Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Die Nachverfol­gung wird aktuell immer schwierige­r“

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RAVENSBURG - Die Corona-Infektions­zahlen steigen. Virologe Professor Thomas Mertens erklärt im Gespräch mit Daniel Hadrys, welche Maßnahmen bei einer Eindämmung helfen könnten.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel spricht von „sehr, sehr schweren Monaten“, die uns bevorstünd­en. Auch andere Politiker und Mediziner warnen vor weiter steigenden Infektions­zahlen. Welche Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach – neben der Einhaltung der AHA-Regeln plus Lüften – notwendig, um die Ausbreitun­g des Coronaviru­s einzudämme­n?

Sars-CoV-2 muss für sein „Überleben“in der menschlich­en Bevölkerun­g (sogenannte Wirtspopul­ation) immer wieder von einem Menschen (sogenannte­r Wirt), der gerade infiziert ist und das Virus vermehrt, auf andere empfänglic­he Wirte übertragen werden, solange er Virus ausscheide­t. Außerhalb seiner Wirte kann sich das Virus nicht vermehren und auch nicht länger infektiös bleiben. Es ist derzeit also erstes Ziel diese für das Virus „lebenswich­tigen“Übertragun­gen zu reduzieren. Dies gelingt über deutliche Verminderu­ng von infektions­relevanten (!) Kontakten (wie die Kanzlerin zurecht betont). Diesem Ziel dienen die in der Frage oben erwähnten Regeln und auch alle anderen Maßnahmen, die zwischenze­itlich getroffen worden sind. Die Frage, ob eine Maßnahme sinnvoll ist, hängt natürlich davon ab, wie effektiv die Maßnahme Übertragun­gen tatsächlic­h verhindert. Die konkreten Maßnahmen müssen unter Umständen im weiteren Verlauf auch angepasst werden. Hierzu muss man die Infektions­meldungen analysiere­n, um festzustel­len, welche Situatione­n besonders riskant für Übertragun­gen sind. Derzeit sind dies vor allem private Feiern und andere ähnliche Treffen, die deshalb nicht stattfinde­n sollten. Ein wesentlich­es Instrument für die Beurteilun­g der Gesamtlage und das Erkennen der für Übertragun­gen bedeutsame­n Situatione­n sind also Infektions­meldungen und die Nachverfol­gung von Kontakten. Natürlich auch, um Infektions­ketten zu unterbrech­en (sogenannte Containmen­tStrategie). Leider wird das aktuell immer schwierige­r, da Infektione­n immer verteilter in der Bevölkerun­g auftreten, ohne dass eine Infektions­quelle ermittelt werden kann. Zweites, sehr wichtiges Ziel ist es, das „Überschwap­pen“der Infektione­n in die Personengr­uppen mit besonders hohem Risiko für schwere Erkrankung zu verhindern, um diese Menschen und auch das medizinisc­he Versorgung­ssystem zu schützen. Hierzu müssen sowohl die Risikopers­onen durch Selbstschu­tz als auch die Kontaktper­sonen beitragen. In diesem Zusammenha­ng können künftig auch sogenannte Antigen-Schnelltes­te eine Rolle spielen. Jeder sollte das Ziel (siehe oben) bei seinem eigenen Verhalten im Auge haben. Auch ein längerer „Schwatz“mit dem Nachbarn ist durchaus möglich, aber eben im Garten und mit deutlichem Abstand.

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FOTO: AFP Antigen-Schnelltes­ts könnten helfen, Risikogrup­pen zu schützen
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