenn wir mit Mühe Schulen öffnen können, Kinder sogar Masken im Unterricht tragen, gibt es keinen Anlass, zusätzliche Fälle durch Fußballfans zu riskieren“, so SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach und warnte: „Wir können uns nur begrenzt Hotspots leisten.“
Die Furcht vor einer „zweiten Welle“ist groß, auch nur teilweise gefüllte Stadien stellen freilich ein Risiko dar. Der für den Sport zuständige Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, hält es deshalb „für falsch“, nun „voreilig wieder Großveranstaltungen zuzulassen, die zu Superspreader-Ereignissen werden könnten“. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zeigte sich zuletzt skeptisch. Auch der Ärzteverband Marburger Bund äußerte Bedenken. „Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie Fußballfans mit zwei Metern Abstand ein Tor ihrer Mannschaft bejubeln“, sagte die Vorsitzende Susanne Johna. Das sei einfach nicht sehr realistisch. „Wenn Fans im Stadion sind, dann wollen sie auch zusammen sein und gemeinsam feiern, was ja menschlich nachvollziehbar ist“, erläuterte die Ärztin und Hygienespezialistin. „Insofern bin ich da eher kritisch.“
Seifert ist die Mehrung kritischer Stimmen nicht verborgen geblieben. Es sei für ihn „persönlich absolut nachvollziehbar“, sagte der DFL-Geschäftsführer, „dass die Signale aus der Politik zuletzt zurückhaltender ausgefallen sind“. Demut ist daher oberstes Gebot bei der DFL.
„Wir erwarten nichts und fordern nichts, sondern bereiten uns darauf vor“, sagte Seifert. Den bangen Blick nach Berlin ist der Profifußball sowieso schon gewohnt. Auch das im Frühjahr entworfene Hygiene- und Sicherheitskonzept zur Saison-Fortsetzung musste von den politischen Entscheidungsträgern abgenickt werden – es funktionierte einwandfrei. Genau daran erinnerte Seifert. Die Clubs hätten sich dadurch einen „Vertrauensvorschuss verdient“, sagte der DFL-Boss – und hofft, dass die Politik es genauso sieht.
„Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie Fußballfans mit zwei Metern Abstand ein Tor ihrer Mannschaft bejubeln.“
Susanne Johna