Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Bange Blicke in Richtung Corona-Winter
So bereiten sich Leutkircher Wirte auf die kommenden Monate vor – Warum Heizpilze keine Lösung sind
LEUTKIRCH - Die Infektionszahlen im Land steigen und in der Politik werden Stimmen nach einem Lockdown lauter: Die Gastronomen der Region bereiten sich auf einen harten Winter vor. Einen Winter, in dem es ohne Kurzarbeit und erneute finanzielle Direkthilfen vermutlich nicht lange gut gehen wird. Zumindest sagen das mehrere Leutkircher Wirte sowie Brauerei-Chef Gottfried Härle voraus. Nach dem witterungsbedingten Wegfall der Außenbereiche versuchen die Gastronomen nun unter anderem, mit Raumluftreinigern und Geräten zur Oberflächendesinfektion den Gästen eine möglichst große Sicherheit zu bieten.
Wie viele seiner Kollegen blickt Aziz Rahimi, Wirt des Gasthauses Lamm in der Leutkircher Altstadt, besorgt auf das nächste Treffen der Ministerpräsidenten und der Kanzlerin an diesem Mittwoch. Die Unsicherheit, von welchen Maßnahmen der Gastronomiebereich betroffen sein könnte, ist groß. Eine allgemeine Sperrstunde ab 23 Uhr wäre für ihn beispielsweise kein Problem, selbst eine solche ab 21 Uhr könnte er noch verkraften, sagt Rahimi. Aber wenn er bereits um 18 Uhr sein Gäste hinausbeten müsste, könnte er das Gasthaus auch gleich zulassen. In den frühen Abendstunden mache er seinen Hauptumsatz.
Die Unsicherheit, wie es weitergeht, macht auch den Gastronomen Franz Hummel vom Leutkircher Gasthof Zum Rad, Daniel Müller von der gleichnamigen Fliegerstube am Flugplatz Unterzeil sowie Milena Pferdt vom Rössle in Haselburg zu schaffen. Nach der Zwangsschließung im Frühjahr – mit verlorenen Umsätzen, die man in einem Tagesgeschäft wie der Gastronomie nicht einfach später zusätzlich erwirtschaften kann – konnten sie zwar teilweise sogar einen sehr guten Sommer verzeichnen, mit dem schlechten Wetter kommen aber auch die Sorgen zurück.
Im Rössle macht sich Milena Pferdt beispielsweise schon jetzt Gedanken darüber, wie es mit dem Personal weitergeht. Nachdem im Sommer die Leute den Biergarten, der komplett auf Selbstbedienung umgestellt worden ist, sehr gut genutzt hätten, seien die Gästezahlen inzwischen spürbar rückläufig. Wenn möglich, möchte die Wirtin darauf verzichten, wieder Kurzarbeit anzumelden. Sollten Entlassungen unumgänglich werden, werde es vermutlich zuerst die 450-Euro-Kräfte treffen. Zum Glück, so Pferdt, seien davon viele Schüler, die in der Regel nicht so abhängig von dem Lohn seien. Im Fall der Fälle werde sie auf jeden Fall darauf achten, wer besonders stark auf das Einkommen angewiesen ist, betont sie.
Eine Überlegung sei zum Beispiel, dass eventuell Bedienungen mit einem Geschäftsauto bestellte Speisen ausliefern, so Pferdt. Um den Gästen eine größtmögliche Sicherheit zu bieten, habe man in den Innenräumen Geräte zur Luft- und Oberflächendesinfektion installiert. Außerdem ist am Abend ein Zwei-SchichtSystem eingeführt worden. Die halbstündige Pause werde auch dafür genutzt, zu lüften und um den Mitarbeitern eine kurze Mundschutz-freie-Zeit zu ermöglichen. Von den Gästen, die bereits bei der Reservierung darauf hingewiesen werden, „finden 99 Prozent die Regelung gut“, berichtet Pferdt.
