Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
CDU will wütenden Merz besänftigen
Die Partei versucht Vorwürfe des Sauerländers zu entkräften, man wolle ihn als Chef verhindern
BERLIN (dpa) - Nach heftigen Attacken des CDU-Vorsitzkandidaten Friedrich Merz gegen die Parteispitze wegen der Verschiebung des Parteitages sind führende Unions-Politiker um Deeskalation bemüht. CDUGeneralsekretär Paul Ziemiak versicherte am Dienstag, der Grund, die Entscheidung über den Parteivorsitz ins neue Jahr zu verschieben, sei die Corona-Infektionslage. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt rief dazu auf, jetzt zu der Entscheidung gemeinsam zu stehen. Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Ralph Brinkhaus, zeigte Verständnis für die Enttäuschung des einen oder anderen. Diese werde sich bald legen, und dann würden die Kandidaten wieder friedlich und respektvoll miteinander umgehen wie zuvor.
Der Bundesvorstand hatte am Montag beschlossen, dass der geplante Präsenzparteitag am 4. Dezember in Stuttgart mit 1001 Delegierten
angesichts der stark steigenden Infektionszahlen nicht mehr zu halten sei. Wenn auch Anfang des neuen Jahres kein Präsenzparteitag möglich sei, solle ein digitaler Parteitag abgehalten werden. Fehle dafür noch eine gesetzliche Grundlage, solle es einen digitalen Parteitag mit Vorstellungsrunde und eine anschließende Briefwahl geben. Das könnte eine Verzögerung nach sich ziehen bis ins Frühjahr hinein.
Merz hatte nach dem Beschluss in Interviews der Parteiführung massive Vorwürfe gemacht. Teilen des „Parteiestablishments“hielt er erneut vor, ihn als CDU-Chef verhindern zu wollen. Die Absage des Wahlparteitages sei „der letzte Teil der Aktion ,Merz verhindern’ in der CDU“, sagte der 64-Jährige.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der sich ebenfalls für den CDU-Vorsitz bewirbt, hatte für eine Verschiebung plädiert. Dritter Kandidat ist der Außenexperte Norbert Röttgen, der die Verschiebung als notwendig akzeptierte. Merz sagte der „Welt“: „Ich habe ganz klare, eindeutige Hinweise darauf, dass Armin Laschet die Devise ausgegeben hat: Er brauche mehr Zeit, um seine Performance zu verbessern.“
Ziemiak versuchte im Deutschlandfunk, die Kritik von Merz zu entkräften. So gab Merz zu bedenken, dass am 7. Dezember die Mandate vieler Parteitagsdelegierter endeten. Ziemiak sagte, wenn Delegierte wegen der Infektionslage nicht neu gewählt werden könnten, blieben sie im Amt.
Ein weiterer Einwand von Merz: Es laufe die Amtszeit des jetzigen Vorstandes aus. Die Regierung brauche aber ein Parlament und dieses wiederum arbeitsfähige Parteien. Ziemiak sagte, im kommenden Jahr sei die Situation so, dass der Vorstand im Amt bleibe. Man werde den Parteitag – gemeinsam mit den Vorsitzkandidaten – in den nächsten Wochen vorbereiten.
Dobrindt warnte davor, einen falschen Zungenschlag in die jetzige Debatte zu bringen. Er könne das Votum für die Verschiebung nachvollziehen. Aber auch andere Entscheidungen seien möglich gewesen. Aber „jetzt muss man auch zu so einer Entscheidung gemeinsam stehen.“