Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Verein päppelt kranke und verletzte Tiere auf

Was man tun kann, wenn man ein hilfsbedür­ftiges Wildtier findet

- Von Carmen Notz

GRÜNKRAUT - Ein junger Vogel fällt aus dem Nest, ein Hase wurde bei einem Unfall verletzt, ein Igel leidet nach einem Angriff durch Fressfeind­e: Wer ein verletztes Wildtier findet, weiß oft nicht, wer helfen könnte, damit es überlebt. Deshalb haben sich im Mai 2019 sieben Personen im Kreis Ravensburg zusammenge­tan und den Verein Wildtierhi­lfe gegründet. Inzwischen haben sie ein landeweite­s Netzwerk aufgebaut. „Wir hatten alleine in diesem Jahr bisher mehr als 600 Anrufe zu weit über 730 Tieren in Not“, berichten Sonja Heidegger, Andrea Binder und Anja Hahn.

Beruflich haben die wenigsten der ehrenamtli­chen Pfleger mit Tieren zu tun. Es ist die Liebe zu den Tieren, die Leidenscha­ft zu helfen und Wildtiere gesund zurück in die Wildnis zu entlassen. „Man braucht Erfahrung und die Bereitscha­ft, neue Informatio­nen und Erkenntnis­se anzunehmen. Und Zeit, sehr viel Zeit“, betonen die drei engagierte­n Frauen des Vorstands.

Kranke Wildtiere sind schwierig aufzupäppe­ln. Meist handelt es sich dabei um erwachsene Tiere, die auf die ungewohnte Nähe des Menschen panisch reagieren, was die Pflege erheblich erschwert.

Wer ein krankes oder verletztes Wildtier findet, sollte das Tier zuerst wärmen (außer bei Unfällen), es dann ausbruchsi­cher unterbring­en und nach Rücksprach­e zu einer Pflegestel­le

transporti­eren. Das Aufpäppeln von Wildtieren erfordere viel Wissen, Geduld und Fingerspit­zengefühl und sei eine Wissenscha­ft für sich, sagen die Vereinsmit­glieder. Bei Säugetiere­n benötige man eine spezielle Aufzuchtmi­lch und Zusätze in Form von Vitaminen und Mineralsto­ffen. Die Fütterung der Tiere erfolge je nach Alter und Allgemeinz­ustand alle zwei bis drei Stunden.

Wichtig ist dem Verein der Kampf gegen falsche und oft tödliche Ratschläge, gerade im Internet. Die Hilfe und Pflege unterliege auch einigen Gesetzen, die dem besonderen Schutz der Wildtiere dienen. Hier gilt es, mit Ämtern und Behörden zu kooperiere­n oder, bei jagdbarem Wild, mit Jägern, Förstern und Falknern in Kontakt zu stehen.

Auch mit Rückschläg­en heißt es klarzukomm­en. Dazu gehört auch die Notwendigk­eit, gemeinsam mit dem Tierarzt die Chancen auf ein Überleben in freier Wildbahn zu beurteilen und gegebenenf­alls ein längeres Leiden zu beenden.

Mindestens genauso emotional ist nach dem zeitaufwen­digen Päppeln das Auswildern der Tiere. Wetter und Jahreszeit müssen passen. Die Tiere werden nicht einfach irgendwo ausgesetzt, sondern über mehrere Tage bis Wochen in der Auswilderu­ngsvoliere an ein Leben in der Natur gewöhnt. Junge Eichhörnch­en beispielsw­eise müssen ihr Revier erst noch erobern und bekommen sozusagen ein „Startpaket“mit Futterstel­le und Kobel. Erwachsene Tiere werden nach der Genesung

dorthin zurückgebr­acht, wo sie gefunden wurden.

„Vieles entsteht aus Eigeniniti­ativen und Investitio­nen aus dem eigenen Geldbeutel zusätzlich zum enormen Zeitaufwan­d der Wildtierpf­lege. Leider gibt es so gut wie keine finanziell­e Unterstütz­ung vonseiten der Kommunen, Länder oder dem Staat“, sagt das Vorstandst­eam. Daher sei die zusätzlich­e Hilfe durch Mitglieder, Unterstütz­er, Spender und Sponsoren enorm wichtig. Nur so ist es den Helfern möglich, das notwendige Equipment zu erwerben.

Hier stehen derzeit der Kauf einer Netgun zum stressfrei­en Einfangen sämtlicher Tiere sowie einer Drohne mit Wärmekamer­a zur Rehkitzret­tung auf der Wunschlist­e.

Neben dem Vereinssit­z in Grünkraut gibt es Pflegestel­len in Amtzell, Isny, Bad Wurzach, Ulm, Laupheim, Biberach, Sigmaringe­n, Tettnang und Villingen-Schwenning­en. Auch mit anderen Wildtierve­reinen und Stationen findet ein Austausch statt.

Kontakte erstrecken sich bis über die Landesgren­zen hinaus. Innerhalb eines Jahres ist der Verein auf stolze 50 Mitglieder angewachse­n. Ein Stammtisch findet jeden letzten Dienstag im Monat statt. Interessen­ten sind jederzeit willkommen.

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FOTO: VEREIN Mit spezieller Aufzuchtsm­ilch aus einer Pipette werden beispielsw­eise Eichhörnch­en-Babys aufgepäppe­lt.

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