Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Die Sorge vor dem Saison-Stopp
Geisterspiele sind derzeit nicht das größte Problem der Bundesliga
BERLIN (SID) - Christian Streich liebt den Fußball, doch in der wieder verschärften Corona-Krise sind für den dienstältesten Bundesliga-Trainer andere Dinge wichtiger. „Wenn du Angst haben musst, dass die Schulen wieder schließen, dann macht mir das richtig Sorgen“, sagte der Coach des SC Freiburg nachdenklich: „Wenn die Kinder nichts lernen können und die ganze Zeit unter dem Druck stehen, dann sind das verlorene Monate oder gar Jahre.“
Angesichts der Rekordzahlen an Corona-Erkrankten wird das Leben der Menschen verstärkt eingeschränkt, das spürt auch der Profifußball. Am Wochenende sind aufgrund besorgniserregender Inzidenz-Zahlen in den Heimspielorten Augsburg, Bielefeld, Köln, Mainz, Freiburg, Mönchengladbach und Gelsenkirchen gar keine oder maximal 300 Zuschauer zugelassen. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis überall der Fan wieder ausgesperrt wird. Doch die Ängste der Club-Bosse geht über Geisterspiele hinaus, ein Saison-Stopp wie im Frühjahr soll mit aller Macht verhindert werden.
„Wenn die Saison nicht zu Ende gespielt werden könnte“, sagte Geschäftsführer Michael Preetz von Hertha BSC, „wäre das für alle ein existenzielles Problem.“Für alle – auch für die neureiche Hertha, für Primus Bayern München und für die börsennotierte Borussia aus Dortmund. Die Zukunft des Fußballs stehe „wirklich auf tönernen Füßen“, hatte Bayerns Vorstands-Chef KarlHeinz Rummenigge gesagt. Ohne Zuschauereinnahmen erwarten die Münchner Mindereinnahmen von 100 Millionen Euro. Eine durch die Gesundheitsbehörden verordnete Zwangspause käme ungleich teurer.
Damit es so weit nicht kommt, beteuern Verantwortliche wie Preetz, dass das Hygienekonzept der Deutschen Fußball Liga (DFL) „wunderbar funktioniert und gut greift“. Der Hertha-Manager ist daher „positiv gestimmt, dass wir die Saison spielen und sie auch beenden können“.
Wie weit entfernt die aktuelle Lage aber vom Optimalfall ist, zeigen die Probleme der Bundesligaclubs nach der Länderspielpause. Viele
Nationalspieler konnten nicht sofort wieder ins Training integriert werden, weil sie sich von den enormen Strapazen erst erholen und sich nach ihrer Rückreise aus einem Risikogebiet erst testen lassen mussten.
Bei Herthas Neuzugang Matteo Guendouzi fiel der Test positiv aus, der Franzose musste sich in zehntägige Quarantäne begeben. Zweitligist 1. FC Nürnberg musste wegen eines Corona-Falls in der Woche gar mit dem Training aussetzen.
BVB-Sportdirektor Michael Zorc spricht von einer „schwierigen Zeit“, doch es bringe auch nichts, sich permanent über die Situation zu beklagen. „Wir sind aufgerufen, das Bestmögliche aus der Situation zu machen“, sagte Zorc.
Der Profifußball sieht sich in dieser Zeit auch als Anker für die Menschen. Trainer Julian Nagelsmann zum Beispiel hofft, dass die Saison „normal weiterlaufen“werde, weil es „auch für die Gesellschaft eine gute Sache“sei. Er verfolge mit Interesse die neuen Verordnungen, verriet Nagelsmann: „Aktuell entwickelt sich das in die falsche Richtung, und dann gibt es eben Maßnahmen.“
Streich trifft die zweite Welle nicht unvorbereitet. „Ich bin nicht überrascht, dass wir im Oktober da stehen, wo wir jetzt stehen“, sagte er. Einen Ausblick in die Zukunft wagte der 55-Jährige aber nicht.