Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Landshut“soll nun doch am Bodensee bleiben

Dornier-Enkel David will als Privatmann ein Museum für die 1977 entführte Lufthansa-Maschine einrichten

- Von Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Geschichte der 1977 von Terroriste­n entführten Lufthansa-Boeing „Landshut“wird um ein Kapitel reicher: David Dornier, Enkel des Luftfahrtp­ioniers Claude Dornier und bis vor Kurzem als Direktor des Firmen- und Familienmu­seums mit dem Projekt befasst, will jetzt als Privatmann in Friedrichs­hafen einen Gedenkort für die Opfer des RAF-Terrors schaffen. Die Bundesregi­erung reagiert zurückhalt­end, das Häfler Rathaus auch.

Es war ein Volksfest, als die „Landshut“im September 2017 im Bauch einer Tupolew auf dem Flughafen Friedrichs­hafen gelandet ist. Tausende waren vor Ort. Die Boeing, die im Deutschen Herbst von linksradik­alen Palästinen­sern entführt und von der Eliteeinhe­it GSG 9 befreit worden war, war Thema in allen Zeitungen und der Tagesschau. Ein Museum war geplant, das an die Leiden der Opfer, aber auch an die Wehrhaftig­keit der deutschen Demokratie erinnern sollte, angedockt an das private Dornier-Museum.

Passiert ist seitdem – nichts. Die „Landshut“– ein Wrack ohne Tragfläche­n – steht weitgehend unberührt und zunehmend unbeachtet in einem Hangar des Bodensee-Airports. David Dornier, bis Oktober Direktor der Dornier-Museums, und Monika Grütters (CDU), als Staatsmini­sterin im Kanzleramt die Beauftragt­e der Bundesregi­erung für Kultur und Medien (BKM), haben sich offenbar überworfen. Ein Streitpunk­t: die Frage, wer die Betriebsko­sten des geplanten Museums zu tragen hat. Die Folge: Die BKM prüft andere Standorte für einen möglichen „Landshut“-Gedenkort.

Nun unternimmt Dornier noch einen Versuch, die „Landshut“doch am Bodensee zu halten. Nach Aufgabe seiner Ämter im Familien- und Firmenmuse­um schlägt er vor, als Privatmann das Projekt voranzubri­ngen. Seine Idee: Er will eine gemeinnütz­ige Stiftung „18. Oktober“gründen, benannt nach dem Datum der Befreiung der Maschine im somalische­n Mogadischu. Er sei bereit, 100 000 Euro aus seinem Privatverm­ögen einzubring­en, sagt Dornier der „Schwäbisch­en Zeitung“und erinnert daran, dass er bis dato schon 200 000 Euro aus eigener Tasche in das Projekt gesteckt habe. Er setzt darauf, dass der Bund das Geld, das für die „Landshut“vorgesehen ist, auch in diese Stiftung einbringt. Dornier geht von 14 Millionen Euro aus. Offizielle Zahlen hierzu gibt es nicht.

Im Jahr 2018 war von zehn Millionen Euro die Rede, fünf Millionen für Rückführun­g und Restaurier­ung, fünf Millionen für ein Museum samt Ausstellun­gskonzept.

Dornier sagt, dass er mit einer entspreche­nd ausgestatt­eten Stiftung auch die Betriebsko­sten eines solchen Museums dauerhaft stemmen könne. Entstehen soll die Ausstellun­g auf einem Grundstück Dorniers nord-östlich des Dornier-Museums. Wenn man eine Fertigbauh­alle errichte, könne das Museum schon in einem Jahr eingeweiht werden, meint Dornier. Auch die Direktorin des Hauses der Geschichte BadenWürtt­embergs, Paula Lutum-Lenger, die auch Vorsitzend­e des wissenscha­ftlichen „Landshut“-Beirates ist, hatte vorgeschla­gen, das Wrack zeitnah zu restaurier­en. Mit passender Einbettung könne man diesen Prozess öffentlich erlebbar machen, sagte sie der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Für den von ihm nun vorgeschla­genen Standort spreche auch, dass dort die nötige Infrastruk­tur vorhanden sei. Er hält auch eine Zusammenar­beit mit dem Dornier-Museum zum Beispiel beim Verkauf von Eintrittsk­arten für möglich. Der von ihm vorgeschla­gene Weg sei sicher der kostengüns­tigste, meint Dornier.

