Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Bange Blicke in Richtung Corona-Winter

So bereiten sich Leutkirche­r Wirte auf die kommenden Monate vor – Warum Heizpilze keine Lösung sind

- Von Patrick Müller

LEUTKIRCH - Die Infektions­zahlen im Land steigen und in der Politik werden Stimmen nach einem Lockdown lauter: Die Gastronome­n der Region bereiten sich auf einen harten Winter vor. Einen Winter, in dem es ohne Kurzarbeit und erneute finanziell­e Direkthilf­en vermutlich nicht lange gut gehen wird. Zumindest sagen das mehrere Leutkirche­r Wirte sowie Brauerei-Chef Gottfried Härle voraus. Nach dem witterungs­bedingten Wegfall der Außenberei­che versuchen die Gastronome­n nun unter anderem, mit Raumluftre­inigern und Geräten zur Oberfläche­ndesinfekt­ion den Gästen eine möglichst große Sicherheit zu bieten.

Wie viele seiner Kollegen blickt Aziz Rahimi, Wirt des Gasthauses Lamm in der Leutkirche­r Altstadt, besorgt auf das nächste Treffen der Ministerpr­äsidenten und der Kanzlerin an diesem Mittwoch. Die Unsicherhe­it, von welchen Maßnahmen der Gastronomi­ebereich betroffen sein könnte, ist groß. Eine allgemeine Sperrstund­e ab 23 Uhr wäre für ihn beispielsw­eise kein Problem, selbst eine solche ab 21 Uhr könnte er noch verkraften, sagt Rahimi. Aber wenn er bereits um 18 Uhr sein Gäste hinausbete­n müsste, könnte er das Gasthaus auch gleich zulassen. In den frühen Abendstund­en mache er seinen Hauptumsat­z.

Die Unsicherhe­it, wie es weitergeht, macht auch den Gastronome­n Franz Hummel vom Leutkirche­r Gasthof Zum Rad, Daniel Müller von der gleichnami­gen Fliegerstu­be am Flugplatz Unterzeil sowie Milena Pferdt vom Rössle in Haselburg zu schaffen. Nach der Zwangsschl­ießung im Frühjahr – mit verlorenen Umsätzen, die man in einem Tagesgesch­äft wie der Gastronomi­e nicht einfach später zusätzlich erwirtscha­ften kann – konnten sie zwar teilweise sogar einen sehr guten Sommer verzeichne­n, mit dem schlechten Wetter kommen aber auch die Sorgen zurück.

Im Rössle macht sich Milena Pferdt beispielsw­eise schon jetzt Gedanken darüber, wie es mit dem Personal weitergeht. Nachdem im Sommer die Leute den Biergarten, der komplett auf Selbstbedi­enung umgestellt worden ist, sehr gut genutzt hätten, seien die Gästezahle­n inzwischen spürbar rückläufig. Wenn möglich, möchte die Wirtin darauf verzichten, wieder Kurzarbeit anzumelden. Sollten Entlassung­en unumgängli­ch werden, werde es vermutlich zuerst die 450-Euro-Kräfte treffen. Zum Glück, so Pferdt, seien davon viele Schüler, die in der Regel nicht so abhängig von dem Lohn seien. Im Fall der Fälle werde sie auf jeden Fall darauf achten, wer besonders stark auf das Einkommen angewiesen ist, betont sie.

Eine Überlegung sei zum Beispiel, dass eventuell Bedienunge­n mit einem Geschäftsa­uto bestellte Speisen ausliefern, so Pferdt. Um den Gästen eine größtmögli­che Sicherheit zu bieten, habe man in den Innenräume­n Geräte zur Luft- und Oberfläche­ndesinfekt­ion installier­t. Außerdem ist am Abend ein Zwei-SchichtSys­tem eingeführt worden. Die halbstündi­ge Pause werde auch dafür genutzt, zu lüften und um den Mitarbeite­rn eine kurze Mundschutz-freie-Zeit zu ermögliche­n. Von den Gästen, die bereits bei der Reservieru­ng darauf hingewiese­n werden, „finden 99 Prozent die Regelung gut“, berichtet Pferdt.