Auf einen Raumluftfilter setzt auch Rahimi. Das mehrere Tausend Euro teure Gerät mit einem sogenannten HEPA 14-Filter soll gegen die potenziell gefährlichen Aerosole eingesetzt werden. Rahimi hofft, dass sich dadurch auch seine älteren Gäste wieder etwas sicherer fühlen. Bei der Finanzierung des Luftreinigers, der in den nächsten Tagen geliefert werden soll, helfe ihm die Brauerei Härle, bei der er die Gesamtsumme ohne einen Zinsaufschlag monatlich abbezahle.
Einen etwas anderen Weg wählt Daniel Müller. Er hat für den Winter an den Wochenenden seine Öffnungszeiten verlängert und hofft, so ausreichend Gäste anzusprechen. Auch, weil bereits zahlreiche Geburtstagsfeiern storniert worden sind, und auch die Nachfrage nach Weihnachtsfeiern sehr gering sei, werde er bei seinem Personal aber nicht um die erneute Kurzarbeit herumkommen.
„Der Winter ist noch lang“, sagt auch Franz Hummel. Er hofft, dass die Maßnahmen in der Gastronomie möglichst gering ausfallen. Schließlich, so Hummel, hätten sich in der Gastronomie den bekannten Zahlen nach bisher offenbar nur wenige mit dem neuen Virus infiziert.
Durch den Einsatz von Heizpilzen die Terrasse seines Gasthofes, die ihm im Winter sehr fehlen werde, auch in den kommenden kalten Monaten zu nutzen, macht für ihn keinen Sinn. Bei einem nasskalten Wetter setze sich niemand raus, sagt Hummel. Auch für Müller kommt eine Erweiterung der Fläche durch ein Zelt mit Heizpilzen nicht in Frage, die Energieeffizienz sei viel zu gering. Gästen, die ihr Essen genießen wollen, bringe es nichts, wenn sie einen warmen Kopf haben aber an den Füßen frieren, so Müller. Unter anderem aus Umweltschutzaspekten spielen Heizpilze auch in den Überlegungen von Milena Pferdt keine Rolle.
Als Verpächter von rund 15 Wirten und Getränkelieferant zahlreicher weiterer Gastronomen gehört Gottfried Härle, Geschäftsführer der gleichnamigen Leutkircher Brauerei, zu denen, die ein relativ gutes Bild von der Gesamtsituation der Gastronomiebetriebe
der Region geben können. Er gibt zu bedenken, dass zwar durchaus viele Wirte mit einem entsprechend großen Außenbereich auf ein ordentliches Sommergeschäft zurückblicken können, es bei Gaststätten ohne einen solchen Außenbereich oder solchen, die eher ein Club-Konzept anbieten oder auf Live-Musik setzten, schon wieder anders aussehe.
Vor allem bei den Betrieben, die auch im Sommer kein wirkliches Geschäft machen konnten, könnte es nun sehr schwierig werden. Grundsätzlich dürfte der Winter aber für alle Gastronomen hart werden. Vor allem, wenn die Branche wieder von einem Lockdown betroffen sein sollte, blickt Härle voraus.
Die Brauerei ist ihren Pächtern bei den Schließungen im Frühjahr unter anderem durch eine Stundung der Pacht entgegengekommen (SZ berichtete), nach Gesprächen mit den Wirten sei die Pacht dann teilweise sogar für ein oder zwei Monate komplett erlassen worden, berichtet Härle. Sollte es wieder zu zeitweisen Schließungen kommen, werde die Brauerei auch dieses Mal ihren Gastronomen durch solche Schritte helfen, kündigt der Brauerei-Chef an. In Richtung Politik appelliert er, die Gastronomen im Falle weiterer Maßnahmen dann auch wieder durch entsprechende finanzielle Direkthilfen zu unterstützen. „Anders geht es nicht“so Härle.