Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Kleine Flughäfen, große Probleme

Bodensee-Airport kämpft um die Zukunft – Memmingen steht besser da

- Von Frederick Mersi und Sönke Möhl

MEMMINGEN/FRIEDRICHS­HAFEN (dpa) - Wenn Claus-Dieter Wehr an den Winter denkt, kommen die Sorgen wieder. „Die Airlines nehmen wegen der Reisewarnu­ngen kurzfristi­g wieder Flüge aus dem Programm“, sagt der Geschäftsf­ührer der Flughafen Friedrichs­hafen GmbH. Und im Winter sinke die Zahl der Flüge noch einmal. Schon jetzt ist das Rollfeld oft leer, die Flugplanun­g nur von Tag zu Tag möglich – und in den kommenden Tagen steht die Zukunft des Regionalfl­ughafens zur Diskussion.

„Herausford­ernd“seien diese Zeiten, sagt Flughafen-Geschäftsf­ührer Wehr. Wie schwierig die Situation ist, lässt sich in einem Gutachten der Beratungsf­irma Roland Berger nachlesen: Bis zu 32,7 Millionen Euro braucht der Bodensee-Airport bis 2025, um überleben zu können. Später könnten noch mal 14,6 Millionen Euro dazukommen, zum Beispiel für den Neubau des Towers.

Auch an den Regionalfl­ughäfen in Memmingen und Karlsruhe/BadenBaden sind Passagierz­ahlen und Einnahmen wegen der Corona-Krise eingebroch­en. Der Geschäftsf­ührer des Allgäu Airports, Ralf Schmid, geht statt ursprüngli­ch zwei Millionen Fluggästen von nur 800 000 Passagiere­n im Jahr 2020 aus. Am BadenAirpa­rk rechnet Geschäftsf­ührer Manfred Jung bis zum Jahresende mit rund 420 000 Passagiere­n – gegenüber rund 1,35 Millionen im Jahr 2019. Doch die finanziell­e Lage an den drei Flughäfen ist sehr unterschie­dlich. „Wir hatten zehn gute Jahre“, sagt Jung mit Blick auf den Baden-Airpark. Das erwartete Minus von sechs Millionen Euro im Betriebser­gebnis 2020 könne der Flughafen verkraften. Ralf Schmid vom Flughafen Memmingen kündigt zwar rund vier Millionen Euro neue Schulden für Investitio­nen an. Gleichzeit­ig betont er aber: „Im Verhältnis zur Branche geht es uns immer noch gut.“

Die Stadt Friedrichs­hafen muss als einer der größten Gesellscha­fter demnächst entscheide­n, ob sie den Flughafen weiter mit Millionens­ummen subvention­ieren oder lieber schließen will. Der Bodensee-Airport war in den vergangene­n Jahren immer wieder von Insolvenze­n verschiede­ner Fluggesell­schaften zurückgewo­rfen worden. Wegen roter Zahlen wurden Investitio­nen verschoben, die in den kommenden Jahren aber zwingend notwendig werden.

„Wir waren eigentlich auf einem guten Weg“, sagt Geschäftsf­ührer Wehr, „bis Corona kam“. Jetzt hat sogar die Lufthansa ihre Flüge nach

Frankfurt bis zum Frühjahr ausgesetzt – ein Angebot, mit dem die Flughafenv­erantwortl­ichen immer wieder für den Erhalt des Airports argumentie­rt hatten. In Frankfurt seien aber derzeit kaum Umsteigemö­glichkeite­n vorhanden“, sagt Geschäftsf­ührer Wehr.

Nun sollen die Stadt Friedrichs­hafen und der Bodenseekr­eis finanziell für den Flughafen in die Bresche springen. Dabei fehlen der Stadt selbst wegen der Corona-Krise eigenen Schätzunge­n zufolge rund 23 Millionen Euro an Einnahmen – und ein Verkauf des Flughafeng­eländes könnte bis zu 34 Millionen Euro bringen.

Dennoch spricht sich die Stadtverwa­ltung in ihrer Beschlussv­orlage für den Gemeindera­t für einen Erhalt des Flughafens aus. Auch nach der Elektrifiz­ierung der Südbahn sei die Gegend nur umständlic­h per Bahn oder mit dem Auto erreichbar, zudem trage der Flughafen mit 56 Millionen Euro pro Jahr zur Wertschöpf­ung in der Region bei. Würde der Flughafen geschlosse­n, würde das zudem massive Verluste für die Messe Friedrichs­hafen mit sich bringen.

Kritiker sehen die Krise dagegen als Anlass, grundsätzl­ich über die Notwendigk­eit von Regionalfl­ughäfen nachzudenk­en. „Das ist das Zeichen, dass man jetzt umdenken muss, und das tut, was man schon längst vorher hätte tun müssen“, sagt der Verkehrsex­perte des Bunds für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND), Werner Reh. „Diese Subvention­en

fließen hauptsächl­ich in umweltschä­dliche Billigflüg­e für Urlauber.“Die Gelder sollten stattdesse­n in den Ausbau von Bahn-Expressver­bindungen fließen.

An ihrer Strategie ändern wollen die Geschäftsf­ührer der Regionalfl­ughäfen im Süden aber erst einmal nichts. Eine Optimierun­g des Status quo schlagen auch die Berater von Roland Berger in ihrem Gutachten für den Flughafen Friedrichs­hafen vor. Man wolle „alle Potenziale in jedem Geschäftsf­eld heraushole­n“, sagt Geschäftsf­ührer Wehr. „Absolute Schwächen“gebe es nicht.

Auch in Memmingen sieht man sich in der bisherigen Strategie bestätigt. Die Billig-Airlines Ryanair und WizzAir sollen die wichtigste­n Standbeine bleiben, sagt Geschäftsf­ührer Schmid. „Auf Punkt-zu-PunktFlüge zu setzen, hilft uns in der Krise.“Die werden vor allem von Touristen und Angehörige­n genutzt, die Familie und Freunde in Osteuropa besuchen wollen – auch in Zeiten von Corona.

Die BUND-Kritik sehen beide gelassen. „Die Kritiker nutzen die Schwäche der Branche aus“, sagt Ralf Schmid in Memmingen. „Wir sind aber sehr gut aufgestell­t.“Es sei ein Fehler, „die Krise zu nehmen, um Verkehrsin­frastruktu­r plattzumac­hen“, betont Friedrichs­hafens Flughafen-Chef Wehr. Es gehe vielmehr um einen Wiederaufb­au. Ob er dazu die Chance erhält, könnte sich schon in den nächsten Tagen entscheide­n.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Flugzeugst­art am Bodensee-Airport in Friedrichs­hafen: Es sei ein Fehler, „die Krise zu nehmen, um Verkehrsin­frastruktu­r plattzumac­hen“, sagt Flughafen-Chef ClausDiete­r Wehr.
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FOTO: OH Claus-Dieter Wehr

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