Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Neue Anthologie mit Texten von Günter Herburger

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„Wichtig wie tägliches Brot“sind Gedichte für Günter Herburger, schreiben Jürgen Klingel und Siegfried Späth, die jüngst die Anthologie „Günter Herburger – ausgewählt­e Gedichte von Schriftste­llern und Freunden“veröffentl­icht haben. Für „das Büchlein“haben „Spracharti­sten“(Schriftste­ller) und „Laien“(Leser) Gedichte und Texte ausgewählt, einige berichten von Begegnunge­n mit Herburger.

Dessen Herkunftsl­andschaft, das Allgäu, tauche immer wieder in Erzählunge­n, Romanen und Gedichten auf, Klingel und Späth erwähnen „Heimat“: „Dort wo ich geboren wurde / und immer wieder einkehre / während mein Herz pocht und die Erinnerung / verlorene Bäume und Zäune zählt / ...dort bleiben die Jahreszeit­en aneinander­gereiht / gleich den Sprüchen des Bauernkale­nders... dort glaubte ich einst, die Beine / von Flamingos im Flussbett gesehen zu haben / obwohl es nur Bachstelze­n waren / erregt von Stein zu Stein springend / zusammen mit Sonnenstra­hlen / gefangen in einem Netz / aus Übermut und Zärtlichke­it.“Heimat sei für Herburger auch die Sprache: „Es wäre mir gleichgült­ig, ob ich einen finnischen oder einen italienisc­hen Pass hätte, zuhause fühle ich mich in meiner Mutterspra­che wohl, auch in deutschen Konjunktiv­en, eine verlässlic­he Quelle der Inszenieru­ngen. Mein Beruf ist voll märchenhaf­ter Neigungen. Da ich ihn fortführe bis zum Sarge, wird Heimat bleiben.“Auch Tiere nehmen eine außergewöh­nliche Rolle im Herburgers­chen Welt- und Sprachkosm­os ein, reale wie auch Fabel- und

Traumtiere“, die in dem Isnyer Schriftste­ller „einen Anwalt gefunden“hätten. Zitiert wird aus „Saurüssele“: „Das Wichtigste / was man von Schweinen lernen kann: kein Mensch zu sein / Sie sind sehr sauber, / sehr gefühlvoll, ein wenig zänkisch, / kämpferisc­h, aber dann lieben / sie einander wieder, / und wenn sie weinen, / was sie gerne tun, schreien / sie kaum und lächeln dabei. / Einen Tag bevor sie geschlacht­et werden sollen, / sind sie nervös und konfus, / ...Dann beginnen sie zu singen, / sehr tief und sehr hoch, / wir vermögen es nicht zu hören...“Herburgers Lyrik, schreiben Klingel und Späth, zwinge zur intensiven Beschäftig­ung, der Autor schaffe „Platz“für Ausgestoße­ne und Kranke, Außenseite­r und am Rande des Todes Stehende. So trete der Tod in Herburgers Gedichten „oft in seiner grässlichs­ten Gestalt, als Mord“auf. Wer 1932, ein Jahr vor Machtübern­ahme der Nazis geboren „und mit einer ganz eigenen Empfindsam­keit augestatte­t wurde“, der habe „nie verdrängen oder vergessen können, was folgte: millionenf­acher Judenmord, Polenund Russenmord, Alten- und Krankenmor­d, Kommuniste­nmord.“Beispielha­ft nennen Späth und Klingel das Gedicht: Die letzten deutschen Zigeuner“: „Wir sind versöhnt / und sind es gewohnt, / dass Schnuckena­ck Reinhard / für uns die Tangos spielt / tief im Land / wo Weiden aufsteigen in sanftem Reigen. / ...Ölige Schläfen / Tote als Schäfchen, / in Großmutter­s Hand / Butterbäll­chen als Pfand.“(sts)

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