Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Landleben live erleben
Abiturientin packt auf dem Bauernhof mit an
KARSEE - Wer nach Ruzenweiler möchte, braucht ein Navi. Der kleine Weiler bettet sich in die Allgäuer Landschaft in der Nähe von Karsee. Dort ist der Landwirtschaftsmeister Wolfgang Fäßler mit seiner Frau Roswitha Geyer-Fäßler, den drei Kindern, 55 Milchkühen, den Ponys Timmi und Lilli, einigen Laufenten, den Kaninchen und ein paar Katzen zuhause.
Für junge Leute, die gerne mal Freunde treffen und etwas erleben wollen, wahrscheinlich nicht die erste Adresse. Dennoch hat sich die Organisation „Landleben live“des Evangelischen Bauernwerks zur Aufgabe gemacht, Jugendliche für eine Zeit von zwei bis sechs Wochen auf Bauernhöfe zu vermitteln. Damit sie nicht nur den Beruf des Landwirtes kennenlernen können, sondern auch in das Landleben hineinschnuppern können.
Antonia Leuser aus Schwäbisch Hall hat im Frühsommer Abitur gemacht. Und als ihr Plan, ein Freiwilliges Soziales Jahr in Südafrika abzuleisten, wegen Corona platzte, kam sie über „Landleben live“nach Ruzenweiler. Am Ende ihrer dreiwöchigen Schnupperzeit erzählt sie vom Leben auf dem Bauernhof. „Die Kühe strukturieren den Tag“, sagt sie lächelnd „morgens in der Früh werden sie gemolken, dann kommen sie auf die Wiese und am späten Nachmittag treiben wir sie wieder hinein und sie werden wieder gemolken“.
Trotzdem sei jeder Tag anders. Beim Holzmachen im Wald sei sie dabei gewesen, bei der Apfelernte, im Haushalt und beim Kochen habe sie geholfen und sich um die Kinder gekümmert. Sie war dabei, als Fäßler eine kranke Kuh versorgte und zeigt auf eine Gruppe Kühe, die neugierig über eine Absperrung schaut. „Das sind die Trockensteher, also schwangere Kühe“, erklärt sie.
Bei den Milchkühen müsse man „vormelken“, also mit der Hand müsse man ein paar Tropfen aus den Zitzen drücken und sie dann an die Melkmaschine anschließen. Der Spaß sei auch nicht zu kurz gekommen. „Ich bin mit der Tochter ausgeritten, wir waren wandern und am Bodensee“, erzählt sie. Nein, jetzt möchte sie nicht unbedingt Landwirtin werden, aber etwas in Richtung Umweltschutz studieren.
Das Schönste sei gewesen, dass sie so gut in die Familie aufgenommen worden wäre. „Antonia kann gut mit Kühen“, lobt Fäßler die junge Frau. Er habe öfter Praktikanten oder Freiwillige auf seinem Biohof, manche interessierten sich eher für die Technik oder für den Haushalt und nicht jeder habe wie Antonia die Gabe, sich bei den Kühen durchzusetzen. Ein Bulle sei dabei, mit dem habe er die Abmachung, dass Fäßler auf dem Hof Chef sei „und auf der Weide gehören die Mädels ihm“, sagte er schmunzelnd mit einem Blick auf seine Milchkühe, die brav in den Stall trotten.
Er sei dankbar für jede Hilfe, das mit den Praktikanten klappe gut, und seine Kinder freuten sich auch, sie würden dadurch kontaktfreudiger. „Kühe sind irgendwie gut“, sagt Antonia Leuser, aber nein, sie kenne jetzt nicht jede persönlich, „man schaut eher auf die Euter als in die Augen“. Auf jeden Fall hat sie für sich viel mitgenommen, freue sich aber auch wieder auf die Stadt und ihre Freunde.