Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Dietrich Bonhoeffer – Pastor bis zum Tode
Die evangelische Kirchengemeinde organisiert zum 75. Todestag eine Lesung
BAD WURZACH - Einen Tisch und einen Stuhl – sehr viel mehr Bühnenbild benötigt Gesine Keller für ihre „Szenische Lesung“nicht. Anlässlich des 75. Todestages von Dietrich Bonhoeffer organisierte die evangelische Kirchengemeinde Bad Wurzach einen Rückblick auf das Leben des protestantischen Pfarrers und Widerständlers.
Dietrich Bonhoeffer wurde am 4. Februar 1906 kurz vor seiner Zwillingsschwester Sabine in Breslau geboren und wuchs mit seinen sieben Geschwistern in der damaligen Oberschicht auf. Sein Vater wurde 1914 Leiter der Berliner Charité und seine Mutter Paula stammte aus einem aristokratischen Haus. Nach dem Umzug nach Berlin unterrichtete die Mutter die Kinder zu Hause und erzog sie zu kritisch denkenden Menschen. Von ihr stammte auch der Ausspruch: „Den deutschen Männern wird zweimal das Rückgrat gebrochen; einmal in der Schule und einmal beim Militär.“
1914 brach der Erste Weltkrieg aus, der die Kindheit des jungen Dietrichs prägte. Millionen Kriegsgefallene, Versehrte, Hungersnöte, Grippetote und nicht zuletzt zahlreiche Selbstmorde musste der Achtjährige miterleben. „Im Dorf gab es eine Brücke und jeden Morgen standen Trauernde
darunter“, fasste er die tragischen Szenen zusammen.
Nach seinem Theologiestudium unternahm Bonhoeffer zahlreiche Studienreisen nach New York und Rom. Besonders diese Romreise hinterließ Spuren im Denken des jungen Theologen. „Was ist Kirche überhaupt?“Im Amerika jener Zeit entsetzte ihn die Rassentrennung, die er folgendermaßen in einem Zitat beschreibt: „Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten, als Bosheit. Gegen das Böse lässt sich protestieren, gegen die Dummheit sind wir wehrlos.“
1931 kehrte er nach Berlin zurück und wurde Privatdozent und Hilfsprediger am Prenzlauer Berg. Während dieser Zeit erlebte er die Judenverfolgen des dritten Reichs unmittelbar mit. Mit seinem Schwager
Hans von Dohnanyi engagierte er sich aktiv in der damaligen Widerstandsbewegung. Sein Freund und christlicher Wegbegleiter Bischof Georg Bell versuchte stets, ihn dabei aus dem Ausland zu unterstützen. Bonhoeffer beschäftigte sich zunehmend mit dem bedingungslosen Gehorsam, einer Eigenschaft, die er dem deutschen Volk zuschrieb. „Wir Deutschen haben in einer langen Geschichte Gehorsam lernen müssen, die Unterordnung aller persönlichen Wünsche und Gedanken.“
Nachdem 1944 ein erneuter Attentatsversuch auf Adolf Hitler fehlschlug, tauchten Akten auf, die den Widerstand Bonhoeffers dokumentierten. Er wurde daraufhin im Gestapokeller in Haft genommen. Der Theologe wusste, dass dies sein Ende bedeutete und schrieb unzählige Gefängnisbriefe, die ein Wärter für ihn nach draußen schmuggelte. Eines der vermutlich bekanntesten Zitate lautete: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag.“
Am frühen Morgen des 9. April 1945 wurde Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager Flossenbürg erhängt. Seine Familie erfuhr davon erst Wochen später, als die BBC den Gedenkgottesdienst im Radio übertrug. Sein einstiger Freund Georg Bell würdigte ihn dabei als einen furchtlosen und mutigen Mann.