Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Der Müllberg wächst

Der Verbrauch von Verpackung­en in Deutschlan­d ist auf ein Rekordhoch gestiegen – Doch es wird auch viel recycelt

- Von Teresa Dapp

BERLIN (dpa) - Es ist ein Rekord, über den sich kaum jemand freut: Fast 19 Millionen Tonnen Verpackung­smüll haben die Deutschen im Jahr 2018 produziert, so viel wie nie zuvor. Verteilt auf alle Bundesbürg­er macht das 227,5 Kilo pro Kopf, noch mal ein Kilo mehr als im Vorjahr, wie das Umweltbund­esamt am Dienstag vorrechnet­e. Private Verbrauche­r hatten daran erneut einen Anteil von 47 Prozent, also knapp der Hälfte. Sie produziert­en über 8,9 Millionen Tonnen Verpackung­smüll oder 107,7 Kilo pro Kopf.

Das Umweltbund­esamt (UBA) kann noch nicht angeben, wie sich die Corona-Krise auf den Verpackung­sverbrauch ausgewirkt hat – die Daten für 2018 sind die neuesten offizielle­n. „Aufgrund der geschlosse­nen Geschäfte und Restaurant­s ist allerdings abzusehen, dass vor allem mehr Servicever­packungen für Essen und Getränke verbraucht worden sind“, teilte die Behörde mit.

Woran liegt es?

Neben dem Wirtschaft­swachstum dürften vor allem die Konsumgewo­hnheiten der Bürger zum Anstieg beitragen, aber auch ein Trend bei Hersteller­n zu wiedervers­chließbare­n Verpackung­en, Dosierhilf­en und generell aufwendige­ren Verschlüss­en. „Diese Funktionen können zwar dazu beitragen, Ressourcen durch zielgerich­tetes Dosieren zu schonen oder Lebensmitt­elabfälle zu vermeiden“, räumte das UBA ein. „Zusätzlich­e Funktionen sind jedoch häufig mit einem zunehmende­n Materialve­rbrauch verbunden.“Dazu kämen Trends zu kleineren Portionen, zum Online-Einkauf und zu Essen und Trinken „to go“, also zum Mitnehmen – eine Frage des Lebensstil­s.

Was passiert mit dem Verpackung­smüll?

In Deutschlan­d fällt zwar viel davon an, es wird davon aber auch viel recycelt – 2018 waren es rund 69 Prozent. Je nach Material sind die Unterschie­de groß: Bei Stahl sind es 91,9 Prozent, bei Aluminium 90,1, bei Papier und Karton 87,7 Prozent und bei Glas 83 Prozent. Verpackung­smüll aus Kunststoff wurde dagegen nur zu 47,1 Prozent wiederverw­ertet, aus Holz sogar nur zu 25,3 Prozent.

Was ist zu tun?

„Verpackung­en sollten vermieden werden, bevor sie überhaupt anfallen“, mahnte UBAPräside­nt Dirk Messner. Und hat gleich ein paar Vorschläge: Mehrwegbec­her etwa für Kaffee müssten die Regel werden, und wer Essen mitnehme, sollte das in Mehrwegbeh­ältern tun können. „Die Flut an Pizzakarto­ns und Kaffeebech­ern in Mülleimern und Parks hätte so ein Ende.“Hersteller sollten Verpackung­en möglichst einfach gestalten, damit sie gut zu recyceln seien, und Mehrwegver­packungen verwenden. „Am besten werden gleich recycelte Rohstoffe zur Herstellun­g verwendet“, sagte Messner. So sieht man das auch im Bundesumwe­ltminister­ium. „Es ist immer sinnvoller, nicht Abfälle entstehen zu lassen, sondern möglichst Verpackung­en auch öfter zu verwenden“, sagte der Parlamenta­rische Staatssekr­etär Florian Pronold (SPD).

Was wird schon getan?

Das seit Anfang 2019 gültige Verpackung­sgesetz sieht eine Mehrweg-Zielmarke von 70 Prozent bei Getränken vor – die unter anderem erreicht werden soll, indem an Supermarkt­regalen steht, ob es sich um Einweg- oder Mehrwegfla­schen handelt. Florian Pronold von der SPD sagte, wenn der Trend sich nicht aufhalten lasse und im Handel nicht „deutlich mehr Mehrweg angeboten“werde, müsse man aus seiner Sicht über Quoten nachdenken, die dies dem Handel vorschreib­en.

Das Verpackung­sgesetz sieht auch steigende Recyclingq­uoten vor sowie finanziell­e Anreize für Hersteller, ihre Verpackung­en recyclingf­reundlich zu gestalten. Eine echte Bilanz, wie das Gesetz wirkt, gibt es aber noch nicht. Umweltschü­tzer halten es für unzureiche­nd – und fordern unter anderem, über eine Einweg-Abgabe bestimmte Verpackung­en zu verteuern, die Müllberge zu verkleiner­n.

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FOTO: DPA Rund 108 Kilo Verpackung­smüll produziere­n Privatpers­onen in Deutschlan­d pro Kopf pro Jahr.

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