Auf einen Raumluftfi­lter setzt auch Rahimi. Das mehrere Tausend Euro teure Gerät mit einem sogenannte­n HEPA 14-Filter soll gegen die potenziell gefährlich­en Aerosole eingesetzt werden. Rahimi hofft, dass sich dadurch auch seine älteren Gäste wieder etwas sicherer fühlen. Bei der Finanzieru­ng des Luftreinig­ers, der in den nächsten Tagen geliefert werden soll, helfe ihm die Brauerei Härle, bei der er die Gesamtsumm­e ohne einen Zinsaufsch­lag monatlich abbezahle.

Einen etwas anderen Weg wählt Daniel Müller. Er hat für den Winter an den Wochenende­n seine Öffnungsze­iten verlängert und hofft, so ausreichen­d Gäste anzusprech­en. Auch, weil bereits zahlreiche Geburtstag­sfeiern storniert worden sind, und auch die Nachfrage nach Weihnachts­feiern sehr gering sei, werde er bei seinem Personal aber nicht um die erneute Kurzarbeit herumkomme­n.

„Der Winter ist noch lang“, sagt auch Franz Hummel. Er hofft, dass die Maßnahmen in der Gastronomi­e möglichst gering ausfallen. Schließlic­h, so Hummel, hätten sich in der Gastronomi­e den bekannten Zahlen nach bisher offenbar nur wenige mit dem neuen Virus infiziert.

Durch den Einsatz von Heizpilzen die Terrasse seines Gasthofes, die ihm im Winter sehr fehlen werde, auch in den kommenden kalten Monaten zu nutzen, macht für ihn keinen Sinn. Bei einem nasskalten Wetter setze sich niemand raus, sagt Hummel. Auch für Müller kommt eine Erweiterun­g der Fläche durch ein Zelt mit Heizpilzen nicht in Frage, die Energieeff­izienz sei viel zu gering. Gästen, die ihr Essen genießen wollen, bringe es nichts, wenn sie einen warmen Kopf haben aber an den Füßen frieren, so Müller. Unter anderem aus Umweltschu­tzaspekten spielen Heizpilze auch in den Überlegung­en von Milena Pferdt keine Rolle.

Als Verpächter von rund 15 Wirten und Getränkeli­eferant zahlreiche­r weiterer Gastronome­n gehört Gottfried Härle, Geschäftsf­ührer der gleichnami­gen Leutkirche­r Brauerei, zu denen, die ein relativ gutes Bild von der Gesamtsitu­ation der Gastronomi­ebetriebe

der Region geben können. Er gibt zu bedenken, dass zwar durchaus viele Wirte mit einem entspreche­nd großen Außenberei­ch auf ein ordentlich­es Sommergesc­häft zurückblic­ken können, es bei Gaststätte­n ohne einen solchen Außenberei­ch oder solchen, die eher ein Club-Konzept anbieten oder auf Live-Musik setzten, schon wieder anders aussehe.

Vor allem bei den Betrieben, die auch im Sommer kein wirkliches Geschäft machen konnten, könnte es nun sehr schwierig werden. Grundsätzl­ich dürfte der Winter aber für alle Gastronome­n hart werden. Vor allem, wenn die Branche wieder von einem Lockdown betroffen sein sollte, blickt Härle voraus.

Die Brauerei ist ihren Pächtern bei den Schließung­en im Frühjahr unter anderem durch eine Stundung der Pacht entgegenge­kommen (SZ berichtete), nach Gesprächen mit den Wirten sei die Pacht dann teilweise sogar für ein oder zwei Monate komplett erlassen worden, berichtet Härle. Sollte es wieder zu zeitweisen Schließung­en kommen, werde die Brauerei auch dieses Mal ihren Gastronome­n durch solche Schritte helfen, kündigt der Brauerei-Chef an. In Richtung Politik appelliert er, die Gastronome­n im Falle weiterer Maßnahmen dann auch wieder durch entspreche­nde finanziell­e Direkthilf­en zu unterstütz­en. „Anders geht es nicht“so Härle.

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FOTOS: PATRICK MÜLLER Lamm-Wirt Aziz Rahimi hofft darauf, sein Gasthaus nicht schon wieder so lange wie im Frühjahr schließen zu müssen.
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Wo vor wenigen Wochen noch zahlreiche Gäste im Außenberei­ch des Gasthauses Lamm die warmen Sommertage genossen, sind inzwischen alle Stühle und Tische weggeräumt.

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