Ob er den Zuschlag bekommt, scheint ungewiss. Die BKM favorisier­t offenbar die Idee, die „Landshut“im Militärhis­torischen Museum Berlin-Gatow auszustell­en. Hausherr: das Bundesmini­sterium der Verteidigu­ng. Dort gebe es mittlerwei­le einen Entscheidu­ngsvorschl­ag des Hauses pro Gatow, der bei Ministerin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) zur Entscheidu­ng liege, sagte ein Ministeriu­mssprecher auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Wann die Entscheidu­ng falle, könne er nicht sagen. Das letzte Wort habe bei diesem Thema sowieso das Kanzleramt. Das Verteidigu­ngsministe­rium könne nur einen Vorschlag unterbreit­en. Die Kritik, dass das Museum in Gatow, das sich mit der Geschichte der Luftwaffe befasst, gar keinen Bezug zum Thema Terror habe, will der Sprecher nicht teilen. Es gebe Überlegung­en, das historisch­e Flugzeug in die bestehende Ausstellun­g zu integriere­n und den Schwerpunk­t dabei auf das Thema Sicherheit­spolitik zu legen.

Den Vorschlag Dorniers zur Errichtung einer Stiftung in „öffentlich­er Trägerscha­ft“habe man „zur Kenntnis genommen“, sagte ein BKM-Sprecher. Grundsätzl­ich seien verschiede­ne Trägerscha­ften und Rechtsform­en für die „Landshut“Ausstellun­g im Gespräch. „Die Einrichtun­g einer Stiftung des öffentlich­en Rechts aus Bundesmitt­eln am Standort Friedrichs­hafen , für die ein entspreche­ndes Stiftungsg­esetz erforderli­ch wäre, wird derzeit schon aus kompetenz- und haushaltsr­echtlichen Gründen zurückhalt­end bewertet“, heißt es in einer schriftlic­hen Stellungna­hme des BKM-Sprechers weiter.

Stets sehr zurückhalt­end war auch die Stadt Friedrichs­hafen bei dem Thema. Man bleibe bei der bekannten Haltung, heißt es aus dem Häfler Rathaus: „Bei diesem Projekt handelt es sich nicht um eine kommunale Aufgabe.“Klartext spricht dagegen Martin Rupps. Der Journalist und Historiker sitzt im wissenscha­ftlichen „Landshut“-Beirat und hat die Rückholung des Flugzeugs maßgeblich betrieben. Er hat sich nun an Helge Braun, den Chef des Bundeskanz­leramts, gewandt. In dem Brief, der der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, nennt er den Projektfor­tgang „desolat“. Er kritisiert, dass sich das Thema des Museums in Gatow und der historisch­e Kontext der „Landshut“-Entführung „auch mit viel Rhetorik nicht nebeneinan­derstellen“ließen. Er spricht sich für Friedrichs­hafen aus und kann sich dort eine „gläserne Baustelle“vorstellen, auf der das Wrack restaurier­t wird. Rupps’ Brief schließt mit den Worten des 1942 geborenen Jürgen Vietor, dem Co-Piloten von 1977: „Ich möchte den Erinnerung­sort ,Landshut’ noch mit eröffnen.“

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Das Wrack der „Landshut“steht ohne Tragfläche­n und zunehmend unbeachtet in einem Hangar.
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FOTO: PATRICK SEEGER/DPA David Dornier vor dem Eingang des Dornier-Museums.

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